Bahnhof Westkreuz in Charlottenburg: 57-Jähriger stirbt bei Unfall auf S-Bahnhof
Am S-Bahnhof Westkreuz ist ein 57-jähriger Mann zwischen Zug und Bahnsteigkante eingeklemmt und mehrere Meter mitgeschleift worden. Er erlag seinen schweren Kopfverletzungen. Der Zugführer bekam von dem Unfall nichts mit.
Er rannte zum Zug, der bereits angefahren war, versuchte, die Tür noch aufzudrücken, kam dabei mit einem Fuß zwischen Bahn und Bahnsteigkante... und das Unglück nahm seinen Lauf. Meistens gehen solche Versuche, sich zu spät noch Zutritt in eine S-Bahn zu verschaffen glimpflich aus. Diesmal nicht.
Ein 57-jähriger Mann aus Bosnien-Herzegowina ist in der Nacht zu Mittwoch am Bahnhof Westkreuz ums Leben gekommen, wie erst am Donnerstag bekannt wurde. Der Mann wurde kurz nach Mitternacht von einer anfahrenden Bahn der Linie S46 mitgeschleift, bis ans Ende des Bahnsteigs, dort kam er „zum Liegen“, wie es in der Mitteilung der Bundespolizei heißt. Der Zugführer bemerkte den Unfall nicht und fuhr weiter. Zeugen alarmierten Sicherheitskräfte der Bahn, die wiederum riefen den Notarzt, der nur noch den Tod des 57-Jährigen feststellen konnte. Reinigungskräfte hatten nach Angaben der Polizei den Mann zuvor die Rolltreppe hochfahren sehen, eine große Tüte in der Hand.
Die S-Bahn wollte sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht zu den Umständen des Unfalls äußern. Die Bundespolizei geht nach jetzigem Kenntnisstand davon aus, dass den Zugführer keine Schuld trifft. Auch Hinweise auf einen technischen Fehler gebe es nicht, sagte eine Sprecherin. „Die Türen waren zu, die Bahn fuhr an, dabei geriet der Mann mit dem Fuß zwischen Bahnsteigkante und Bahn und wurde mitgerissen.“ Inzwischen hat die Berliner Polizei die Ermittlungen übernommen. Es gebe Zeugenaussagen, die den Unfallhergang bestätigen, sagte ein Sprecher. Deshalb werde das Unfallopfer wohl nicht obduziert. Solche Unfälle gibt es laut Bundespolizei häufiger, nur enden sie meist mit leichten Verletzungen, genaue Zahlen gibt es nicht. Normalerweise erfährt die Öffentlichkeit nichts davon, in diesem Fall beriet sich die Bundespolizei mit den Kollegen von der Landespolizei, und man entschied, den Fall öffentlich zu machen. Aus Gründen der Prävention, wie es heißt. Man könnte auch sagen: zur Abschreckung.
Die S-Bahn thematisiert das Problem seit vielen Jahren: Fahrgäste, meistens junge Männer, akzeptieren das Abfahrtssignal nicht, rennen wie besessen Richtung einer sich schließenden Tür, halten sie mit großem Kraftaufwand – gegen den Luftdruckmechanismus – offen und schlüpfen gerade noch hinein. Manchmal erhalten sie dabei von drinnen Unterstützung. Das Risiko solcher Versuche: ein Rucksack bleibt hängen, Teile der Jacke, dann wird es gefährlich. Jens Wiesecke vom Fahrgastverband Igeb erinnert sich an ein Ehepaar, das im letzten Moment in einen Zug hechtete, mit Erfolg. Nur die Fahrräder, die sie dabei hatten, blieben in der Tür stecken. Räder und Zugtür wurden beschädigt. Später habe sich das Ehepaar gewundert, als die S-Bahn von ihnen Schadensersatz forderte. Sie hätten gedacht, es liefe umgekehrt.
Am Westkreuz gibt es keine Kameras wie an anderen Bahnhöfen
In diesem tragischen Fall glaubte der Bosnier offenbar, die bereits komplett geschlossene Zugtür ließe sich noch öffnen. Das sei aber selbst bei großem Kraftaufwand kaum zu leisten, sagen Kenner der Materie. Auch nicht bei den alten Baureihen auf der Linie 46.
Am Bahnhof Westkreuz gibt es keine Aufsicht. Der Zugführer muss sich selbst vergewissern, dass die Türen geschlossen sind, bevor er abfährt. Anschließend bekommt er nicht mehr mit, was auf dem Bahnsteig passiert. Es gibt keine Kameras wie an anderen Bahnhöfen. Jens Wiesecke glaubt nicht, dass eine Aufsicht oder Kameras den Unfall hätten verhindern können. „Aufsichten sind kein Schutz gegen mutwilliges Fehverhalten. Das System ist in der Summe sicher. Das Warnsignal heißt: Halt.“ Technische Lösungen mit Sensoren würden das „Restrisiko“ an den Türen nicht aus der Welt schaffen. Auch Absperrungen wie in Paris könnten überwunden werden.
Bei einer Schwerpunkt-Aktion am Bahnhof Friedrichstraße, wo viele Menschen ein- und aussteigen, hatte die Bundespolizei vor einigen Jahren Bußgelder kassiert, 35 Euro für das unbefugte Entern des Zuges.