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Ein Polizist sichert den Zugang zum Benjamin-Franklin-Krankenhaus in Berlin.
© dpa/Wolfgang Kumm
Update

Benjamin-Franklin-Klinikum in Berlin-Steglitz: Schwerkranker Patient erschießt seinen langjährigen Arzt

Ein 72 Jahre alter Mann hat am Franklin-Klinikum am Hindenburgdamm einen Oberarzt erschossen. Die Klinikleitung äußert sich nicht zum Tatmotiv - mit Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht.

Nach den tödlichen Schüssen auf einen Arzt im Benjamin-Franklin-Krankenhaus in Berlin-Steglitz hat die Charité am Dienstagabend zu den Hintergründen informiert. Der 72 Jahre alte Täter sei seit vielen Jahren bei dem Arzt in Behandlung gewesen, teilte der ärztliche Direktor Ulrich Frei mit. "Wir verstehen in keiner Weise, warum es zu dieser Tat gekommen ist, " sagte Charité-Vorstandschef Karl Max Einhäupl.

Laut des Ärztlichen Direktors Ulrich Frei hatte der Mann am Montag vergeblich versucht, den Arzt in der Ambulanz zu treffen. Am Dienstag sei er erneut gekommen und habe sofort mehrere Schüsse auf den Mediziner abgegeben. Der sei noch in einen Nebenraum geflohen. Doch auch die Notoperation habe den 55-jährigen Mediziner nicht mehr retten können.

Zum möglichen Motiv der Tat wollte sich die Klinikleitung mit Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht genauer äußern. „Es war wohl weniger Rache als Verzweiflung“, sagte Ulrich Frei und verwies darauf, dass der getötete Kollege ein ausgewiesener Spezialist für Tumore im Mund-Rachen-Bereich gewesen sei.

Trotz des Vorfalls betonte Charité-Chef Einhäupl: "Krankenhäuser sind offene Häuser." Auch Frei stimmte ihm zu: " Wir können aus der Klinik keinen Flughafen machen. Mit diesem Risiko müssen wir leben."

Nach den Ereignissen werde laut Klinikchefin Astrid Lurati die Ambulanz des Benjamin-Franklin-Klinikums am Mittwoch geschlossen bleiben. Mitarbeiter würden durch Seelsorger betreut. Am Mittwoch soll es für alle die Möglichkeit geben, sich auszutauschen sowie ein Kondolenzbuch zu unterzeichnen.

Was am Tag passierte

Ein Patient des Benjamin-Franklin-Klinikums hatte am Dienstagmittag in dem Steglitzer Krankenhaus den Arzt erschossen. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei eröffnete der Mann um 12.50 Uhr das Feuer auf den Mediziner. Direkt danach tötete er sich selbst. Der Arzt wurde sofort intensivmedizinisch betreut, erlag jedoch keine zwei Stunden später seinen Verletzungen.

Wie der Tagesspiegel erfuhr, ereignete sich der Vorfall während einer Sprechstunde im vierten Obergeschoss, also der fünften Etage, des Bettenhauses I. Dort befindet sich die Station für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Es sollen lediglich zwei Schüsse gefallen sein. Nach Tagesspiegelinformationen soll es sich um den Oberarzt der Kieferchirurgie und zweifachen Familienvater handeln. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar. "Es gibt ausdrücklich derzeit keinen Hinweis auf einen extremistisch-islamistischen Hintergrund der Tat", sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel am Tatort.

Das Benjamin-Franklin-Klinikum liegt am Hindenburgdamm im Steglitzer Ortsteil Lichterfelde. Direkt nach eingehen des Notrufs rückte die Polizei mit einem Großaufgebot aus. Mehrere Einsatzhundertschaften und sämtliche verfügbaren Funkstreifen des zuständigen Abschnitts wurden zum Klinikum alarmiert. Auch ein Spezialeinsatzkommando war nach Augenzeugenberichten vor Ort. Zahlreiche Rettungswagen fuhren vor.

Ein Tagesspiegel-Leser meldete sich kurz nach den Schüssen per Telefon. "Ich stand vor dem Haupteingang, als plötzlich ein großes Polizeiaufgebot anrückte. Schwer bewaffnete Beamte haben sämtliche Eingänge gesichert." Angestellte und Besucher seien "ruhig aus dem Gebäude gelaufen", so der Augenzeuge. Weitere Funkstreifen hätten die Zufahrten zum Gelände gesperrt.

Die Tagesspiegel-Reporterin vor Ort sprach mit einer Frau, deren Schwester im vierten Stock des Gebäudes behandelt wird. "Meine Schwester rief mich gegen 13 Uhr unter Tränen an. Im Hintergrund war lautes Geschrei. Sie sagte, es seien Schüsse gefallen und sie habe Angst um ihr Leben", sagte die Frau. Ihre Schwester habe sich dann auf dem Balkon versteckt. Später sei eine Schwester in den Raum gekommen und habe gesagt, dass alle Patienten auf ihren Zimmern bleiben müssten.

