Pokerraub: Drei Geständnisse zu einem dilettantischen Coup
Schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung lautet die Anklage gegen die vier mutmaßlichen Pokerräuber beim Prozessauftakt. Ein Großteil der Beute ist noch nicht wieder aufgetaucht. Die Angeklagten beschreiben einen dilettantischen Coup.
Keinen Jackpot bekommen, die Freiheit verloren, angespannt aber wirkte nur einer der vier Pokerräuber. Ängstlich schien Vedat S., der nach dem Überfall als Erster die Nerven verloren und gestanden hatte. Mit seinen Freunden Ahmad El-A., Mustafa U. und Jihad C. sitzt er seit gestern auf der Anklagebank. Sie winkten und zwinkerten in Richtung Zuschauer. Er duckte sich und tuschelte mit einem seiner Verteidiger. Vedat S. hofft, dass er mit der Kronzeugenregelung belohnt wird. Doch längst sind auch die anderen geständig. Und bis heute liegen nicht alle Karten offen.
Jihad C., 19 Jahre alt, machte im Saal 500 des Moabiter Kriminalgerichts den Anfang. Sein Gang ist kraftbetont, er soll einst geboxt haben. Er sei am 6. März gegen zehn Uhr durch einen Anruf geweckt worden, ließ er über seinen Anwalt erklären. Von wem wollte er nicht sagen, nannte den Anrufer nur: U 1. Was geheimnisvoll klang, ist seit Monaten weitläufig bekannt: Ibrahim El-M., ein 29-jähriger Onkel von C., soll die vier Pokerräuber instruiert haben. Ursprünglich habe „U 1“ davon gesprochen, dass man „eine Tasche ziehen“ wolle. Der Plan war wohl, Sicherheitsleute zu überfallen, wenn das Geld aus dem Hotel getragen wird.
„Es hieß dann, wir würden das Geld doch selbst holen“, erklärte Vedat S. über seinen Verteidiger. Um 14 Uhr stürmten sie in das Luxushotel „Hyatt“ am Potsdamer Platz, um ein Pokerturnier zu überfallen. Ibrahim El-M. soll die Gier auf schnelles Geld geweckt haben: „Da ist eine Million zu machen.“ Die vier jungen Männer – alle ohne abgeschlossene Ausbildung, vorbestraft und vom Typ Gernegroß – stärkten sich noch bei McDonald’s und gingen dann Richtung Hotel.
Angeblich waren sie gar nicht begeistert. „Ich wollte nicht“, erklärte Jihad C. vor Gericht. „Ich fühlte mich getrieben und unter Druck gesetzt.“ Auch Mustafa U. ging angeblich nur widerwillig mit. „Ich war erst zwei Monate aus dem Knast“, sagte der 20-Jährige. Doch seine Freunde hätten „Hilfe gebraucht“. Aus einem Stoffbeutel wurden Masken und Handschuhe verteilt. Weil für ihn nur noch gelbe Gummihandschuhe übrig waren, ging Vedat S. ohne. „Die ziehe ich nicht an, die sind lächerlich, da nehmen die mich nicht ernst“, maulte er.
Vedat S. hatte eine Schreckschusswaffe, Ahmad El-A. eine Machete, als sie mit Geschrei das Pokerturnier überfielen. Es ging fast alles schief. „Wir waren extrem aufgeregt“, stöhnte der Angeklagte C. „Die Security-Mitarbeiter überragten mich.“ Er und Mustafa U. hätten sich aus dem Staub gemacht, hätten dann aber ihre Komplizen im Gedränge gesehen. „Wir sind dann wieder hoch, um Vedat zu befreien.“ Vedat S. hatte zwar hektisch Geld aus dem Tresor eingepackt, doch eine prall gefüllte Tasche ging im Handgemenge mit Wachleuten verloren.
Sie konnten mit 242 000 Euro fliehen, 449 000 Euro blieben zurück. Und die Hitzköpfe hatten viele Spuren hinterlassen, wurden von Überwachungskameras gefilmt und flüchteten in einem Mercedes, dessen Kennzeichen sich ein Zeuge gemerkt hatte. Die Beute teilten sie in einer Garage. 40 000 Euro bekam laut Anklage jeder der jungen Räuber. Der Rest sei an Ibrahim El-M. und Mohammed Abou-C., den mutmaßlichen Initiator des Coups, gegangen. Der Deutsch-Araber aus einem polizeibekannten Clan wurde Ende Mai verhaftet.
Von der Beute sind lediglich 4000 Euro aufgetaucht. Wo ist der Rest? Das dilettantische Quartett hat angeblich „keinen Zugriff“ darauf. Richter Helmut Schweckendieck lächelte: „Ich würde es ideal finden, wenn Ihre Verteidiger mit einer dicken Plastiktüte ankämen.“ Am Donnerstag soll das Geständnis von Ahmad El-A. verlesen werden.