Neue Strategie am 1. Mai: Polizei hat die Lage im Griff
Unter Klaus Kandt und Frank Henkel zeigte die Polizei am 1. Mai massiv Präsenz – bis zum frühen Abend war diese Strategie erfolgreich. Der schwarze Block der Autonomen hat sich allerdings schon formiert.
Berlin hat bisher einen überwiegend friedlichen ersten Mai erlebt. Gegen 17 Uhr formierte sich allerdings der schwarze Block der Autonomen am Mariannenplatz, um über das Myfest zu ziehen; die Polizei brachte am Engelbecken zwei Wasserwerfer in Stellung: Ein deutlicher Fingerzeig an die Gewaltbereiten, dass Gewalt in Kreuzberg in diesem Jahr nicht toleriert wird. Nach Einbruch der Dunkelheit sollte sich zeigen, ob diese Botschaft angekommen ist.
Bleibt es auch in der Nacht zu Donnerstag so friedlich wie tagsüber, ist das nicht nur ein Erfolg für Polizei und Innenverwaltung, sondern auch für die Männer an der Spitze der beiden Behörden. Polizeipräsident Klaus Kandt und Innensenator Frank Henkel (CDU) verantworteten erstmals gemeinsam einen Tag der Arbeit. Für Kandt, der im letzten Dezember seinen Posten angetreten hatte, war es eine Premiere; Henkel hingegen durfte sich schon im Vorjahr über einen relativ ruhigen Feiertag freuen.
In diesem Jahr einigten sich Henkel und Kandt auf eine Strategie aus massiver Polizeipräsenz an den Brennpunkten und einer lockeren Kontrolle der Nebenschauplätze in den Bezirken. Insgesamt waren über 10 000 Polizisten zusammengezogen worden, wie immer wurden auch Beamte aus anderen Bundesländern zur Unterstützung entsandt. Am Tag der Arbeit waren 7000 Beamte im Dienst, in der Nacht zuvor waren es 3300 gewesen – aus gutem Grund: In der Vergangenheit hatte sich die linke Szene bereits am Vorabend des ersten Mai massive Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert.
Nicht so in diesem Jahr. Die Walpurgisnacht verlief überraschend friedlich. Im Mauerpark, früher erste Anlaufstelle für frisch angereiste Krawalltouristen, fand ein erstaunlich nüchternes Fest statt, das hauptsächlich von Anwohnern besucht wurde; auch in den anderen Parks, die früher Ausgangspunkt von schwerer Randale gewesen waren – dem Viktoriapark und der Grünfläche auf dem Boxhagener Platz – blieb es ruhig, es gab stadtweit lediglich 17 Festnahmen. Auch die beiden großen Demos mit mehreren Tausend Teilnehmern in Wedding und Schöneweide verliefen so friedlich wie seit 15 Jahren nicht. Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers, die die Weddinger Demonstration zu Fuß begleitet hatte, war sichtlich zufrieden.
Am Mittwochmorgen versammelten sich nach Polizeiangaben 2000 Gegendemonstranten am S-Bahnhof Schöneweide, um einen Umzug von etwa 480 Rechtsextremen zu verhindern. Die Route war schon in den frühen Morgenstunden gründlich abgesperrt worden. Vergeblich versuchten die Gegendemonstranten, sich den Rechten in den Weg zu stellen. Innensenator Henkel ließ es sich nicht nehmen, am Vormittag persönlich in Schöneweide vorbei zu schauen und den Polizeieinsatz zu überwachen – dadurch verpasste Henkel allerdings ein verabredetes Treffen mit CDU-nahen Gewerkschaftern auf dem Platz des 18. März am Brandenburger Tor, wo sich die drei Demonstrationszüge des Deutschen Gewerkschaftsbundes ab 11.30 Uhr zur Abschlusskundgebung trafen.
Auch auf dem Myfest in Kreuzberg war die Polizei deutlich sichtbar – wesentlich stärker als in den Vorjahren. Um den Lausitzer Platz und in der Eisenbahnstraße war eine Einsatzhundertschaft aus Schleswig-Holstein stationiert, die ganze Wrangelstraße entlang standen Mannschaftswagen. Die feierlustige Bevölkerung ließ sich davon nicht stören: In Scharen strömten die Passanten und Schaulustigen durch die Straßen des alten Bezirks SO 36 und verwandelten den Kiez in ein riesiges Straßenfest – nach Schätzungen waren am Mittwoch rund 38 500 Menschen auf dem Myfest unterwegs, mehr als drei Mal so viele wie im Vorjahr.
Jörn Hasselmann, Timo Kather
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