zum Hauptinhalt
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).
© Kay Nietfeld/dpa

Die SPD und der "Fall Arvato" in Berlin: Opposition fordert vom Senat Aufklärung über Vergaben

Nach dem Auftrag für McKinsey und Lutz Diwell fordern die Oppositionsfraktionen nun auch im Vergabeverfahren an die Firma Arvato Akteneinsicht. Die SPD kann keinen Filz erkennen.

Von Ronja Ringelstein

Nachdem am Mittwoch durch Tagesspiegel-Recherchen bekannt wurde, dass eine weitere externe Firma im Zusammenhang mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise in Berlin von der öffentlichen Hand nach freihändiger Vergabe beschäftigt wurde, verlangt nun die Opposition vollständige Aufklärung. „Der Senat tut alles, um den Vorwurf des Filzes weiter zu nähren“, sagte Elke Breitenbach, arbeitspolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Es herrscht Intransparenz. Es wird immer erst Stellung bezogen, nachdem etwas ans Tageslicht gekommen ist.“ Die Linksfraktion will nun eine Anfrage stellen, wie viele freihändige Vergaben anstelle von ordentlichen öffentlichen Ausschreibungen es noch gegeben habe. Auch die Piraten und die Grünen-Fraktion kündigten Anfragen und Anträge auf Akteneinsicht an.

Arvato wurde ohne öffentliche Ausschreibung am Lageso beschäftigt

Wie berichtet hat die für das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) zuständige Senatssozialverwaltung den Dienstleister Arvato ohne Ausschreibung und ohne Unterrichtung des Hauptausschusses beschäftigt. Dort ist der ehemalige SPD-Staatssekretär Volker Halsch der für die öffentlichen Aufträge verantwortliche Manager. Der Vergabeentscheidung voraus ging ein Gespräch des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) mit möglichen Auftragnehmern – darunter Arvato, für die Halsch mit am Tisch saß. Auf Nachfrage hatte die Senatskanzlei gesagt, es habe sowohl Empfehlungen an das Lageso und die Sozialverwaltung als auch an die beteiligten Firmen gegeben, mögliche Kooperationen zu prüfen.

Die Senatskanzlei dementiert aber Einflussnahmen auf den Auftrag, den dann die Sozialverwaltung von Senator Mario Czaja (CDU) schließlich vergab. Arvato digitalisiert nun seit Jahresanfang die Akten im Lageso und bekam im Gegenzug bislang 128.388 Euro. „Beim Vertrag mit Arvato ist eine Dienstleistung vereinbart, die als solche hätte ausgeschrieben werden müssen. Die freihändige Vergabe ist nur in Ausnahmefällen möglich“, kritisiert Breitenbach. Hier komme wieder der administrative Notstand ins Spiel, „der genutzt wird, um einen Auftrag nach dem anderen zu vergeben, ohne den Hauptausschuss zu informieren.“

Piraten: Die Vergaben werden nicht ausreichend begründet

Martin Delius, Vorsitzender der Piratenfraktion, sieht das grundsätzliche Problem weniger in der freihändigen Vergabe an sich als bei den fehlenden Begründungen dieser Entscheidungen. „Es ist verfassungsrechtlich problematisch, dass nicht umfassend aber vor allem nicht rechtzeitig begründet wird, warum ein Auftrag ohne Ausschreibung vergeben wird“, sagt Delius. Außerdem fordert er, auch mit Blick auf den Fall um die Beratungsfirma McKinsey, eine Diskussion der Kontrollinstrumente von Finanzverwaltung und Parlament. Dass sich die öffentliche Verwaltung externer Berater bedient, ist keine Seltenheit. Normalerweise müssen die Senatsverwaltungen den Hauptausschuss rechtzeitig unterrichten, bevor sie Aufträge für Gutachter- und Beratungsdienstleistungen ab 10.000 Euro ausschreiben. Die Finanzverwaltung führt hierüber eine Datenbank. „Wie wirksam ist diese Datenbank? Ist die vollständig? Ist sie kontrollierbar? Anscheinend nicht“, fragt Delius.

Grüne: Arvato wird auch im Hauptausschuss Thema

Antje Kapek, Fraktionschefin der Grünen, meint, das „Verwaltungschaos, das der rot-schwarze Senat selbst verursacht hat, rechtfertigt nicht die Auftragsvergabe am Hauptausschuss vorbei – selbst, wenn Arvato ein gutes Unternehmen für den Job ist.“ Sie fordert die Senatskanzlei auf, nun umfassend aufzuklären. Die Sache werde sicher, wie auch der Fall um McKinsey und den dort angestellten SPD-Politiker Lutz Diwell, in der nächsten Hauptausschusssitzung am 13. April behandelt.

Die SPD weist Filz-Vorwürfe zurück

In einer Presseerklärung am Donnerstag sprangen vier SPD-Männer dem Regierenden Bürgermeister zur Seite: Der Landesvorsitzende Jan Stöß, die Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick, Stefan Komoß und Oliver Igel, sowie der Landesgeschäftsführer Dennis Buchner, beschwerten sich über die „Skandalisierung“ in der Berichterstattung und den Vorwurf des „SPD-Filzes“. Stöß sagte, dass Müller und die „SPD-Senatsmannschaft“ seit Herbst die Arbeit der CDU-geführten Verwaltungen miterledigen würden, weil sich die CDU-Senatoren in der Flüchtlingskrise „als Totalausfälle“ erwiesen hätten.

Die Hilfeleistung im Nachhinein als Filz zu diffamieren, weil bei den zur Hilfeleistung beauftragten, „international tätigen und allgemein respektierten Firmen auch SPD-Mitglieder arbeiten“, sei nicht redlich. Buchner betonte, dass die Vergabeentscheidung über die CDU-geführte Sozialverwaltung gelaufen sei, und: „Einzelne Personen wegen ihrer Mitgliedschaft in der SPD unter Generalverdacht zu stellen, ist absurd und trägt leider zu einer Wahrnehmung von Politik bei, die populistischen Rattenfängern in die Hände spielt.“

Zur Startseite