Gerichtsanhörung zu Flüchtlingen in Berlin: Bezirk will "zeitnah" in die Gerhart-Hauptmann-Schule
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will sich "zeitnah" einen persönlichen Eindruck von der Situation in der Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg verschaffen. Räumen lassen will er sie aber nicht. Eine Anhörung vor Gericht am Mittwochvormittag blieb ergebnislos.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will sich "zeitnah" Zugang zum Gebäude und zum Dach der früheren Gerhart-Hauptmann-Schule verschaffen. Räumen lassen will er die Schule aber nicht. Das erklärte Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach am Rande einer Anhörung am Mittwochvormittag im Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg. "Wir tragen Verantwortung - nicht nur für die Menschen in dem Gebäude, sondern auch für die Anwohner", sagte Langenbach, "das Gebäude steht mitten im Wohngebiet".
Bilder aus der früheren Schule dokumentierten ihm zufolge, dass beispielsweise Fluchtwege in der Schule verbarrikadiert seien. Der Brandschutz sei nicht gewährleistet. Falls der Bezirk keinen Zutritt in die Schule erhalte, werde er sich notfalls "Hilfe von außen", also wohl der Polizei, holen. Woher die Bilder stammten und von wann sie sind, konnte Langenbach nicht sagen.
Bezirk rügt, dass das Gericht nicht zuständig sei
Das Amtsgericht hatte die Anhörung einberufen, weil ein sudanesischer Flüchtling einstweiligen Rechtsschutz beantragt hatte. Der Bezirk hatte in der Vergangenheit eine "zeitnahe Räumung" der Schule angekündigt. Dies hatte ihm jedoch bereits das Verwaltungsgericht in einem Zwischenbeschluss am vergangenen Freitag untersagt, weil zumindest einer der Flüchtlinge ein Nutzungsrecht an Räumen in dem Gebäude glaubhaft machen konnte.
Das Amtsgericht traf nun auch keine Entscheidung darüber, ob der Bezirk die Schule räumen lassen darf oder nicht, tatsächlich wurde darüber gar nicht gesprochen. Die Vertreter des Bezirksamtes hatten gerügt, dass eigentlich das Verwaltungsgericht zuständig sei. Die Richterin sah dies anders, muss die Frage nun allerdings trotzdem erörtern. Das Landgericht Berlin hatte am Mittwochmorgen unmittelbar vor der Anhörung in zwei sehr ähnlichen Fällen entschieden, dass sie Sache des Verwaltungsgericht seien.
Anwalt: Flüchtlinge leben "in permanenter Angst"
Dennoch versuchte die Richterin, auf diesem Weg zu einer Lösung des monatelangen Konflikts einen Schritt weiter zu kommen, allerdings erfolglos. Sie schlug vor, die hochrangigen Vertreter des Bezirksamts - der stellvertretende Bürgermeister Peter Beckers (SPD), Bezirksstadträtin Jana Borkamp (Grüne) und Rechtsamtsleiter Heinrich Baasen - sollten eine Erklärung abgeben, dass sie das Gebäude nicht räumen lassen, bevor der Fall vor dem Verwaltungsgericht entschieden ist, zumindest nicht aus Gründen des Hausrechts. Auch die Vertreter der Flüchtlinge - die Anwälte Franziska Darms und Ralph Monneck - plädierten für eine solche Erklärung. "Meine Mandanten brauchen Rechtssicherheit", sagte Monneck, die Bewohner der ehemaligen Schule lebten "in permanenter Angst". Er schlug vor, den aktuellen Prozess vor dem Verwaltungsgericht als Muster für alle weiteren Flüchtlinge zu sehen, andernfalls "sehe ich mich gezwungen, weitere Verfahren anstrengen zu müssen", schlimmstenfalls für jeden Bewohner eines.
Das Bezirksamt war allerdings zu einer solchen Erklärung nicht bereit - wobei unklar blieb, was sie letztlich für einen Unterschied gemacht hätte, da das Bezirksamt die Schule ja ohnehin bis auf weiteres nicht räumen lassen darf. "Für uns ist wichtig, dass wir ins Haus kommen", sagte Vizebürgermeister Beckers.
Borkamp wirft Anwalt "Nötigung" vor
Die Flüchtlinge haben die frühere Schule in der Kreuzberger Ohlauer Straße seit Dezember 2012 besetzt. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg möchte das Gebäude zu einem Flüchtlingszentrum umbauen. Im Juli 2014 hatte sich die Lage zugespitzt, als der Bezirk gedroht hatte, die Schule räumen zu lassen, und daraufhin einige Flüchtlinge mit Selbstmord gedroht hatten. Der Konflikt wurde damals gelöst, indem Bezirk und Flüchtlinge eine Einigung unterschrieben, derzufolge der Bezirk die Schule umbauen darf und die Flüchtlinge im dritten Stock wohnen bleiben dürfen. Allerdings ist Fachleuten zufolge der Umbau nicht möglich, so lange Menschen in dem Gebäude leben.
Die Einigung hatte damals ebenfalls Anwalt Monneck für die Flüchtlinge mit Bezirksvertretern wie Jana Borkamp ausgehandelt. Bei der Anhörung am Mittwoch warf Borkamp Monneck nun "Nötigung" vor, weil durch die Suizid-Drohung "keine Verhandlung auf Augenhöhe" möglich gewesen sei. Flüchtlingsanwältin Darms hielt dagegen, das Verhalten des Bezirks habe "dazu geführt, dass die Leute damals auf dem Dach standen".
Den Anwälten der Flüchtlinge untersagte der Bezirk weiterhin den Zutritt zur Schule - ebenfalls aus Sicherheitsbedenken.