„Jedes halbe Jahr neue Millionen vom Steuerzahler“: Opposition will Zahlungen an Berliner Flughafengesellschaft stoppen
Auch nach der Eröffnung bleibt der Flughafen BER eine kostspielige Angelegenheit. Grüne, Linke und FDP wollen weitere Bundeshilfen verhindern. Was bedeutet das?
Der neue BER–Airport für Berlin und Brandenburg wird nach der Kostenexplosion beim Bau nun auch nach der Inbetriebnahme am 31.Oktober 2020 für die öffentliche Hand immer teurer. Berlin, Brandenburg und der Bund bereiten sich jetzt darauf vor, der Flughafengesellschaft (FBB) allein 2021 notfalls Hilfen von 500 Millionen zu überweisen, um eine Insolvenz zu vermeiden.
Diese Zahl geht indirekt aus dem Etatentwurf für 2021 des Brandenburger Landeshaushaltes hervor, den das von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte Kenia-Kabinett am Dienstag verabschiedete. Dort hat Brandenburg, das wie Berlin 38 Prozent der FFB–Anteile hält, als Ausgleich „pandemiebedingter Verluste“ 189 Millionen Euro für den BER-Airport im Jahr 2021 eingestellt.
Gleichwohl schloss Woidke „zum jetzigen Zeitpunkt“ eine Teilprivatisierung der FBB, also die Aufnahme eines vierten, privaten Eigners aus, was als eine Variante zur Sanierung der Flughafengesellschaft gilt. In der Krise wäre ein Verkauf von Anteilen „zu billig“, sagte Woidke. Darüber könne man sich in ein, zwei drei, oder fünf Jahren Gedanken machen.
Die dramatische FBB-Finanzlage beschäftigt am Mittwoch auch den Haushaltsausschuss des Bundestages, der eine Vorlage der Bundesregierung für eine schnellere Auszahlung der für 2020 vorgesehenen Corona-Hilfen der Eigner in Höhe von 300 Millionen Euro vorsieht, und zwar ohne beihilferechtliche Zustimmung der EU.
Die Opposition aus Grünen, Linken und FDP will versuchen, weitere Bundeshilfen für die FBB vorerst zu stoppen. In einem gemeinsamen Antrag fordern die drei Parteien vor Bewilligungen eine „detaillierte Übersicht der konkreten und tatsächlich entstandenen Corona-Schäden“ der öffentlichen Firma.
Geld muss "spätestens im Oktober" fließen
„Dass der Flughafen-Chef jedes halbe Jahr vom Steuerzahler neue Millionen für seine Gesellschaft haben will, darf kein Dauerzustand werden“, sagte Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler (MdB) den "Potsdamer Neuesten Nachrichten". „Wir sollen einen Blankoscheck ausstellen und dürfen nicht mal wissen wofür genau.“
Bundesfinanzsstaatssekretärin Bettina Hagedorn (SPD) hatte in einem Brief unter Verweis auf die Liquidität der FBB erklärt, dass das Geld „spätestens im Oktober“ fließen müsse.
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Für 2021, wo nun weitere 500 Millionen Euro veranlagt werden, hatten Berlin, Brandenburg und der Bund bereits 108 Millionen Euro bewilligt. Die mögliche BER-Hilfe der drei Eigner für das erste Jahr im laufenden Betrieb könnte damit sogar 608 Millionen Euro umfassen. Zum Vergleich: Die FBB hatte mit den Flughäfen Alt–Schönefeld und Tegel im Jahr 2019 bei Rekordpassagierzahlen einen Umsatz von 419 Millionen Euro erwirtschaftet.
Das rot-schwarz-grüne Bündnis in Potsdam war vorbereitet, dass die FBB ein Sanierungsfall ist. Während der Koalitionsverhandlungen im Herbst 2019 - vor der Corona-Krise - hatte das FBB-Management den Koalitionären nach Informationen des Tagesspiegels offenbart, dass bis 2024 eine Milliarde Euro - doppelt so viel wie vorher veranschlagt - von den drei Eignern benötigt werden wird.
Für Brandenburgs Etatentwurf für 2021, der wie 2020 Rekord-Ausgaben von 15 Milliarden Euro vorsieht, will die Regierung zur Abfederung der Coronakrise erneut Schulden in Milliardenhöhe aufnehmen. „Wir müssen darauf achten, dass Unternehmen nicht insolvent werden und damit Fachkräfte verloren gehen“, sagte Woidke. Linke-Oppositionsführer Sebastian Walter nannte den Etat „mutlos und ohne Vision“.