"Betriebsparteigruppe der AfD“: Polizei-Affäre um "political profiling" in Brandenburg
Brandenburgs Polizei soll mithilfe der AfD in Frankfurt (Oder) gegen Grünen-Politiker vorgegangen sein. Deren Anwalt erhebt schwere Vorwürfe.
Wilko Möller, Vorsitzender der AfD in Frankfurt (Oder), hat offenbar ein enges Verhältnis zu Staatsschutzbeamten der Brandenburger Polizei. Jedenfalls stand er in engem Austausch mit Beamten, die wegen Sachbeschädigung von AfD-Wahlplakaten zur Bundestagswahl 2017 ermittelten. Im Visier erst der AfD, dann der Polizei standen örtliche Grünen-Politiker.
Mehr als eineinhalb Jahre später haben die Verbindungen des AfD-Politikers zum Staatsschutz und ein mutmaßlich zurechtgebogenes Strafverfahren gegen den Frankfurter Baudezernenten Jörg Gleisenstein (Grüne) einen handfesten Skandal ausgelöst, über den die „Märkische Oderzeitung“ und der RBB zuerst berichtet haben.
Auch AfD-Landeschef Andreas Kalbitz spielt dabei eine Rolle. Und Brandenburgs Polizei, für ihre harte Linie bei rechten Umtrieben bekannt, steht im Verdacht, mit dem AfD-Rechtsaußen Möller gemeinsame Sache gemacht zu haben gegen politische Gegner.
Polizeipräsident lässt interne Ermittler ausrücken
Es geht um einen ungeheuerlichen Vorwurf: Der Staatsschutz soll einseitig nur auf Grundlage von AfD-Quellen und gesteuert durch die AfD nach Tatverdächtigen ausschließlich in den Reihen der Frankfurter Grünen gesucht haben. Und die Beamten sollen die enge Zusammenarbeit mit Wilko Möller gesucht haben.
Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke hat sich am Dienstagmorgen in Potsdam eingeschaltet und seine Mitarbeiter für „interne Revision“ mit dem Fall betraut. Die mussten nach Frankfurt (Oder) ausrücken, haben aber zunächst keine Anhaltspunkte für oder gegen die Vorwürfe gefunden, sagte ein Polizei Sprecher am Abend.
Es handle sich aber nur um ein Zwischenergebnis, Es werde weiter geprüft, hieß es. Mörke kündigte aber an, sollten sich die Vorwürfe bestätigen, werde „ausgemistet“. Dann würde das Landeskriminalamt den Fall übernehmen.
Die Polizei - Handlanger der AfD?
Der Fall schlug am Dienstag Wellen bis in den Landtag. Die Fraktionschefs von SPD, Linke und CDU forderten Aufklärung, ebenso Ursula Nonnemacher von den Grünen. Es müsse geklärt werden, ob in der Brandenburger Polizei "Political Profiling" gibt - ob also Beschuldigungen nach politischer Zugehörigkeit vorgenommen würden.
Grünen-Landeschef Clemens Rostock verlangte „den Schutz unserer Mitglieder vor politisch motivierten und haltlosen Ermittlungen der Polizei“. Der Fall rüttle an den Grundfesten der Demokratie. „Auf gar keinen Fall darf sich die Polizei zum Handlanger der AfD machen“, sagte Rostock.
„Da passte nichts, aber es wurde alles passend gemacht“, sagte Rechtsanwalt Sven Hornauf. Er vertritt den Grünen-Politiker Gleisenstein und hat Strafanzeige erstattet – gegen drei Staatsschutzbeamte wegen Verfolgung Unschuldiger und gegen Möller wegen falscher Verdächtigung.
Kein Vertrauen in die Polizei in Frankfurt
Die Polizei habe in „intensiver Zusammenarbeit“ mit der AfD ermittelt, sagte Hornauf. Spitzenvertreter der Frankfurter AfD hätten „unmittelbar Einfluss“ genommen. Offenbar habe es bei der Polizei „eine Art Betriebsparteigruppe der AfD“ gegeben. Das Vertrauen in die örtlichen Behörden sei erschüttert, deshalb müsse die Generalstaatsanwaltschaft den Fall übernehmen.
Auch die Sprecherin der Frankfurter Grünen, Alena Karaschinski, wurde von der AfD verdächtigt. Sie sagte: „Die Anschuldigungen sind haltlos. Niemand von uns hat Wahlplakate beschädigt oder entfernt.“ Offenbar hätten sich Polizisten „von ihren politischen Präferenzen beeinflussen lassen“.
