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Haben an Selbstvertrauen gewonnen. Mitglieder der Piratenpartei am gestrigen Mittwoch im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin.
© dpa

Koalitionsangebot: Piraten wollen mit ans Ruder

Die Neulinge im Parlament bieten sich für Sondierungsgespräche an. Die SPD lehnt das ab. Somit wird es vermutlich eine gänzlich linke Opposition geben.

„Hat jemand den Stream getestet?“ – „Twitter vermeldet Widersprüchliches.“ Also noch kurz warten. Denn ohne Echtzeitübertragung ins Internet konnte die Sondersitzung der Piratenfraktion wegen der geplatzten Koalitionsgespräche am Mittwochnachmittag natürlich nicht beginnen, ist doch die vielzitierte Transparenz eines ihrer zentralen Anliegen. Am Ende der einstündigen Sitzung war klar: Die Fraktion will öffentliche Sondierungsgespräche mit den anderen Parteien. Der Landesverband solle Gesprächsbereitschaft signalisieren. „Den Bürgern eine rot-schwarze Regierung als einzig mögliche Regierungsmehrheit zu präsentieren, ist nicht die ganze Wahrheit“, hieß es.

Rein rechnerisch wäre eine rot-rot-orange Koalition aus SPD, Linke und Piraten möglich. Doch Adam Riese wird nicht Regierender Bürgermeister. Und so sagte SPD-Landeschef Michael Müller denn auch: „Wir sehen die Piraten durchaus als ernstzunehmende Kraft, aber zurzeit noch nicht als Regierungspartner“. Für Berlin sei eine stabile Regierung wichtig „und so weit sind die Piraten noch nicht“. Und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagte zwar lachend, von einem Journalisten auf eine solche Konstellation angesprochen, dies wäre ja „eine interessante Variante“. Aber das war wirklich nur spaßig gemeint.

Dem Selbstbewusstsein der Piraten schadete dies nicht. „Wir sind im Abgeordnetenhaus angekommen. Jetzt müssen wir den anderen Parteien klarmachen, das wir eine Fraktion sind, mit der sich unterhalten werden kann“, sagte der Fraktionsvorsitzende Andreas Baum. „Eine grandiose Chance für die Piraten“, sagte der Abgeordnete Martin Delius. Er gab jedoch zu bedenken, dass eine Koalitionsbeteiligung für die junge Partei zu früh sei. Auch andere Abgeordnete schlugen vor, sich auf Oppositionsarbeit zu konzentrieren.

Zumal auch bei SPD und Piraten die A 100 einer der Knackpunkte sein dürfte: Im Vorfeld der Wahl hatten sich die Berliner Piraten ebenso wie die Linke gegen den Weiterbau ausgesprochen. „Da haben wir dieselbe Position wie die Grünen“, sagte Piraten-Abgeordneter Pavel Mayer. Er glaube, dass die Berliner die Piraten zwar im Abgeordnetenhaus, aber nicht in der Regierung wollten. Dennoch dürfe die CDU nicht auf die Regierungsbank zurück kehren.

Lesen Sie auf Seite zwei, warum die Piraten die Entwicklung eher gelassen betrachten.

Bei anderen ist der Traum vom Regieren ausgeträumt – die Grünen werden nun doch wieder auf den Oppositionsbänken im Abgeordnetenhaus Platz nehmen müssen. Kommt es zu einer rot-schwarzen Koalition, würde die Opposition nach außen hin einen geschlosseneren Eindruck vermitteln: gewissermaßen als ein „linker Block“. Der Linken-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, sieht sowohl Vorteile als auch Nachteile einer solchen Konstellation. Zwar gebe es durchaus große inhaltliche Schnittmengen zwischen seiner Partei und den Grünen wie auch der Piratenpartei, sagte er. „Aber es besteht auch die Gefahr, dass es zu einem Überbietungswettbewerb in der oppositionellen Pose kommt.“ Es könne Spiegelfechtereien geben – und das wäre schade, warnt Wolf schon mal im Voraus. Denn dadurch würde man der rot-schwarzen Senatskoalition in die Hände spielen.

Im Übrigen habe es ihn „nicht wirklich überrascht“, dass die rot-grünen Koalitionsverhandlungen gescheitert seien. „Es wurde von beiden Seiten schlecht verhandelt“, sagte Wolf mit Blick auf das Streitthema A 100. Dies sei von vornherein als „Koch-und-Kellner-Thema“ behandelt worden. Das habe letztlich dazu geführt, dass es nun zur Konstellation Rot-Schwarz komme, „die Berlin vor zehn Jahren in die Krise geführt hat und für Bankenkrise und Filz verantwortlich ist“, sagte Wolf. Das sei „wirklich dramatisch“.

Auf Wowereits Scherz über eine rot-rot-orange Koalition angesprochen, sagte Wolf, die Linke würde sich dem natürlich nicht von vornherein entziehen. „Ich treff’ mich gern mit Herrn Wowereit und rede mit ihm“. Auf die Frage, ob sich die Linke eine gemeinsame Koalition mit den Piraten beziehungsweise einen Kompromiss in Sachen A 100 vorstellen könne, sagte Wolf: „Ich würde vor Sondierungsgesprächen jedenfalls keine Ausschlusskriterien dafür formulieren.“

Die eher liberal bis sogar libertär geprägten Piraten haben hingegen eine etwas zwiespältige Beziehung in Bezug auf die Linke: „Uns ist bewusst, dass es gerade zu den Linken große Unterschiede gibt betreffs der Wurzeln und des Wegs der beiden Parteien“, sagte Fraktionsvorsitzender Andreas Baum.

Generell sehen die Piraten die neuen Entwicklungen gelassen: Ob die Grünen in der Regierung oder Opposition sind, „betrachten wir interessiert, aber wir sehen uns da noch nicht als Player“, sagte Baum. Und dass mit dem Verbleib der Grünen in der Opposition ein „Linksblock“ entsteht, sieht er nicht so: „Wir betrachten uns nicht als Teil einer Überfraktion.“

Interessiert an Kooperation mit anderen Oppositionsparteien seien die Piraten aber nach wie vor: „Wir loten Möglichkeiten der Zusammenarbeit aus, wollen uns konstruktiv ins Parlament einbringen.“ Dass sich die Partei nicht in ein gängiges Links-rechts-Schema einordnen lassen will, hatte gestern auch deren Bundesvorsitzender Sebastian Nerz hervorgehoben. Bei der Sondersitzung kritisierte die Fraktion die abgeschotteten Gespräche zwischen SPD und Grünen, bei denen Missverständnis und Intransparenz vorgeherrscht hätten und deren Ergebnisse unterschiedlich interpretiert worden seien.

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