Neue Proteste für Samstag geplant: Polizei holt Aktivistinnen von Bäumen in Grünheide
Es darf wieder abgeholzt werden: Das OVG weist Beschwerden gegen die Waldrodung für das Tesla-Werk in Grünheide zurück.
Der US-Elektroautobauer Tesla darf für sein geplantes Werk im brandenburgischen Grünheide wieder Wald roden. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) am Donnerstagabend.
Das Gericht wies die Klagen des Umweltverbands Grüne Liga und Vereins für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern gegen die Rodung von 92 Hektar Kiefernwald für den Bau des Tesla-Werks in Grünheide ab. Das bestätigten OVG und der Anwalt des Umweltverbands Grüne Liga am späten Abend.
Damit kann Tesla die erst am Samstagabend auf Beschluss des OVG zunächst gestoppte Rodung fortsetzen. Der Umweltverband Grüne Liga Brandenburg und der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern hatten die Rodung des Kiefernwaldes auf dem Gelände per Eilantrag stoppen wollen.
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Am Freitag gab es bereits neue Proteste. Umweltschützer machten gegen die Baumfällung, die am Freitag fortgesetzt wurde, mobil.
Zwei Aktivistinnen kletterten auf Bäume im Wald in Grünheide nahe Berlin. Nach mehreren Stunden hat die Polizei den Protest der zwei Frauen gegen die Rodung beendet.
Einsatzkräfte hätten die Frauen im Alter von 19 und 22 Jahren von den Bäumen geholt, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Sie hätten sich in sechs bis acht Meter Höhe in Grünheide zwischen zwei Bäumen befunden und mehrere Seile gespannt. Die Polizei benötigte mehr Zeit als erwartet.
Die Sprengung von drei Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg, die auf dem Gelände entdeckt worden waren, wurde um fast drei Stunden verschoben. Die Bomben seien inzwischen in zwei Durchgängen gesprengt worden, sagte der Polizeisprecher.
Die Frauen gehörten der Umweltgruppe „Baumpiratinnen“ an. Es sollen laut Polizei dieselben sein, die schon am Montag auf Bäume geklettert waren. Die Polizei habe Anzeige wegen Hausfriedensbruchs aufgenommen.
Neue Proteste für Samstag geplant
Für Samstag sind nun neue Proteste geplant: Die „Bürgerinitiative gegen Gigafactory Grünheide“ will am Samstag (11.00 Uhr) in Erkner gegen das Milliardenprojekt demonstrieren. Dazu werden nach Polizeiangaben 250 Teilnehmer erwartet.
Die beteiligten Bürger haben unter anderem Bedenken gegen die Ver- und Entsorgung des Werks mit Wasser.
Die „Interventionistische Linke Berlin“ hat zu einem Protest in Grünheide (11.00 Uhr), wo die Fabrik entstehen soll, aufgerufen. Sie ist nach eigenen Angaben ein Zusammenschluss linksradikaler Gruppen und Einzelpersonen aus der Linken und fordert grundsätzlich weniger Autos. Es gibt aber auch Befürworter von Tesla, die eine Kundgebung in Erkner (12.00 Uhr) planen.
Erste Reaktionen auf das Urteil fielen gemischt, aber überwiegend positiv aus. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier reagierte erleichtert: „Es ist ein wichtiges Signal“, sagte der CDU-Politiker am Freitagmorgen zu Journalisten in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Das Urteil sei für Umweltschutz, Arbeitsplätze und Zukunftstechnologien bedeutend. Es habe sich gezeigt, dass das Projekt des US-Elektroautopioniers juristisch einwandfrei sei und von allen politischen Kräften in Deutschland getragen werde.
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einem wichtigen Signal für den Investitionsstandort Deutschland insgesamt. „Die Autofabrik ist eine Riesenchance für die Industrie in Ostdeutschland, die zusammen mit den Ansiedlungen weiterer Unternehmen Fertigungsnetzwerke wachsen und die Region prosperieren lässt“, sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch am Freitag.
Die Grüne Liga ist enttäuscht
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sagte der „Bild“-Zeitung: „Wir nehmen das Urteil mit großer Erleichterung zur Kenntnis.“ Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Klara Geywitz schrieb bei Twitter: „Gute Nachricht für Tesla und Brandenburg. Freie Fahrt für Autos der Zukunft statt Prinzipienreiterei um Kiefernplantagen.“
Die Brandenburger SPD äußerte sich am Freitag – dem Tag der Muttersprache – auf Twitter in Mundart: „Ham uns richtich jefreut, als wa jelesen ham, dass Bau der Tesla-Fabrik weiter jehen kann. Die Landesregierung hat did richtich jemacht. Tesla kommt na Brandenburch und bringt 12.000 Arbeitplätze mit.“
Die Grüne Liga zeigte sich enttäuscht. Anwalt Dirk Teßmer sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir waren optimistisch, dass es anders ausgeht.“
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sieht den US-Elektroautomobilbauer Tesla in seinem selbstbestimmten Zeitplan. Voraussichtlich in der nächsten Woche können die Rodungsarbeiten abgeschlossen werden, sagte Woidke am Freitag in Potsdam in der Staatskanzlei. „Ich bin erstmal sehr, sehr froh“, sagte Woidke zu der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg.