Grüne erwirkten Unterlassungserklärung der AfD
Was war geschehen? Am 11. August 2017 hatte Brandenburgs AfD in einer Mitteilung behauptet, drei Personen hätten in Frankfurt AfD-Plakate heruntergerissen, ein Plakat mit Hakenkreuz bemalt und „szenetypische ,Refugees Welcome‘-Aufkleber“ angebracht. Einer der drei Täter sei „nach Aussage unseres Zeugen der Fraktionsvorsitzende der Frankfurter Grünen“ gewesen. Das war damals: Gleisenstein. Der erwirkte eine Unterlassungserklärung der AfD, laut Anwalt unterzeichnet vom damaligen Landespartei-Vize Kalbitz.
Es folgte Mitte September eine Strafanzeige zu beschädigten AfD-Plakaten. Der angebliche Anzeigenerstatter, Landespolizist und AfD-Politiker aus Frankfurt, erklärte laut Hornauf später, die Anzeige stamme nicht von ihm.
Affe, Frosch, Entengesäß: Wie ein AfD-Sympathisant Grünen-Politiker bezeichnet
Aber Wilko Möller meldete sich zwei Tage nach der Anzeige bei einer Staatsschutzbeamtin per E-Mail: „Mein Kollege hat noch zwei Anzeigen erstattet über die Internetwache. Vielleicht übernehmen Sie auch diese Vorgänge.“ Die Vorgangsnummern der Anzeigen lieferte er gleich mit. Dennoch lief Verdacht zunächst ins Leere.
Die AfD hatte aber noch einen Hinweis eines Sympathisanten parat. Der war im August 2017 "der Meinung", dass drei Grünen-Politiker an anderer Stelle in der Stadt ein Wahlplakat abgenommen, ins Gras gelegt und stattdessen ein Grünen-Plakat an die Laterne gehängt haben.
Gesehen hat er aber eigentlich laut seiner E-Mail nur, "wie ein langer dürrer Tür wie ein Affe mit einer ganz markanten unsympathischen Gesichtsform (...) an diesem AfD-Plakat fummelte". Auf der Internetseite der Grünen glaubte er nach Rücksprache mit der AfD, die Täter – Mann mit „Froschgesicht“, der „lange Dürre“, „kleine Frau mit Entengesäß“ – wiedererkennt zu haben.
Die Polizei hat dann laut Anwalt Hornauf einfach den Verdacht vom August auf den September-Fall übertragen. Mehrere Monate lagen das Verfahren brach. Im Februar 2019 fragte die Staatsschützerin bei Möller nach, es ging um Fotos von Tatverdächtigen. Möller schrieb zurück: „Ich habe nur noch diese Bilder gefunden.“ Er fügte Fotos von Gleisenstein und anderen Grünen an.
Möller kündigte in der E-Mail in einem anderen Fall auch eine Abfrage beim Einwohnermeldeamt an. Das aber könnte Möller nur als Bundespolizist im Dienst machen. Am Dienstag war er nicht zu erreichen.
Jetzt prüft die Staatsanwaltschaft den Fall
Dem RBB sagte Möller am Montag zunächst, er könne sich nicht erinnern. Dann schob er am Dienstag dem Sender zufolge nach, er habe natürlich Hinweise für den Staatsschutz gesammelt und vorab mit Zeugen gesprochen. Was der Staatsschutz daraus gemacht hat, habe er nicht zu verantworten. Vielmehr sei der Staatsschutz in sein Büro gekommen - und nicht anders herum.
AfD-Landeschef Kalbitz sagte: „Mir ist nicht bekannt, dass es irgendeinen speziellen Draht zum Staatsschutz in Frankfurt gibt oder generell zur Polizei. Das gibt es auch keine Kanäle.“
Im Abschlussvermerk des Staatsschutzes vom Februar 2019 wurden Baudezernent Gleisenstein und ein weiterer Grünen-Kreisvorstand beschuldigt, 50 Wahlplakate der AfD beschädigt zu haben. Der Sachschaden: 600 Euro. Die Staatsanwaltschaft erklärte, erst seit April den Fall zu prüfen – und nun ebenso die Anzeigen gegen die Polizisten und Möller. Mit dem Verfahren der Polizei habe die Staatsanwaltschaft bis dahin nichts zu tun gehabt.
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