Berlin: Otto-Suhr-Institut: Putzgruppe und Mescalero?
Ausgelöst durch die Debatte um die Vergangenheit der Minister Fischer und Trittin sind die Achtundsechziger wieder Thema. Das Otto-Suhr Institut (OSI) an der Freien Universität gilt in Berlin als Symbol für den studentischen Widerstand.
Ausgelöst durch die Debatte um die Vergangenheit der Minister Fischer und Trittin sind die Achtundsechziger wieder Thema. Das Otto-Suhr Institut (OSI) an der Freien Universität gilt in Berlin als Symbol für den studentischen Widerstand. Hier protestierten Rudi Dutschke und der SDS gegen den Muff von tausend Jahren und für eine bessere Gesellschaft. Wie erleben heutige Studenten die Diskussion?
Eine Drittsemesterin findet es "aus der Luft gegriffen, dass die Debatte um Fischers Vergangenheit wieder hochkocht. Die wurde doch schon offen gelegt als er Minister in Hessen wurde." Ihre Kommilitonin meint, es sei merkwürdig, dass die CDU das Thema Gewalt in der Linken mit rechtsradikalen Straftaten vermische. Sie findet, "man sollte den Außenminister eher nach seinen Leistungen, als nach seiner Vergangenheit beurteilen." Mit den Begriffen "Putzgruppe" und "Mescalero" konnte Studienanfänger Robert Skwirblies bisher nichts anfangen. "Generell halte ich es für notwendig, dass man sich als Student artikuliert", sagt er. "Allerdings ist das Studium so aufgebaut, dass man schnell auf die schiefe Bahn gerät." Er meint, dass man sich in politischen Aktionen verliert und zu lange studiert. Auf einer Stellwand im Foyer des Henry-Ford-Baus sind zahlreiche Zeitungsartikel über die OSI-Besetzung im Dezember ausgestellt. "Wir sind viel zu sehr mit internen Dingen beschäftigt, um uns um gesamtgesellschaftliche Fragen zu kümmern", sagt ein Student, der nach einer Vorlesung Einladungen für den FU-Aktionstag gegen die Hochschulreform am heutigen Donnerstag verteilt.
Lucie Schnell von der "Linksruck-Hochschulgruppe" kann der Debatte um Fischer und Trittin auch Positives abgewinnen. "Das Interesse an den Achtundsechzigern steigt wieder an." Damals hätten die Studenten dagegen gekämpft, dass die Bevölkerung von einer kleinen Elite gelenkt wird. Darum gehe es heute immer noch. Auch der Widerstand gegen eine gewaltätige Polizei sei immer noch Thema: "In Prag habe ich selbst erlebt, wie die Polizei in die Menge hineinknüppelte". Vergangene Woche hat "Linksruck" eine Veranstaltung zur "Rolle des SDS während der Studentenrevolte" angeboten, zu der mehr Leute als sonst kamen. "Wenn die Uni erstmal - wie jetzt durch die Besetzung des OSI - in Bewegung gerät, werden die Leute neugierig, was sich früher getan hat", sagt Basti Zehetmair. Nun hofft er auf eine Radikalisierung seiner Kommilitonen.
Elmar Altvater, seit 30 Jahren Dozent am OSI, kritisiert den unhistorischen Umgang mit der Vergangenheit Fischers und Trittins. Er selbst sei auch 1969 bei einer Demonstration in Nürnberg gegen den NPD- Parteitag verhaftet worden. "Wir haben genau das getan, was heute mit dem Aufstand der Anständigen gefordert wird." Altvater würde gerne aus aktuellem Anlass eine Ringvorlesung zu den Achtundsechzigern organisieren. Dass es kaum noch radikale linke Studenten am OSI gibt, will er so nicht stehen lassen: "Links heißt heute nicht mehr, sich auf Marx und die Arbeiterbewegung zu berufen, sondern kritisch zu sein." Und da wüssten viele, sich gut zu artikulieren.
Barbara Wörmann
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