Es zeige, dass es in Brandenburg nicht nur schnell arbeitende Behörden gebe, sondern die auch in hoher Qualität arbeiten, sagte er. Brandenburg sei ein guter Wirtschaftsstandort, in dem sich Investoren auf Entscheidungen aus den Ministerien verlassen könnten.
Zu Protesten gegen die Ansiedlung sagte Woidke, dass er die nicht nachvollziehen könnte. Es gehe nicht, einen Stopp der Rodungen zu fordern und gleichzeitig Tesla in Brandenburg wollen. „Das passt nicht zusammen“, sagte er. Er sehe aber in der Masse der Bevölkerung eine riesengroße Unterstützung für das Projekt.
Woidke: „Ich bin erstmal sehr, sehr froh“
Das Gericht entschied am Donnerstagabend, dass der Eingriff in die Natur durch die Abholzung eines Wirtschaftswaldes aber nicht so schwerwiegend sei wie die Rodung eines Naturwaldes.
Außerdem sei die Erlaubnis für die vorzeitige Rodung auch ohne vorliegende Genehmigung für den Bau der Fabrik entscheidungsreif gewesen, da alle für die Entscheidung nötigen Stellungnahmen vorgelegen hätten.
Brandenburgs Landesumweltamt habe den Ablauf der Einwendungsfrist im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht abwarten müssen. Um die voraussichtliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens beurteilen zu können, hätten der Behörde die erforderlichen Erkenntnisse bereits vorgelegen.
Die Sachlage sei aus Sicht des OVG hinreichend absehbar gewesen, auch wenn die Beteiligungsfrist für Eingaben, die am 5. März endet, noch nicht abgelaufen sei.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für den vorzeitigen Beginn der Errichtung der Anlage noch vor der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung seien zu Recht bejaht worden, entschied das Gericht.
Nach Einschätzung des OVG sind für die Abholzung der Restfläche noch drei Tage nötig. Dafür ist wegen der Schutzregeln für die Brutperiode nur bis Ende Februar/Anfang März Zeit. Durch den Beschluss bleibt Tesla noch genügend Zeit die naturschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten.
Hätte das Gericht den Rodungsstopp aufrechterhalten, hätte sich die Abholzung bis in den Herbst verzögert - und damit der Bau der Fabrik, in der am Sommer 2021 die ersten Elektroautos vom Band laufen sollen.
Die Autofabrik soll auf einem 300 Hektar großen Gelände am südöstlichen Berliner Ring errichtet werden, wo bereits vor zwei Jahrzehnten ein BMW-Werk geplant war.
Tesla will in Grünheide pro Jahr zunächst 150.000 Elektrofahrzeuge herstellen - vor allem das Kompakt SUV Modell Y. Später könnte die Jahresproduktion auf 500.000 Fahrzeuge des Modells Y und des Modells 3 steigen.
Laut Bauanträgen sind bis zu 12.000 Beschäftigte im Drei-Schicht-System geplant. Für Tesla war laut Jahresbericht die „starke Präsenz von Produktions- und Ingenieurs-Know-how“ für die Standortauswahl entscheidend.
Die Brandenburger Landesregierung hatte sich wegen des zunächst verhängten Rodungsstopps alarmiert gezeigt: Es stand aus ihrer Sicht zu befürchten, dass der US-Elektroautokonzern des Unternehmers Elon Musk die geplante Gigafactory in Grünheide platzen lässt.
Bei einer Verzögerung von mehr als einem halben Jahr könnte der US-Konzern abspringen, hatte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) erklärt. "Wenn wir denen zu lange zu große Schwierigkeiten machen, würde ich durchaus dieses Risiko sehen. Wir sind ein bisschen nervös."
Erst am Donnerstag vor einer Woche hatte das Landesumweltamt – mit strengen Auflagen zur Ersatzaufforstung auf Kosten von Tesla im Fall eines Scheiterns des Genehmigungsverfahrens – grünes Licht für die vorzeitige Rodung auch ohne Baugenehmigung für das Werk gegeben.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) wies dann am Freitag die Eilanträge beider Verbände ab. Die Grüne Liga und der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB) legten dann Beschwerde ein, das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg untersagte am Samstagabend vorerst die Waldrodung - und hob dies nun wieder auf. (mit dpa)