Nach Autobombenanschlag in Berlin-Charlottenburg: Opfer war in organisierten Kokainhandel verstrickt
Die Behörden vermuten die Drahtzieher des tödlichen Anschlags in der Bismarckstraße weiter im Organisierten Verbrechen. Der Abgeordnete Christopher Lauer fordert, auch einen möglichen rechtsextremen Hintergrund zu prüfen.
Nach dem tödlichen Bombenanschlag in der Bismarckstraße in Charlottenburg hat die Staatsanwaltschaft am Mittwoch neue Ermittlungsergebnisse präsentiert. Demnach starb das 43-jährige Opfer an einem Explosionstrauma – der Sprengsatz hatte dem Mann schwerste Beinverletzungen zugefügt; er ist verblutet.
Der Täter hatte den Sprengsatz wie berichtet unter dem VW Passat angebracht, mit dem das Opfer durch die Bismarckstraße gefahren war. Die Ermittler beschäftigen sich nun mit der Frage, wie die Explosion am fahrenden Auto ausgelöst wurde. „Die Untersuchungen zur Zündvorrichtung laufen“, sagte Justizsprecher Martin Steltner.
Zur Art des eingesetzten Sprengsatzes sagte Steltner nichts – diese Information gilt als Täterwissen, das bei der Überführung eines Verdächtigen von entscheidender Bedeutung sein kann. Allerdings gehen die Ermittler offenbar davon aus, dass der Bombenleger ein Fachmann war: „Ein Dilettant ist es offensichtlich nicht gewesen“, sagte Steltner.
Opfer war in Kokainhandel verstrickt
Bereits am Dienstag war die Wohnung des Opfers – der Mann lebte unweit des Tatorts in der Bismarckstraße – ohne Ergebnis durchsucht worden. Nun sollen die letzten Stunden im Leben des Opfers rekonstruiert werden, um den Drahtziehern des Anschlags auf die Spur zu kommen. Mehrere Vernehmungen hätten außerdem „Einzelinformationen zum Umfeld des Opfers erbracht“, sagte Steltner. Demnach sei der 43-Jährige in den organisierten Kokainhandel verstrickt gewesen.
Steltner zufolge war das Opfer „vor einiger Zeit“ wegen Drogengeschäften in Polen inhaftiert gewesen. Der 43-Jährige war auch in Deutschland wegen Drogendelikten, illegalen Glücksspiels und der Verbreitung von Falschgeld ins Visier der Behörden geraten; allerdings war er zumindest in Deutschland seit 2008 nicht mehr negativ aufgefallen. Offenbar hatte der 43-Jährige seine kriminellen Aktivitäten zuletzt ins Nachbarland verlagert.
Die Betätigungsfelder des Mannes, seine grenzüberschreitenden Aktivitäten und sein ungewöhnlich brutales Ende stützen die Vermutung der Ermittler, dass der Mann einer Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Gruppen Berufskrimineller zum Opfer gefallen sein könnte. Steltner zufolge verdichten sich auch die Hinweise darauf, dass das Opfer gezielt getötet wurde und nicht nur zufällig im falschen Auto saß. Schon am Dienstag hatten Innensenator Frank Henkel explizit die Möglichkeit ins Spiel gebracht, dass der Hintergrund des Anschlags im Bereich der organisierten Kriminalität liegen könnte. Bei dieser Einschätzung blieben die Sicherheitsbehörden auch am Mittwoch.
Rechtsextremer Hintergrund sollte nicht ausgeschlossen werden
Der Abgeordnete Christopher Lauer aus der Piratenfraktion kritisierte diese frühzeitige Festlegung. Er sei irritiert, dass ein politischer Tathintergrund – also rechtsextremer Terror – anscheinend ausgeschlossen würde. Lauer zog Parallelen zur Mordserie der NSU: Auch die NSU-Mörder hätten Bombenanschläge auf türkischstämmige Migranten verübt, auch dort seien die Ermittler über Jahre davon ausgegangen, dass die Opfer ins organisierte Verbrechen verstrickt gewesen seien – bis sich die Morde als neonazistische Terrorserie herausgestellt hatte.
„Welche Gruppierung der organisierten Kriminalität hätte denn ein Interesse daran, durch eine Autobombe die geballte Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden und der Medien auf sich zu ziehen?“, fragte Lauer. Die Möglichkeit eines rechtsextremen Anschlags dürfe nicht pauschal ausgeschlossen werden. Das Opfer hatte einen türkischen Migrationshintergrund.
Martin Steltner von der Staatsanwaltschaft wollte die Kritik nicht gelten lassen. „Wir schließen gar nichts vollständig aus, ermitteln natürlich in alle Richtungen. Es gibt nur keinerlei Hinweise auf eine rechtsextremistische Tat.“