Rücktrittsforderungen gegenüber Golze: Pharmaskandal überschattet Integrationsgipfel in Potsdam
In der Brandenburger Kabinettskrise kämpft Sozialministerin Diana Golze ums politische Überleben. Regierungschef Woidke geht sichtbar auf Distanz.
Das ist der Gipfel der Distanziertheit. Diana Golze, wegen des Pharmaskandals um illegale Krebsmedikamente schwer angeschlagene Sozialministerin der Brandenburger Linken, und Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) kommen nicht gemeinsam in die Potsdamer Schinkelhalle.
Golze ist vor Woidke da. Sie kommt alleine, zu Fuß, läuft nahezu unbemerkt in die Halle, setzt sich an die Stirnseite des als Podium aufgebauten Tisches neben der Bühne. Abgewandt, nicht frontal zum Publikum, rund 250 Akteuren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Initiativen, die sich an über den Saal verteilten Tischen platziert haben. Das ist in etwa so, als würde man sich bei der eigenen Geburtstagsfeier freiwillig an den Katzentisch setzen.
Dabei ist es Golzes Veranstaltung. Ihr Ministerium hat zum Brandenburger Integrationsgipfel geladen. Eine wichtige Veranstaltung, eigentlich. Es geht um die Integration von Geflüchteten – um Miteinander, Zusammenhalt, ausgerechnet. Aber am ersten Tag, nach dem sich die durch den Pharmaskandal ausgelöste Kabinettskrise mit dem überraschenden, persönlich motivierten Rücktritt von Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) verschärft hat, bekommt die Veranstaltung leicht groteske Züge.
Die vergangenen Wochen haben an Golze gezehrt
Woidke kommt kurz nach zehn Uhr. Golze sitzt da schon fast zehn Minuten alleine an ihrem Tisch. Der Regierungschef plaudert auf dem Weg zum Podium scheinbar gelöst mit Gästen. Dann erst begrüßt er seine Ministerin, kurz. Die beiden schauen sich kaum an. Woidke geht auf die Bühne, spricht das Grußwort. „Liebe Diana Golze“, beginnt er.
Weit kommt er nicht, dann stürmen Aktivisten neben die Bühne, entrollen ein Plakat und übertönen mit einem Megaphon die Rede des Regierungschefs. Sie protestieren lautstark gegen die Abschiebung dreier Geflüchteter nach Afghanistan. Woidke ist nicht mehr zu verstehen. Golze hat die Hände in den Schoß gelegt, sitzt mit unbewegter Mine abseits. Die 43-jährige Sozialpädagogin, ohnehin sehr schlank, wirkt regelrecht dünn. Die vergangenen Wochen haben sichtbar an ihr gezehrt.
Dass sie nicht selbst die Gäste begrüßt, sei von Anfang an so abgesprochen gewesen, erklärt ihre Sprecherin. Ihre Teilnahme angesichts der angespannten Lage abzusagen, sich ganz auf die versprochene Aufklärung der Pharmaaffäre zu konzentrieren, sei ihr nicht in den Sinn gekommen, sagt Golze am Rande der Veranstaltung. Der Integrationsgipfel sei ihr wichtig. „Die 250 Menschen, die hierher gekommen sind, haben verdient, dass das läuft“, so Golze.
"Was hilft den Patienten mein Rücktritt?"
Ihren Rücktritt hält sie nach wie vor nicht für nötig. „Wenn wir uns einig sind, dass die Patienten im Mittelpunkt stehen, dann stelle ich mir die Frage: Was hilft diesen mein Rücktritt?“, erklärt sie gegenüber dem Tagesspiegel. Sie sehe weiter ihre politische Verantwortung darin, den Skandal aufzuklären. „Ich glaube nicht, dass ein Wechsel auf der politischen Führungsebene die Aufklärung erleichtern würde.“
Nicht nur die Opposition, auch Vertreter von Rot-Rot – letztere noch hinter vorgehaltener Hand – sind da anderer Meinung. Das Krisenmanagement sei nicht gut, nicht offensiv genug. Die von Golze eingesetzte Task Force sei nicht mit Experten aus allen relevanten Bereichen besetzt, die Aufarbeitung schmore im eigenen Saft. Am Dienstag sollen im Gesundheitsausschuss des Landtags Untersuchungsergebnisse vorgestellt werden. Einige vermuten: Es wird der finale Tag für Golze.
Diese hört unterdessen einem Fachvortrag zur Integration zu. Zuvor durften die Aktivisten kurz das Wort ergreifen. Woidke sitzt wieder an seinem Platz, über Eck mit seiner Ministerin, die sich Notizen zu den Ausführungen auf der Bühne macht, so als wäre sie nicht die Chefin, sondern eine eifrige Referentin. Nach einer Stunde geht Woidke.
Zum Abschied tätschelt er Golze die Schulter. Es wirkt nicht wie ein „Nur Mut, wir packen das zusammen“, eher wie ein „Mach’s gut, so ist das Leben“. Golze übernimmt beim Gipfel nicht die Begrüßung der Teilnehmer, sondern später die Verabschiedung: Am Nachmittag spricht die Ministerin in der Schinkelhalle die letzten Worte.
Marion Kaufmann