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Der letzte Mieter der Kopenhagener Straße ist Sven Fischer.
© privat

Berlin-Prenzlauer Berg: Der letzte Mieter

In Prenzlauer Berg eskaliert ein Wohnungsstreit. Jetzt gibt es Mordvorwürfe – und viel Solidarität.

Einen Mieter gibt es noch im Haus Kopenhagener Straße 46 in Prenzlauer Berg. Und der stört – die Immobilienfirma, die das Haus derzeit saniert. Mutwillige Zerstörungen seiner Wohnung durch Bauarbeiter hat Sven Fischer bereits in den vergangenen Monaten kritisiert. Am Freitag legte Fischer nach. Bauarbeiter hätten den Schornstein entfernt, der die Abgase der Gasetagenheizung ableitet und den Zug „zusätzlich verstopft“, wie Fischer berichtet. Entdeckt wurden die Arbeiten am Schornstein am Donnerstag von der bezirklichen Bauaufsicht, diese habe „einen Anschlag auf das Leben einer Familie mit zwei Kindern verhindert“, wie Fischer dem Tagesspiegel am Freitag sagte. Der Mieter will Strafanzeige stellen, und zwar wegen versuchten Mordes. Denn wenn giftige Gase nicht abziehen können, besteht Lebensgefahr.

Schutt im Bad

Der Leiter der Pankower Bauaufsicht, Jürgen Rupprecht, bestätigte, dass bei der Sanierung „der Schornsteinkopf abgebrochen“ worden sei. Der Eigentümer sei verpflichtet worden, den Schornstein wiederherzustellen. Eine mutwillige Verstopfung des Zuges bestätigte Rupprecht nicht, „davon wissen wir nichts“. Zuletzt hatte Fischer Mitte der Woche berichtet, dass Bauarbeiter die Badezimmerdecke vom Dachboden aus entfernt hätten und sein Bad durch Schutt „verwüstet“ hätten. Dafür schickte der Anwalt der Firma eine knappe Entschuldigung: „Im Zuge der Ausbauarbeiten im Dachgeschoss kam es zu einer Beschädigung im Badezimmer Ihres Mandanten, was unsere Mandantin sehr bedauert.“

"Wie eine Lizenz zum Geld drucken"

Der Altbau Kopenhagener Straße in Prenzlauer Berg wird seit 2014 von der Firma Christmann saniert. Das Haus wurde in Eigentumswohnungen umgewandelt, die mittlerweile alle verkauft seien, wie Christmann auf seiner Internetseite Ende Juni mitteilte: „Nur 4 Monate nach Verkaufsstart wechselt die letzte freie Wohnung ihren Besitzer. Wir beglückwünschen alle Käufer der dort entstehenden Altbauklassiker und Dachgeschosswohnungen.“ Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) hatte dies vor gut einem Jahr so kritisiert: „Das ist wie eine Lizenz zum Geld drucken.“ Damals hatten die Bewohner eine Mieterhöhung bekommen. Fischer sollte für seine 150 Quadratmeter statt 657 Euro künftig 2927 Euro zahlen, eine Begründung dafür: „energetische Sanierung“. Die Mieter schluckten das nicht und wandten sich an Politik und Presse. Kirchner sagte damals: „Wir wollen, dass die Mieter bleiben können.“ Es war ein frommer Wunsch: Bis auf Fischers Familie gingen die anderen Parteien, einer kaufte seine Wohnung.

So sah das Bad aus, nachdem Handwerker die Decke zestört hatten.
So sah das Bad aus, nachdem Handwerker die Decke zestört hatten.
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Das Haus wurde ein Musterbeispiel für Modernisierung und Verdrängung. Im August 2014 besuchten Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbundes, der Berliner SPD-Vorsitzende Jan Stöß und der Pankower SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup das Haus. Mindrup sagte anschließend: „Hier zeigt sich erschreckend, wie Verdrängung zielgerichtet betrieben wird.“ Es gehe nicht um die Modernisierung der Wohnungen für die Mieter, sondern allein um deren Auszug, sagte Mindrup weiter, „damit nach Sanierung die Wohnungen teuer verkauft werden können“.

Aus Sicht der Betroffenen wurden die Bauarbeiten bewusst vertrödelt, um die Mieter mürbe zu machen. Jeder ausziehende Mieter ist für den Eigentümer Geld wert, da sich eine leere Eigentumswohnung erheblich teurer verkaufen lässt. Jan Stöß meinte nach seinem Besuch, dass die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ein „Brandsatz für die Verdrängung“ sei.

Die Firma Christmann war am Freitag telefonisch nicht zu erreichen, auf eine E-Mail reagierte sie nicht. „Mit Sachkenntnis und Detailliebe erfinden wir Altbauten neu und rücken sie zurück in das Bewusstsein der Stadt“, heißt es auf der Webseite. Das Haus Kopenhagener Straße war bislang das letzte unsanierte in der Straße. Das ist bald vorbei.

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