Verdi-Umfrage aus Charité und Vivantes: Pflege-Azubis in Berlins Landeskliniken zu Streik bereit?
Einer Umfrage der Gewerkschaft zufolge könnte die Hälfte der Pflege-Azubis in Charité und Vivantes-Kliniken den Job "langfristig" aufgeben.
Im Tarifkonflikt an Berlins landeseigenen Krankenhäusern legt die Gewerkschaft politisch nach – unter Personalknappheit und hohem Arbeitsstress leiden Verdi zufolge insbesondere Pflege-Auszubildende. Dies zeige eine nicht repräsentative Befragung von 300 Pflege-Azubis in den Vivantes-Kliniken und an der Charité, die Verdi am Mittwoch vorstellte.
Zwei Drittel gaben demnach an, die Lage auf den Stationen beeinträchtige Privatleben und Familienplanung; die Hälfte der Befragten könne sich kaum vorstellen, den Beruf unter „aktuellen Arbeitsbedingungen langfristig“ auszuüben. Angehende Pflegekräfte berichteten davon, nicht angemessen „angeleitet“ und als „Lückenbüßer“ in unterbesetzten Stationen eingesetzt worden zu sein. Fast jeder zweite Azubi habe in der Verdi-Umfrage angegeben, „häufig oder immer“ eigenständig Tätigkeiten an Patienten durchführen, für die er oder sie noch nicht ausgebildet sei.
Zehn Prozent mehr Pflegepersonal?
„Damit sich der Fachkräftemangel nicht noch weiter verschärft, braucht es dringend bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen“, sagte Verdi-Verhandlerin Meike Jäger. Die Gewerkschaft fordert von Vivantes und Charité einen „Entlastungstarifvertag“, der bis zu zehn Prozent mehr Personal erforderlich machen dürfte. An der Universitätsklinik brach Verdi die Verhandlungen vor einigen Tagen ab, Vivantes hat dazu bislang keine Gespräche aufgenommen. Der geforderte Tarif soll einen fixen, einklagbaren Belastungsausgleich enthalten. Die Charité dagegen hatte eine arbeitsrechtlich „weichere“ Form angeboten, nämlich eine Dienstvereinbarung.
Wie berichtet hatte Verdi im Mai ein 100-Tage-Ultimatum gesetzt: Wenn sich die Gewerkschaft und die Landeskliniken bis 20. August nicht auf einen solchen Entlastungstarifvertrag einigen sollten, wollen die Pflegekräfte streiken. Verdi zufolge würden sich viele Azubis an einem Arbeitskampf beteiligen.
Die Charité-Hochschulmedizin und die Vivantes-Kliniken sind Berliner Wahlkampfthema
Die Personalnot ist eine der Verhandlungsfragen, die anderen sind die Löhne der Tochterfirmen. Während in den Stammhäusern der Vivantes-Krankenhäuser und der Universitätsklinik nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD) bezahlt wird, erhalten Angestellte in der gemeinsamen Tochterfirma „Labor Berlin“ und die Vivantes-Reinigungskräfte deutlich weniger Lohn. Der landeseigene Vivantes-Konzern steht auch wegen der Coronakrise unter enormen finanziellem Druck.
Die Lage in den Landeskliniken spielt zunehmend im Wahlkampf eine Rolle. Aus SPD-Kreisen hieß es am Mittwoch, man arbeite daran, zwischen den Klinikvorständen und Verdi zu vermitteln – die Hochschulmedizin untersteht Senatschef und Sozialdemokrat Michael Müller.
Die Koalitionsparteien SPD, Linke und Grüne haben erst am Dienstag der um Verdi entstandenen „Krankenhausbewegung“ ihre Solidarität versichert. Um die grundsätzliche Haltung der Grünen zur Medizinmetropole, wie sie Senatschef Müller vorantrieb, gab es dabei kurz Streit. Auch CDU- und FDP-Politiker bezeichneten die Tarifziele als sinnvoll.