Stadtrat zeigt an: Ambulanter Pflegedienst aus Neukölln soll betrogen haben
Leistungen, die nie erbracht wurden, tauchten in Rechnungen auf: Der Neuköllner Stadtrat hat nun Anzeige gegen einen Pflegedienst erstattet, drei weitere werden überprüft.
In Neukölln sollen ambulante Pflegedienste 2010 und 2011 systematisch bei Abrechnungen betrogen haben. Das Bezirksamt Neukölln hat deswegen einen Pflegedienst, der auch in Tempelhof-Schöneberg tätig ist, schon im Juli angezeigt. Derzeit werden Hinweise gegen drei weitere Pflegedienste gesammelt und die Abrechnungen der Unternehmen überprüft.
Auch bei diesen Diensten seien nicht erbrachte Pflegearbeiten in Rechnung gestellt worden, sagte Neuköllns Sozialstadtrat Michael Büge (CDU) am Mittwoch. Dies führe zu einer Unterversorgung der Bedürftigen, denn Sozialhilfeträger bewilligten und bezahlten nur absolut notwendige Pflegetätigkeiten. Außerdem prüfe man Fälle, in denen eine höhere Pflegestufe der Bedürftigen vorgetäuscht worden sei, um an höhere Entgeltsätze der Krankenkasse für den jeweiligen Dienst zu gelangen. Büge geht von mehr als 100 000 Euro Schaden aus, es sei aber mit weiteren Fällen, auch stadtweit, zu rechnen. Dann könnten mehrere Millionen Euro zusammenkommen.
Die Sätze, etwa 1470 Euro im Monat für die höchste Pflegestufe III, werden zwischen Kassen und der Senatssozialverwaltung ausgehandelt. In einkommensschwachen Regionen wie Neukölln müssen Sozialämter oft den Anteil übernehmen, den sonst der Bedürftige oder seine Angehörigen zu bezahlen haben. Man sei den Diensten durch Hinweise von Ex-Mitarbeitern und Angehörigen betreuter Bedürftiger auf die Spur gekommen, sagte Büge. Auch seien gesichtete Dienstpläne offenkundig zu eng gewesen, um die Arbeiten zu verrichten, die laut Vertrag und Abrechnung vorgeschrieben waren. Bevor es zu weiteren Anzeigen kommt, könne aber noch einige Zeit vergehen. Er habe nur eine Mitarbeiterin zur Verfügung, die sich ganztags um die Sichtung der Akten kümmern kann, sagte Büge: Von den knapp 500 ambulanten Berliner Pflegediensten sind 60 in Neukölln tätig, sie betreuen 1400 Menschen. Beim angezeigten Dienst war am Mittwochabend in dieser Angelegenheit niemand mehr zu sprechen, ebenso beim Anwalt der Firma.
Hannes Heine