Keine Hinweise auf Geiselnahme

Wenige Minuten nach 14 Uhr entspannte sich die Situation am Klinikum allmählich. Das SEK rückte wieder ab, auch einige der Rettungswagen wurden abgezogen. Zuvor hatte die Spezialeinheit das gesamte Gebäude nach weiteren Schützen durchsucht.

Gegen 14.20 Uhr gab die Polizei vorläufig Entwarnung. "Es gibt keine Hinweise auf weitere Täter oder eine Geiselnahme", sagte eine Sprecherin. Bald darauf durften Angestellte und Angehörige der Patienten in das Klinikum zurückkehren.

Schütze: 72 Jahre, deutsch, schwer krank aus Spandau

Um 14.35 Uhr teilte die Polizei mit, dass der angeschossene Mediziner gestorben sei. "Beim Schützen handelt es sich um einen älteren Mann", sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel um 15.15 Uhr. Man habe "erste Anhaltspunkte zu seiner Identität" ermittelt, könne aber noch keine weiteren Informationen herausgeben. Auch zur Motivlage des Schützen konnte Wenzel noch nichts sagen.

Der Täter soll Wenzel zufolge mit einer "Kurzwaffe" - also entweder aus einer Pistole oder aus einem Revolver - auf den Arzt geschossen haben. "Ich kann allerdings noch nicht sagen, wie viele Schüsse tatsächlich gefallen sind", sagte Wenzel.

Gegen 16 Uhr teilte die Polizei mit, dass der Schütze identifiziert sei. "Es handelt sich um einen 72-jährigen deutschen Staatsangehörigen aus Spandau", sagte eine Sprecherin. Der Mann sei wegen einer schweren Erkrankung in der Klinik behandelt worden und sei auch schon am Montag im Krankenhaus gewesen.

GdP: Polizisten hatten im Einsatze Probleme mit dem Funk

Laut der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gab es bei dem Einsatz erneut Probleme mit dem Digitalfunk. „Die Kollegen haben das Haus betreten und konnten sich eine Stunde lang nicht verständigen oder über die Lage informieren“, sagte Sprecher Benjamin Jendro. Die Störung betraf die Berliner Polizisten, Informationen über Kommunikationsstörungen beim SEK sind nicht bekannt.

Nach dem Einsatz äußerte sich die Berliner Polizei auf Twitter deutlich zu Internet-Trolls. "Unsere Empfehlung an die trollenden Selbstdarsteller ohne Interesse an Fakten hier: "Erzählen Sie es ihrem Spiegelbild", twitterte sie gegen 17 Uhr.

Das "Campus Benjamin Franklin" ist einer von vier Hauptstandorten des landeseigenen Klinikkonzerns Charité. Die Charité bezog am Dienstagnachmittag zu den tödlichen Schüssen Stellung. "Mit großer Bestürzung teilt die Charité mit: Der Arzt, der heute Vormittag an der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Campus Benjamin Franklin der Charité – Universitätsmedizin Berlin angeschossen wurde, ist seinen schweren Verletzungen erlegen. Die Charité ist in Gedanken bei den Angehörigen, die verständigt wurden und trauert mit ihnen", schrieb Uwe Dolderer, Pressesprecher der Charité.

Berliner Politiker zeigen sich betroffen

Innensenator Frank Henkel (CDU) bezeichnete die Ereignisse als "furchtbare Tragödie". Auch wenn es keine Hinweise auf eine islamistische oder sonstige Terrortat gäbe, ließe dieses Verbrechen tief betroffen zurück. "Dass es unmittelbar nach der Tat keine wilden Gerüchte gegeben hat, ist das einzige, was sich dieser traurigen Nachricht abringen lässt. Trotz der großen Anspannung, die es momentan gibt, sind alle besonnen geblieben“, sagte Henkel.

Der Senator für Gesundheit und Soziales, Mario Czaja (CDU) drückte sein Mitgefühl für Angehörige und Kollegen aus."Ich trauere mit den Angehörigen des Opfers und bin in Gedanken auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Benjamin-Franklin-Klinikums, die einen Kollegen verloren haben. Auch die Patientinnen und Patienten der Klinik werden jetzt Zeit brauchen, um diesen ungeheuerlichen Vorfall zu verarbeiten.". hieß es auf Facebook.

„Der tödliche Angriff auf einen unserer Ärzte am Campus Benjamin Franklin hat mich sehr schockiert", sagte auch Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD). "Er wurde im Dienst erschossen, an einem Ort, an dem tagtäglich Menschenleben gerettet werden. An einem Ort, an dem Ärzte und Pflegekräfte der Charité sich für die Patientinnen und Patienten einsetzen und ihnen helfen. Wir haben einen Kollegen und Mitarbeiter verloren."

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