Berlin-Kreuzberg: Polizei-Großeinsatz nach Messerstecherei nahe Flüchtlingsunterkunft
Ein 39-Jähriger wurde am Montagabend bei einer Messerstecherei in Berlin-Kreuzberg schwer verletzt. Der mutmaßliche Täter begab sich zunächst in die von Flüchtlingen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule. Als die Polizei eingriff, wurde sie von Sympathisanten der Flüchtlinge angefeindet und angegriffen.
Gegen 22 Uhr am Montagabend hat ein 39-jähriger Mann aus Angola in der Ohlauer Straße, Ecke Reichenberger Straße in Berlin-Kreuzberg schwere Stichverletzungen erlitten. Vorausgegangen war ein Streit zwischen fünf Männern, sagte ein Polizeisprecher dem Tagesspiegel. Nachdem Passanten die Polizei alarmiert hatten, flüchteten einige Beteiligte in die unter anderem von Asylbewerbern besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule. Während der schwer verletzte 39-Jährige ärztlich versorgt und mit Verdacht auf eine lebensbedrohliche Lungenverletzung ins Krankenhaus gebracht wurde, verließ ein 23-jähriger Mann aus dem Tschad, der offenbar an der Auseinandersetzung beteiligt war, die Schule wieder. Auch er wies laut Polizei leichte Schnittverletzungen auf und wurde deshalb ebenfalls ins Krankenhaus gebracht.
Aufgrund der völlig unübersichtlichen Lage habe sich die Polizei entschlossen, die Schule zu betreten, sagte der Sprecher. "Es war ja nicht klar, ob die Auseinandersetzung im Gebäude weitergeht und wer überhaupt die Beteiligten waren." Allerdings habe man nicht gewaltsam in die Schule eindringen und auch keine Zwangsmaßnahmen gegen Personen vornehmen müssen. Bei der Befragung zur Messerstecherei stellte sich heraus, dass angeblich der leicht verletzte 23-Jährige dem 39-Jährigen die schweren Wunden zugefügt hatte. Er wurde im Anschluss an die ambulante Versorgung im Krankenhaus als Tatverdächtiger festgenommen.
Sowohl er als auch sein 39-jähriges Opfer sind für die Polizei keine Unbekannten und nach Tagesspiegel-Informationen unter anderem durch Drogendelikte im Görlitzer Park in Erscheinung getreten.
Während die Polizei in der Schule die Personalien von 66 Anwesenden feststellte, kam es vor dem polizeilich abgesicherten Heim zu einem Aufzug von etwa 100 Sympathisanten und so genannten Unterstützern der Flüchtlinge. Sie sollen die Beamten beschimpft und teilweise auch bedrängt haben. Laut Polizei wurden mehrere Anzeigen wegen Widerstandes, Körperverletzung und Beleidigung gefertigt. Offenbar glaubten die Sympathisanten, dass die Schule geräumt werden sollte oder ein entsprechendes Gerücht wurde zielgerichtet gestreut. Der für das Schulgebäude zuständige Immobilien-Stadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Hans Panhoff (Grüne), war gegen 23.20 Uhr zum Ort des Geschehens geeilt. "Ich habe den Leuten gemeinsam mit der Polizei gesagt, dass es hier nicht um eine Räumung sondern um Maßnahmen nach einer Straftat geht", sagte er dem Tagesspiegel. Danach sei es relativ ruhig zugegangen. Trotzdem zogen die Sympathisanten nach Polizeiangaben erst gegen 3.30 Uhr ab.
Am Tatort waren Blutspuren entdeckt und ein Messer gefunden worden, das als mögliches Tatwerkzeug sichergestellt wurde. Eine Mordkommission hat die Ermittlungen wegen versuchten Totschlags übernommen. Der verletzte Angolaner soll sich nicht mehr in Lebensgefahr befinden - der Verdacht auf eine schwere Lungenverletzung habe sich nicht bestätigt, hieß es bei der Polizei.
Bereits im November war es auf dem Gelände an der Ohlauer Straße zu einem ähnlichen Vorfall gekommen. .Ein Damals stach ein 18-Jähriger, der inzwischen verhaftet wurde, einen 20-Jährigen nieder. Im April hatten sich vier Männer nach einem Überfall auf einen Imbisswagen in die Gerhart-Hauptmann-Schule geflüchtet. Laut Polizei gab es hier seit der Besetzung 30 Polizeieinsätze.
Die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, sagte dem Tagesspiegel: „Die Idee der Flüchtlinge, die Schule selbst zu verwalten und auch selbst zu bewachen, ist wohl gescheitert. Trotzdem würde eine Räumung das Problem nicht lösen.“ Herrmann setzt deshalb wie Stadtrat Hans Panhoff auf weitere Gespräche mit den Besetzern – noch in dieser Woche.
Innenminister Frank Henkel (CDU) sprach von einem „erneuten schweren Vorfall“ an dieser Schule: „Frau Herrmann ist in der Pflicht“, sagte er dem Tagesspiegel: „Sie darf nicht tatenlos abwarten bis sich das Gebäude zu einem sicherheitsrelevanten Brennpunkt entwickelt. Auch die hygienischen Zustände erfordern ihr Handeln. Dieses Problem lässt sich nicht aussitzen."
Monika Herrmann kann darüber nur den Kopf schütteln: „Wenn hier jemand etwas aussitzt, ist es doch die Landesregierung, die für Flüchtlingspolitik entweder den Bund oder die Bezirke verantwortlich macht “, sagt sie. „Denn selbst wenn man ein Gebäude oder einen Platz räumt – die Menschen sind doch immer noch hier.“