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Polizisten im Einsatz am Mittwoch in der Rigaer Straße. In der Nacht danach wurde in mehreren Bezirken randaliert.
© dpa
Update

Randale nach Polizeieinsatz in Berlin: Henkel: Kein Zurückweichen vor Gewalttätern

Nach dem Einsatz in der "Rigaer 94" brannten in der Nacht zu Donnerstag Autos, Banken wurden mit Steinen attackiert. Zuvor hatte die BVV Friedrichshain-Kreuzberg ein Ende der "massiven" Einsätze gefordert. Die Szene kündigte weitere Aktionen an.

Mutmaßliche Linksextremisten haben in der Nacht zu Donnerstag im Nachgang zum Polizeieinsatz in der Rigaer Straße am Mittwoch in mehreren Innenstadtbezirken randaliert. Die Ausschreitungen begannen um 20 Uhr am Mariannenplatz in Kreuzberg und zogen sich fast die ganze Nacht lang hin.

Kreuzberg: 200 Vermummte am Mariannenplatz

Am Mariannenplatz in Kreuzberg zog um 20.10 Uhr eine etwa 200-köpfige Gruppe los, die laut Polizei "größtenteils vermummt" und teilweise mit Holzstangen bewaffnet waren. Die Polizei trieb die Gruppe mit Pfefferspray auseinander. Aus einer fünfköpfigen Gruppe flog ein Stein auf die Polizeibeamten. Er traf einen Beamten am Helm, dieser konnte aber trotz leichter Verletzungen weitermachen. Nur wenige Minuten später prasselten an der Ecke Köpenicker Straße/Engeldamm mehrere Steine auf einen Polizeiwagen. Die ebenfalls vermummten Täter entkamen.

Drei Stunden später um 23 Uhr wurde an der Ecke Frankfurter Tor/Warschauer Straße - fünf Gehminuten von der Rigaer Straße entfernt - ein weiteres Polizeiauto von einem Stein getroffen. Ein 30-jähriger Verdächtiger wurde gefasst. Ein zweiter Mann, 23 Jahre alt, widersetzte sich an der Grünberger Straße seiner Festnahme und trat dabei einem Polizeibeamten gegen den Kopf. Trotz Helm wurde der Beamte leicht verletzt und musste mit der Arbeit aufhören. Der 23-Jährige hatte zuvor zusammen mit mehreren Komplizen versucht, Gegenstände von einer Baustelle auf die Warschauer Straße zu zerren.

Brennende Tonnen auf der Schlesischen Straße

Gegen Mitternacht tobte eine Gruppe von 30 teils vermummten Kriminellen durch die Schlesische Straße. Sie schoben zwei Mülltonnen auf die Fahrbahn und setzten sie in Brand. Das Bürgeramt wurde mit Steinen und Farbbeuteln beschädigt, eine Bushaltestelle "entglast." Die Gruppe schlug an drei Autos die Scheiben ein und demolierte auch noch eine weitere Bushaltestelle.

Zeitgleich wurde in der Glaßbrennerstraße in Prenzlauer Berg ein BMW in Brand gesetzt: Totalschaden. Auf einer Baustelle an der Finnländischen Straße wurden um 1.25 Uhr Holzpaletten und Baumaschinen angezündet.

Moabit: Bankfiliale mit Steinen beworfen

In Moabit wütete gegen Mitternacht ein Trio vermummter Krimineller. In der Beusselstraße warfen sie Steine und laut Polizei "brennende Gegenstände" - es soll sich weder um Böller noch um Molotowcocktails gehandelt haben - gegen eine Bank, in der Gotzkowskystraße schlugen sie die Scheiben einer Bushaltestelle ein. Sie traten den Außenspiegel von einem Opel und warfen in der Zwinglistraße einen Motorroller um. Die Täter hinterließen an einem nahen Wohnhaus den Schriftzug: "Heraus zum kämpferischen 8. März."

Stralau: Zwei BMWs angezündet

Bis etwa 2 Uhr nachts wurden der Polizei keine weiteren Vorkommnisse gemeldet. Dann bewarfen Unbekannte eine Bank am Halleschen Ufer mit Steinen. Sie hinterließen den Schriftzug "Love Rigaer, hate Cops". Im Zeitraum zwischen 2.15 und 2.25 wurden mehrere brennende Autos gemeldet: Am Dora-Benjamin-Park in Stralau wurden zwei BMW angezündet, in der Alexandrinenstraße in Kreuzberg ein Opel. Gegen 3 Uhr wurde an einer weiteren Bank in der Heinrich-Heine-Straße die Scheiben eingeworfen.

