Konfliktreduzierung in Friedrichshain-Kreuzberg: Party-Bezirk sucht neues Tourismuskonzept
Das Bezirksamt in Friedrichshain-Kreuzberg stellt eine neue Initiative für anwohnerfreundlichen Tourismus vor - und die Bürgermeisterin findet das „Klein-Klein zum Verzweifeln“.
Weiß gekleidete Pantomime-Künstler mischten sich im vergangenen Sommer an der Warschauer Brücke, der Falckensteinstraße oder dem Park hinter der East Side Gallery unter die Passanten. Stumm warben sie bei den feierfreudigen Besuchern um mehr Rücksicht auf die Anwohner des Bezirks. Die kreative Idee des Programms „fair.kiez“, die nur teilweise fruchtete, findet nun einen Nachfolger, der helfen soll den Boxhagener-Kiez „endlich leiser zu machen“, wie Bezirksstadtrat Peter Beckers (SPD) am Dienstag auf einer Pressekonferenz verkündete. „Stadtverträglicher Tourismus in Friedrichshain-Kreuzberg“ nennt sich das Projekt. Was schwammig klingt, soll zukünftig eine friedliche Koexistenz von Anwohnern, Besuchern und Gastronomen im Kiez ermöglichen. Doch auch in der Praxis wirkt das Vorhaben bislang erstaunlich konturlos. Mitarbeiter des Kooperationspartners „Coopolis GmbH“ verschaffen sich momentan laut Geschäftsführerin Stefanie Raab in nächtlichen Rundgängen einen Überblick über die Situation rund um die Simon-Dach-Straße und führen viele Einzelgespräche mit Anwohnern und Gewerbetreibenden.
Anwohnern sind die Partygäste oft zu laut
Seit Jahren hat im Boxhagener Kiez vor allem der Partytourismus zugenommen. Die Probleme sind dabei stets die Gleichen: Anwohner beschwerten sich über Lärm und Schmutz der Feiernden, die Gastronomen aber sind auf zahlungsfreudige Gäste angewiesen.
Die „Initiative zur Konfliktreduzierung“, die zukünftig auch auf dem Bergmannstraßen- oder Graefe-Kiez ausgeweitet werden soll, wird nun erst einmal bis Dezember am dem Bereich um die Simon-Dach-Straße erprobt. Gemeinsam mit allen Beteiligten sollen mehrere kleine oder eine individuelle Lösung für den Kiez erarbeitet werden. „Es sind oft Kleinigkeiten, die für ein besseres Klima sorgen“, sagt Raab vom Planungsbüro für kooperative Stadtentwicklung. „Manchmal geht es nur darum, dass der Müll des Lokals nicht mehr nachts lautstark entsorgt wird, sondern erst am nächsten Morgen“, sagt sie.
Viele kommen doch nach Berlin, um das Kiezleben mitzubekommen, und nicht die berlinerische Variante des Ballermanns. Es ist das Zuviel an Gastro, was das Problem ist und was die schönsten Strassen, beispielsweise die Grünberger Strasse, zur austauschbaren Partymeile verkommen lässt.
schreibt NutzerIn mina77
Sanfter Tourismus soll helfen
Und dafür braucht es 54 000 Euro? „Dieses Klein-Klein ist zum Verzweifeln“, sagt Monika Herrmann (Grüne), die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Seit Jahren fordert sie ein abgestimmtes Tourismuskonzept für die gesamte Stadt. Friedrichshain-Kreuzberg solle dabei als Modellbezirk dienen, da man hier quasi jede Form von Tourismus finden könne. Sanfter Tourismus wäre auch bei Herrmann das Mittel der Wahl – das heißt, den Tourismus nicht zu verbieten, das Viertel aber durch zu viele Besucher auch nicht kaputt machen zu lassen. Im Gegensatz zu der Initiative des Bezirksstadtrats fordert Herrmann auch mehr Personal und nächtliche Einsätze für das Ordnungsamt, um die Einhaltung der vereinbarten Regeln kontrollieren zu können.