Verdächtige festgenommen: Ex-Hells-Angel schickte Rockerboss einen Auftragskiller
Im Juni wurde ein Anschlag auf den Präsidenten der Berliner Hells Angels-Ortsgruppe "Nomads" verübt. Nun hat die Polizei zwei Verdächtige festgenommen. Und sie hat eine Vermutung zu den Hintergründen der Tat.
Ein Spezialeinsatzkommando hat am Mittwoch zwei Männer unter dem Verdacht des Mordversuchs festgenommen. Der 51 Jahre alte Holger „Hocko“ B. aus Altlandsberg bei Berlin soll den 63 Jahre alten Michael W. aus Wilmersdorf beauftragt haben, den einstigen Boss der Ost-Berliner Hells Angels zu erschießen.
Der 47-jährige André Sommer war im Juni dieses Jahres vor seiner Kneipe, dem „Germanenhof“ in Hohenschönhausen, mit vier Schüssen lebensgefährlich verletzt worden. Nur eine Not-OP rettete sein Leben. Aussagen zum Täter, den er gesehen hatte, machte Sommer, wie unter Rockern üblich, nicht.
Holger B. war bis 2008 selbst Präsident der Hells-Angels-Dependance. Wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten ist er mit dem Segen einflussreicher Rocker aus den USA aus dem Club ausgeschlossen worden. Das – in der Szeneterminologie – unehrenhafte Entlassen hatte Sommers Aufstieg begünstigt.
Staatsanwalt Jörg Raupach zufolge hat sich B. durch die Tat womöglich seine Position bei den Hells Angels zurückholen wollen. Der festgenommene W. soll den Anschlag gemeinsam mit einem Mann aus Osteuropa verübt haben. Bei diesem Verdächtigen soll es sich um den Schützen handeln, nach ihm wird noch im Ausland gefahndet. Zu seiner Identität wurde aus Sicherheitsgründen nichts gesagt. Unter Rockern wird Selbstjustiz geübt.
W. und der angeheuerte Schütze hätten von „Hocko“ eine nicht genannte Summe versprochen bekommen. Da es Streit um den Tatlohn gegeben haben soll, teilte Raupach mit, hätte die Polizei die beiden Verdächtigten an diesem Mittwoch festgenommen: Es sei nicht auszuschließen gewesen, dass der Schütze nach Berlin komme, um sich unter Einsatz von Gewalt mehr Geld von B. und W. zu holen.
Raupach kommentierte Vermutungen nicht weiter, wonach Alt-Rocker Holger B. den Mann deshalb nicht voll bezahlte, weil Sommer den Anschlag überlebt hatte: Allerdings sei „Lohnabzug bei Minderleistungen“ allgemein üblich.
In Justizkreisen heißt es, „Hocko“ sei schon als Rockerpräsident nicht durch „strategisches Denken“ aufgefallen. Auch dass einer der Täter in der Nähe des „Germanenhofs“ wohl sein Handy benutzt hatte, gilt als unprofessionell. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass ihr eine Funkzellenabfrage, also das Auswerten von Handysignalen rund um den Tatort, geholfen habe. Dabei würden „in jedem Krimi“ die Telefone vor der Tat ausgemacht, um Spuren zu vermeiden.
Anders als anfangs spekuliert worden war, sollen rivalisierende Rockergruppen wie die Bandidos mit der Tat nichts zu tun haben. Als Reaktion auf den Anschlag und blutige Auseinandersetzungen in der Szene hatte die Staatsanwaltschaft die „Task Force Rocker“ gegründet, die Staatsanwalt Raupach leitet.
Im Mai 2011 war „Hocko“ auf seinem Grundstück von Unbekannten niedergestochen worden, er überlebte schwer verletzt. Die Polizei hatte damals auch André Sommer im Fokus.
In Hohenschönhausen war schon 2009 ein abtrünniger Hells Angel erschossen worden. Der 33-jährige Kampfsportler hatte sich den Ermittlungen zufolge noch 200 Meter weit geschleppt, er starb wenig später im Krankenwagen. Der Mann, hieß es, habe die Hells Angels verlassen wollen und sich mit den Bandidos getroffen. Diese Tat und der Angriff auf Holger B. sind nicht aufgeklärt.
Auch die Schüsse vom Juni dieses Jahres waren nicht der erste Anschlag auf Rockerboss Sommer. Ebenfalls 2009 wurden er und weitere Hells Angels in ihren Autos nördlich von Berlin von anderen Wagen gerammt und mit Macheten attackiert. Sommer wurde in den Rücken gestochen. Die Angreifer waren Bandidos, Sommer schwieg zu der Tat.