Gehwegplatte in SPD-Büro geworfen

Am Donnerstagmorgen wurde die Polizei dann erneut nach Prenzlauer Berg alarmiert, diesmal in die Kopenhagener Straße. Unbekannte hatten Steine und "Teile einer Gehwegplatte" durch die Scheibe des Wahlkreisbüros des SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Mindrup geworfen. An den Eingang hatten sie "R94 bleibt!" geschmiert. In allen Fällen hat der Polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. Es geht unter anderem um Landfriedensbruch, Brandstiftung und Sachbeschädigung.

Im Internet wird zu weiteren Aktionen aufgerufen

Auf dem einschlägigen Internetportal linksunten.indymedia wurde noch während der Randale - um 2.22 Uhr - ein Artikel eingestellt, der Bezug auf die Rigaer Straße nimmt und zu weiteren Aktionen aufruft.

Unter dem Titel "Wir sind verdammt wütend – und das ist gut so! Solidarität mit der Rigaer94" heißt es zu den Randalen: "Viele Menschen haben sich gesammelt, sind gelaufen, haben ein paar Steine geschmissen und immerhin ein Ziviauto entglast."

Außerdem wird die Szene aufgefordert, sich "mit allen Mitteln" zu wehren und die am Mittwoch geräumten Teile der Rigaer Straße 94 wieder in Beschlag zu nehmen, "Aktionen zu machen und vielfältig der Wut Ausdruck zu verleihen." Darunter verstehen die Verfasser "plakatieren, sprühen, demonstrieren, Steine schmeißen, Autos anzünden, Bullen schlagen."

Henkel: Es bleibt beim "klaren Kurs" gegen Linksextremisten

CDU-Innensenator Frank Henkel erklärte am Donnerstag, man müsse linke Gewalt genauso entschieden bekämpfen wie Gewalt von rechts. "Die Opposition hat mir in den letzten Monaten immer wieder überhartes Vorgehen in der Rigaer Straße vorgeworfen. Die Ereignisse von gestern zeigen aber, dass ein Zurückweichen vor den Gewalttätern völlig falsch wäre. Deshalb bleibt es bei meinem klaren Kurs", sagte Henkel.

BVV Friedrichshain-Kreuzberg: Runder Tisch für die Rigaer 94

Die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg hatte noch am Mittwochabend mit den Stimmen der Fraktionen von Grünen, Linken und Piraten einen Beschluss gefasst, in dem ein Ende der "massiven Polizeieinsätze im Samariterkiez" gefordert wird.

Die Verordneten forderten das Bezirksamt auf, sich bei Innensenator Henkel für eine gemeinsame Strategie für die Rigaer Straße einzusetzen. Dazu solle ein runder Tisch "unter Beteiligung von Bewohner*innen, der Anlieger*innen und Nachbar*innen im Samariterkiez, des Bezirksamtes, der Polizei", Hauseigentümern und Senat eingerichtet werden. In einer weiteren Resolution, ebenfalls mit den Stimmen von Grünen, Linken und Piraten beschlossen, erklärte die BVV ihre "Solidarität mit dem linken Wohnprojekt Rigaer Straße". Die Räumlichkeiten dort könnten nicht als Unterkunft für Flüchtende genutzt werden. "Deswegen gehen wir davon aus, dass dieser Einsatz lediglich dazu dient, die Bewohner des Hauses weiteren Repressalien zu unterziehen, damit diese das Haus selbstständig verlassen", heißt es in der Resolution.

VVN-BdA wirft Henkel rechten Populismus vor

Am Donnerstagnachmittag meldete sich sogar die Berliner Sektion der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) mit einer Erklärung zu Wort.

Der VVN-BdA wirft Innensenator Henkel darin "rechten Populismus à la AfD" vor, verurteilt die "gewaltsame Schließung der nichtkommerziellen Kneipe Kadterschmiede" in der Rigaer Straße 94 und fordert deren sofortige "Rückgabe". Die Kaderschmiede stelle einen "Rückzugsraum für Geflüchtete" dar und sei notwendig, damit Flüchtlinge "neue soziale Kontakte außerhalb der Isolation in den meist trostlosen Notunterkünften" knüpfen könnten. Henkels Politik finde nur den "Applaus von Feinden der Demokratie", so der VVN-BdA.

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