Heerstraße-Nord in Spandau: Politiker diskutieren über Problemviertel
Der Spandauer Kiez Heerstraße-Nord gilt als schwierigstes Viertel. Jetzt hat sich die Politik dort mal umgeschaut. Stadtentwicklungssenator Michael Müller war vor Ort und zieht eine nicht ganz so rosige Bilanz.
Ein düsteres Bild zeichneten Kommunalpolitiker und Kiezmanager am Montag beim Besuch von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) im Spandauer Problemquartier Heerstraße- Nord. 17 000 Menschen leben in der Großsiedlung, die Baustadtrat Carsten Röding (CDU) als „schlimmsten Stadtteil“ des Bezirks bezeichnet, mit wenig Aussicht auf Besserung. Im Februar wurde hier, wie berichtet, ein geistig behinderter Junge von Jugendlichen verprügelt. Daraufhin schaltete der Bezirk ein Sorgentelefon, an dem viele Anwohner ihr Unsicherheitsgefühl beklagten. Der Vorfall war ein schwerer Rückschlag für den Kiez. So sagt denn auch Stadtrat Röding: „Ich wüsste nicht, wem man empfehlen sollte, hierher zu ziehen.“
Dabei ist die Kriminalität deutlich zurückgegangen. Was nicht stimmt, ist die soziale Struktur. Zwar ist der Wohnungsleerstand in drei Jahren von 20 auf ein Prozent gesunken. Doch kaum einer der neuen Bewohner zahlt seine Miete selbst. Wer einen Job hat, verdient meist so wenig, dass er Zusatzleistungen vom Amt erhält. Die meisten kamen noch nicht einmal freiwillig, sondern wurden vom Jobcenter gezwungen, ihre zu teuren Wohnungen und damit das vertraute Umfeld aufzugeben. „Von einem stabilen Gemeinwesen zu sprechen, wäre Etikettenschwindel“, sagt Cornelia Dittmar vom 2005 eingerichteten Quartiersmanagement. Seitdem habe sich die Situation trotz vielseitiger Angebote eher verschlechtert. Kamen früher zwei Problemfamilien auf ein Haus, sind es heute zwei unproblematische“, so Stadtrat Röding.
In der Christian-Morgenstern-Grundschule versucht man mit Theater- und Musikprojekten, nicht nur die Kinder, sondern auch deren Eltern zu erreichen. Diese werden zugänglicher, wenn sie ihren Nachwuchs auf der Bühne sehen, hat Cornelia Dittmar festgestellt. Das ist nötig, wenn man junge Mütter an die Hand nehmen will, „die oft nicht einmal wissen, dass man einen Teebeutel in heißes Wasser werfen muss“, sagt Petra Sperling vom Gemeinwesenverein Heerstraße-Nord. Cornelia Dittmar berichtet von Müttern, die abenteuerliche Konstruktionen erfinden, damit das Fläschchen allein am Baby hängen bleibt und sie weiter am Computer spielen können. Zudem mangele es an dringend benötigten Kitaplätzen. Viele seien unbesetzt weil sich keine Erzieherinnen finden, die im Problemkiez arbeiten wollen.
„Das ist einer unserer Angsträume“ sagt Dittmar beim anschließenden Rundgang und deutet auf einen Durchgang. Hohe Hecken und schlechte Beleuchtung fördern in vielen Siedlungsteilen das Unsicherheitsgefühl. Gemeinsam mit der Polizei wurden Gefahrenstellen lokalisiert, doch die Beseitigung verläuft langsam. Anders als beispielsweise im Märkischen Viertel hat man es in der Heerstraße- Nord mit 14 verschiedenen Vermietern zu tun, was die Zusammenarbeit erschwert. Das Quartiersmanagement leiste eine erfolgreiche Arbeit, aber im Detail gebe es noch viel zu tun, so der Senator beim Abschied.