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Kraftakt im Käfig. Peter Steudtner rennt am Potsdamer Platz. Mit seiner Aktion will er auf die repressive Politik gegenüber Menschenrechtsaktivisten weltweit aufmerksam machen.
© dpa, Arne Immanuel Bänsch

Aktion zum Berlin-Marathon: Peter Steudtner läuft Solidaritätsrunden

Der Menschenrechtsaktivist drehte am Sonntag auf dem Potsdamer Platz seine eigenen Runden in einem nachgebauten Gefängnishof. Ein Ortstermin.

Ein Mann läuft in einem Käfig immer rundherum, mitten auf dem Potsdamer Platz. Erinnert ein bisschen an das Bild hospitalisierter Tiere im Zoo. Aber kaum jemand guckt hin. Vermutlich könnte er hier auch auf den Händen laufen oder Non-Stop-Kopfstände machen, die Aufmerksamkeit wäre kaum größer. Berliner sind nun mal Verrücktheiten gewohnt.
Der Mann allerdings, der hier am Sonntagvormittag gegen 10.30 Uhr zwischen Gittern ständig im Kreis herumrennt, heißt Peter Steudtner, ist Menschenrechtsaktivist und war vom 5. Juli bis zum 25. Oktober 2017 wegen des Vorwurfs, einer Terrororganisation anzugehören, im Hochsicherheitstrakt des türkischen Gefängnisses in Silivri bei Istanbul inhaftiert.

Zum 45. Berlin-Marathon ist er wieder in den Käfig zurückgekehrt

Sein Schicksal machte Schlagzeilen – nun ist er am Tag des 45. Berlin-Marathons wieder in einen Käfig zurückgekehrt. Er inszeniert, unterstützt von Amnesty International, ganz in der Nähe der Laufstrecke, wo sich die Menschen drängeln, einen Solidaritätslauf für bedrohte Menschenrechtsverteidiger in aller Welt. Es ist nicht sein erster Marathon. Auch in Haft in Silivri lief Steudtner Ende September vergangenen Jahres parallel zur Berliner Großveranstaltung zumindest die halbe Marathonstrecke über 21,09 Kilometer symbolisch mit. Und zwar im Gefängnishof, in dem er sich von 8 Uhr früh bis abends aufhalten durfte. Deshalb hatte der 47-jährige Politologe, Dokumentarfilmer und Mitarbeiter der protestantischen Gethsemanegemeinde in Prenzlauer Berg die Idee, diesen Kraftakt am möglichst authentisch nachgebauten Ort mitten in Berlin als Protestaktion zu wiederholen.

Der echte Gefängnishof war ein Höfchen mit Maschendraht überm Kopf

Es sieht tatsächlich „fast alles aus wie damals in Silivri“, sagt Steudtner. Holt tief Luft und widmet sich kurz den Kameraleuten und Reportern. Immerhin haben die Medien großes Interesse an seiner Initiative. Der echte Gefängnishof sei eher ein Höfchen gewesen, gerade mal 4,80 mal 7,20 Meter groß. Der am Potsdamer Platz aufgebaute Käfig hat ähnliche Maße.

Die 3,20 Meter hohen Gitter rundherum gab es zwar in der Türkei nicht, dafür war Steudtner zwischen sieben Meter hohen Betonmauern eingezwängt. Das Dach aus Maschendraht über dem Berliner Käfig wirkt aber genau so deprimierend wie der verdrahtete Knast-Himmel, der in Silivri über ihm hing. Und am Boden, mitten im Käfig, befindet sich ein Gully. Auch dieser gehört zur Erinnerung. „Solche Abflussdeckel gab es in allen Gefängnishöfen. Wir nannten sie Cellphones. Über sie und die unterirdischen Kanäle konnten wir mit Häftlingen in Nachbarhöfen reden.“

Wäscheklammern markierten jeweils hundert Runden

Im Hochsicherheitstrakt lief Steudtner den Halbmarathon binnen drei Stunden. Am Sonntag, 10.42 Uhr, hat er schon 1,8 Kilometer geschafft. „Run for Rights Defenders“ steht mit dicken roten Pinselstrichen auf einer Tafel. Steudtner, blaue Short, graues Hemd mit der Startnummer 67377, aufmerksamer Blick, gibt auch unterwegs, während er in die Kurve geht, Interviews. Warum er das macht? „Um zu zeigen, wie stark Solidarität ist.“

Und dann erklärt er, weshalb quer über seinem Kopf eine Plastikleine mit Wäscheklammern gespannt ist. So zählte er in Silivri seine Runden: 100-mal rundherum waren 1,5 Kilometer, danach kam jedes Mal eine Klammer an die Schnur. Heute in Berlin zählt er bis zum Ende der Aktion, Punkt 15 Uhr, nicht so genau. Aber dafür hat er am frühen Nachmittag nach und nach mehr Zuschauer.

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