Rockerkrieg: Berliner Hells-Angels-Boss: Ärzte kämpfen um sein Leben
Er gehört zu den prominentesten Rockern der Hauptstadt und gilt als Stratege. Nun ringen Ärzte um sein Leben: André Sommer wurde am Sonntagmorgen von einem bislang unbekannten Täter niedergeschossen.
Der ranghohe Rocker André Sommer ist in Berlin niedergeschossen worden. Derzeit kämpfen Ärzte um sein Leben. Der 47-Jährige war bis vor wenigen Tagen der Präsident des Hells-Angels-Charters „Nomads“, die vor allem im Osten der Stadt aktiv sind. Sommer war gegen 3 Uhr am Sonntagmorgen in Hohenschönhausen von mehreren Schüsse lebensgefährlich verletzt worden, einer traf offenbar das Herz des schwergewichtigen Rockers. Der männliche Täter hatte mit Sommer noch vor dessen Kneipe in der Zingster Straße gesprochen, bevor er aus nächster Nähe auf den Gastronom schoss. Spekuliert wird, ob der Angriff von einer konkurrierenden Rockerbruderschaft oder einschlägigen Rotlichtkreisen ausgeht. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass der Täter ein enttäuschter Mann aus den eigenen Reihen ist - zumal sich die Hells Angels derzeit neu organisieren müssen.
Sommer selbst gilt als Stratege in der Szene, der sich zu regelmäßigen Gesprächen mit den konkurrierenden Bandidos traf, der international zweitmächtigsten Rockerbruderschaft. Die Nomads hatten sich kürzlich aufgelöst und sind so einem Verbot durch Innensenator Frank Henkel (CDU) zuvorgekommen. Sommer soll zuletzt mit seinen Männern im Berliner Umland neue Gruppen aufgebaut haben.
In Sommers Hohenschönhausener Kneipe verkehren neben Rockern auch Anhänger des Fußballvereins BFC Dynamo. Sommer selbst hatte sich in dem Verein einst engagiert - was nicht immer unumstritten war, da anderen BFC-Funktionären seine Mitgliedschaft bei den Hells Angels ein Dorn im Auge war. Beim Landeskriminalamt füllt Sommer stapelweise Akten. Ermittler hörten sein Telefon ab, unter Türstehern und in Rotlichtkreisen kennen viele seinen Namen.
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Die Tat vom Sonntag ist nicht der erste Anschlag auf den früheren Hooligan. Im Juni 2009 werden der Präsident und vier weitere Angels in ihrem Auto bei Finowfurt von einem anderen Wagen gerammt und mit Macheten attackiert. Sommer wird in den Rücken gestochen. Der Rocker ruft aber nicht die Polizei, sondern einen anderen Hells Angel an, der ihn in eine Klinik fährt. Die Klinge des Messers steckt da noch in Sommers Rücken. Die Angreifer waren wohl Bandidos, Sommer hat zu den Vorfällen geschwiegen, wie es unter Rockern üblich ist.
Unter Sommer hatten die Hells Angels in der Region stetig an Einfluss gewonnen
Ein Jahr später gelingt ihm und dem Chef des bundesweit größten Hells-Angel-Charters in Hannover, Frank Hanebuth, dann ein seltener Coup: Die Truppe um die Angreifer wechselt die Seiten und schließt sich den Hells Angels an. Ein bis dahin einmaliger Vorgang. Als die Forderungen nach einem Verbot von Rockerbruderschaften lauter werden, ist es wiederum André Sommer der besonnen eine Allianz aller Motorradclubs in Aussicht stellt, um innerhalb der Szene solidarisch Repressionen abzuwehren.
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Unter Sommers Regie hatten die Hells Angels in der Region stetig an Einfluss gewonnen. In den vergangenen Jahren schlossen sich seinen Nomads zahlreiche Rocker konkurrierender Bruderschaften an. So konnte Sommer neben Männern verschiedener Bandidos-Sektionen auch Mitglieder des Gremium MC für die Hells Angels gewinnen. Sommer war oft im Berliner Umland unterwegs. Die Ost-Berliner Hells Angels bauten neue Charter im Süden der Stadt auf, in Potsdam und zuletzt in Königs Wusterhausen gab es dabei blutige Auseinandersetzungen mit Gremium-Mitgliedern. Dennoch konnten sich die Hells Angels durchsetzen. Sie haben neben der Potsdamer Dependance nun Gruppen in Oranienburg, im Dahmeland und in Frankfurt (Oder). In diesen Chartern, so wird gemunkelt, hatten sich die Nomads nach dem Verbotserlass durch den Innensenator vorerst eingerichtet.
Da Sommer in den vergangenen Jahren immer wieder auch in Rotlichtkreisen erwähnt worden ist, muss es sich bei der Tat vom Sonntag nicht zwangsläufig um eine Rockerfehde gehandelt haben. Sommers Vorgänger, der 51-jährige Holger B. war einst ebenfalls Präsident des Ost-Berliner Charters. Er wurde im Mai 2011 auf seinem Grundstück in Altlandsberg bei Strausberg von einem Bekannten gefunden, den er zuvor noch via Handy alarmiert hatte. Unbekannte hatten mehrfach auf ihn eingestochen. B. hatte die Nomads im Streit verlassen, Sommer rückte auf.
Ebenfalls in Hohenschönhausen war 2009 ein wohl abtrünniger Hells Angel erschossen worden. Der 33-jährige Kampfsportler Michael B. hatte sich den Ermittlungen zufolge noch blutend 200 Meter weit geschleppt, bis er neben seinem Wohnblock liegen blieb und im Krankenwagen starb. Der Schwergewichtler habe die Hells Angels verlassen wollen und sich mit den konkurrierenden Bandidos getroffen, hieß es. Ein Verdächtiger hatte sich nach einem Jahr gestellt – die Behörden haben gegen den Rocker aus Eberswalde aber offenbar kaum etwas in der Hand, er ist frei.
Hannes Heine