Kriminalität: Neues Melderecht macht Kriminellen das Leben leichter
Immer mehr Scheinadressen im amtlichen Register erschweren der Polizei die Ermittlungsarbeit.
Im Melderegister lassen sich immer mehr Kriminelle unter Scheinadressen registrieren – nun schlägt die Polizei deswegen Alarm. In immer mehr Fällen, so klagen Beamte, klingele man bei Ermittlungen an der falschen Haustür. In mehreren Fällen hätten Beamte bei „Gefahr im Verzuge“ sogar Türen aufgebrochen und erst im Flur gemerkt, dass sie Unschuldige behelligen und nicht wie erwartet gesuchte Kriminelle. Dies koste enorm viel Zeit und Kapazitäten, kritisiert ein Ermittler aus einem Betrugskommissariat. Wie berichtet, braucht man seit dem 1. Juni 2004 bei der Ummeldung keinerlei Bestätigung des Vermieters mehr – „Jeder kann sich anmelden wo er will“, kritisiert der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Rolf Kaßauer. Der BDK forderte jetzt, Anmeldungen wieder schärfer zu kontrollieren. „Die Meldedaten müssen stimmen“, fordert der BDK.
Doch der Senat verteidigt das liberalisierte Melderecht. Bürger und Bürgerämtern hätten so weniger Arbeit – und weniger Streit um versäumte Fristen für die Vorlage von Vermieter-Unterschriften. Und: „Wer schummeln wollte, konnte das früher auch schon mit einer gefälschten Unterschrift“, sagt die Sprecherin der Innenverwaltung, Isabelle Kalbitzer.
Dass „die Qualität der Meldedaten sinkt“, hatte die für das Melderegister verantwortliche Referatsleiterin, Klaudia Zurth, bereits Ende 2005 eingestanden. Doch wie schlecht die Qualität mittlerweile ist, bleibt offen. Zahlen gibt es nicht, heißt es aus der Innenbehörde.
Offensichtlich werden selbst gröbste Lügen nicht erkannt. Es habe Fälle gegeben, bei denen sich Banditen im Dutzend in einer Wohnung gemeldet hätten – „und das schlimme ist, dass der angebliche Vermieter dies gar nicht weiß“, sagte der Kriminalbeamte. Dass es keinerlei Plausibilitätskontrolle mehr gibt zeigt der Fall Stephan M.: Der bei der Generalbundesanwaltschaft als Terrorverdächtiger geführte Kreuzberger hatte sich in der „Oranienstraße 1“ polizeilich gemeldet. Bei der bundesweiten Razzia rückte das Bundeskriminalamt im Mai auch zu dieser Adresse aus – und schnell wieder ab. Das Grundstück ist seit Jahrzehnten unbebaut, nur ein Baum wächst dort. Der Terrorverdächtige, in der linken Szene als „Mao“ bekannt, wurde nicht angetroffen – Kreuzberg hatte was zu lachen.
Skandalöser ist der Fall Levent U. Der als „Schöneberger Todesraser“ bekannt gewordene 25-Jährige war von einem Richter von der U-Haft „verschont“ worden, da keine Fluchtgefahr bestünde – U. habe ja Wohnung und Anschrift. Was der Richter nicht wusste: Levent U. hatte sich in der Kreuzberger Pücklerstraße nur zum Schein gemeldet. Kurz darauf raste er im Alkoholrausch in einen Kleinwagen, der Insasse starb.
Neben Kriminellen seien es vor allem osteuropäische Schwarzarbeiter, die eine falsche Adresse angeben und Eltern, die ihr Kind in eine bestimmte Schule schicken wollen. Missbraucht werde das Melderecht auch von „Kontoeröffnungsbetrügern“, wie sie die Polizei nennt. Viele Banken gewähren laut Kaßauer auch ohne Verdienstbescheinigung einen Dispokredit. Bei der Kontoeröffnung werde zwar eine „echte“ Meldebescheinigung vorgelegt – doch mit falscher Adresse.
Experten erwarten, dass die Betrugsfälle zunehmen. Denn das Melderecht soll weiter vereinfacht werden – Anmeldungen sind dann im Internet möglich. BDK-Chef Kaßauer: „Dann gibt es gar keine Kontrolle mehr.“
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