Canisius-Kolleg: Pater Klaus Mertes verabschiedet
Er hat das Canisius-Kolleg zu einer der begehrtesten Schulen in Berlin gemacht. Und er hat die Öffentlichkeit über die Missbrauchsfälle in dem Gymnasium informiert. Jetzt verlässt er Berlin.
„Bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand...“, sangen am Freitagvormittag über tausend Väter, Mütter und Schüler in der katholische Kirche St. Matthias in Schöneberg. Viele hatten Tränen in den Augen. Sie waren gekommen, um Pater Klaus Mertes zu verabschieden. Mertes wechselt zum 1. September nach Sankt Blasien im Schwarzwald, wo er Rektor der dortigen Jesuitenschule wird. Sein Nachfolger am Canisius-Kolleg wird der 43-jährige Pater Tobias Zimmermann, der bisher Schulseelsorger war.
17 Jahre lang war der 56-jährige Mertes Lehrer am Canisius-Kolleg, seit mehr als zehn Jahren war er der Rektor. Er hat das Gymnasium in der Tiergartenstraße zu einer der begehrtesten Berliner Schulen gemacht. Daran hat sich auch durch den Missbrauchsskandal nichts geändert, der im Januar vergangenen Jahres dort seinen Ausgang genommen hat. Damals hatte Mertes die Öffentlichkeit darüber informierte, dass in den 70er und 80er Jahren Schüler am Canisius-Kolleg von Jesuitenpatres sexuell missbraucht worden waren. Mertes hatte damit einen der größten Skandale für die katholische Kirche ausgelöst.
Für viele Eltern war Mertes und sein Aufklärungswille, den er in den vergangenen Monaten bewiesen hat, der Garant dafür, dass am heutigen Canisius-Kolleg sexueller Missbrauch nicht unbemerkt bleiben würde. Dass er das Gymnasium nun verlässt, bedauern viele. Auch ihm falle der Abschied schwer, sagte Mertes. „Aber wir Jesuiten leben nicht in Klöstern, sondern in Zelten. So werde ich nun in den Schwarzwald weiterziehen und abwarten, was dort auf mich zukommt.“ Beim Festgottesdienst am Freitagmorgen hatte er die meiste Zeit gelächelt oder sich mit geschlossenen Augen in die Musik von Telemann und Grieg hineinbegeben. Am Ende des Gottesdienstes segnete Mertes seine Schüler ein letztes Mal. „Der Segen gibt Euch Kraft, damit Euch niemand auf etwas festlegt, damit ihr offen in die Zukunft gehen könnt.“
Er selbst werde erstmal zum Urlaub ans Mittelmeer aufbrechen, sagte Mertes. Aus dem Canisius-Kolleg ist er ausgezogen und wohnt bis zu seinem Umzug in den Schwarzwald im Ignatiushaus der Jesuiten am Lietzensee. Dass er in den kommenden Monaten in keinen Schulbetrieb eingebunden ist, heißt aber natürlich nicht, dass Mertes untätig wäre. Am 1. Mai hat er zusammen mit der Berliner Grünen-Vorsitzenden Bettina Jarasch einen Blog zum Besuch des Papstes in Berlin im September gestartet. Jarasch ist gläubige Katholikin und Pfarrgemeinderatsvorsitzende.
Unter http://nacktesohlen.wordpress.com, der Internetseite des Kreuzberger Jesuitenpaters Christian Herwartz, laden Mertes und Jarasch die Berliner Katholiken ein, „Anregungen und Wünsche zum Papstbesuch zu diskutieren“. Sie selbst wünschen sich, dass die katholische Kirche endlich heikle Themen anpackt. Sie schlagen zum Beispiel vor, dass die Kirche die angekündigten Protestaktionen von Schwulen- und Lesbenverbänden „zum Anlass nimmt, homosexuellen Männern und Frauen zuzuhören, um ihren Zorn und Schmerz über die Kirche besser verstehen zu lernen“.
Und auch das wünschen sich Mertes und Jarasch: Dass bei den Planungen des Papst-Besuches nicht die Sehnsucht nach positiven Schlagzeilen „die Oberhand gewinnt“. Denn dann werde genau das Gegenteil des Gewünschten passieren, prophezeien Mertes und Jarasch: „Die Öffentlichkeit wird zu dem Schluss kommen, dass die katholische Kirche auch nach 2010 die Kategorien der Image-Pflege nicht hinter sich gelassen hat.“ Die Kirche möge hinhören, auch wenn es weh tut, „und ihr Oberhaupt in dieses Hören mit hineinnehmen“. Es sieht also ganz danach aus, als habe Pater Mertes zwar seinen Aufenthaltsort gewechselt, sei aber ansonsten derselbe widerständige Kopf geblieben.
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