Alle Mann an Bord: Piraten räubern in fremden Gewässern
Berlin hat die Wahl. Noch elf Tage wird um jede Stimme gekämpft. Parteienforscher glauben, dass sich auch ehemalige Grünen-Wähler für die Piratenpartei entscheiden könnten, die zum ersten Mal antritt.
Der schnelle Zulauf zur Piratenpartei lässt junge Grüne kalt. „Die kümmern sich nicht um Ökologie“, sagt Laura. „Zu wenig kapitalismuskritisch“, ergänzt Vito, einer von 40 jungen Grünen, die sich an diesem Abend im Friedrichshainer Büro der Grünen Jugend treffen. Und dann sei da noch die Sache mit den „Maskulinisten unter den Piraten“, sagt Madeleine Richter, Studentin, 22, und Sprecherin der Jugendorganisation. Die „Maskulinisten“, erklärt sie, würden zwar die Frauenbewegung anerkennen, sich aber als Männer diskriminiert fühlen. Die Piraten hätten keine Gleichberechtigungspolitik und seien deshalb keine Gefahr für die jungen Grünen. Für die „alten Grünen“, wie Flo die grüne Partei bezeichnet, aber sind die Piraten durchaus gefährlich.
Nach jüngsten Umfragen liegen die Piraten in Berlin zwischen 4,5 und fünf Prozent. Damit könnte die 950 Mitglieder starke Partei den Sprung ins Abgeordnetenhaus schaffen. Die Piraten haben die FDP, die laut Umfragen auf drei Prozent kommt, schon überrundet. Sie könnten, darin sind sich die Parteienforscher einig, zum Zünglein an der Waage werden im spannenden Rennen um Platz zwei. Die SPD führt mit mehr als 30 Prozent deutlich, dahinter aber wird es knapp: Mal liegen CDU und Grüne in Umfragen mit 22 Prozent gleichauf, mal wird die CDU mit 21 Prozent zwei Punkte vor den Grünen gehandelt.
Viel statistisches Material über die 2006 gegründete Piratenpartei gibt es zwar noch nicht. Einig sind sich Parteienforscher aber darin, dass die Piraten ihre Stimmen überwiegend von jungen Erstwählern, aber auch von ehemaligen SPD-, Grünen- und auch von FDP-Wählern erhalten. Oskar Niedermayer, Parteienforscher an der Freien Universität, vermutet, dass die Piraten in Berlin vor allem Stimmen von ehemals grünen Stammwählern gewinnen könnten, die mit der Öffnung der Grünen in Richtung der bürgerlichen Mitte nicht einverstanden sind. Einigen „Szenekiez-Grünen“ sei ihre Partei schon „zu angepasst“, sagt Niedermayer. Diese Wählerschicht könnte sich als „Protestalternative“ für die Piraten entscheiden. Das wären schätzungsweise „nur“ ein bis eineinhalb Prozent, doch die könnten ausschlaggebend für das grüne Wahlergebnis sein.
Es sind aber nicht nur die grünen Milieus, aus denen Piraten Sympathien erhalten. Christoph Bieber, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen, sieht durch die „freiheitsorientierte Netzpolitik“ eine – wenn auch kleine – Schnittmenge mit der FDP.
Das größte Potenzial werden die Piraten im studentischen Milieu haben, ihre eigenen Mitglieder sind im Durchschnitt 30 Jahre alt. Und es wird darauf ankommen, wie viele der noch Unentschlossenen mobilisiert werden können. Rund ein Fünftel der 2,4 Millionen Wahlberechtigten hat sich noch nicht entschieden.
Die Piraten selbst wollen „alle Menschen“ ansprechen, sagt Mitglied Christopher Lauer. „Wir haben nichts zu verlieren.“ Schnittmengen mit anderen Parteien sind ihnen nach eigenem Bekunden ziemlich egal. Nur der Vergleich mit dem „schlechtesten Mitbewerber“ würde doch „ein wenig“ schmerzen. Damit meint Pirat Lauer die FDP.
Sabine Beikler
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