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Warnung vor Kontrolleuren per App?
© Kai-Uwe Heinrich

Bald höheres Bußgeld für Schwarzfahrer?: Ohne Ticket mit BVG und S-Bahn

Bundesverkehrsminister Dobrindt und die BVG wollen die Strafen für Schwarzfahrer erhöhen. Die sind den Verkehrsbetrieben aber oft einen Schritt voraus. Per App oder Facebookgruppen warnen sie sich vor Kontrollen. Andere bieten gleich Mitfahrgelegenheit auf ihrer Umweltkarte an.

Die Treppen hoch und gerade noch in die letzte Bahn rein, mit der man pünktlich zur Arbeit kommt – bei so viel Eile wird der Ticketkauf schon mal vergessen oder ignoriert. Manch einer macht das vielleicht auch vorsätzlich – oder hat einfach nicht genug Geld für den Fahrschein. Schwarzfahrer sind sie alle, und für die soll es teurer werden: Wie berichtet, will Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Anhebung des „erhöhten Beförderungsentgeldes“ von 40 auf 60 Euro durchsetzen.

Gut 500 000 Menschen sind im Vorjahr bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und der S-Bahn kontrolliert worden und hatten kein Ticket. Manche zeigen mittlerweile einigen Erfindungsgeist, damit sie nicht erwischt werden. Es gibt Apps und Facebookgruppen, auf denen die Nutzer die Linie und Fahrtrichtung der Bahn, in der sie Kontrolleure ausgemacht haben, eingeben. Dann werden alle anderen Nutzer gewarnt und machen sich aus dem Staub – so zumindest die Theorie. In der Praxis hat weder „Schaffnerradar“ noch „Berlinkontrolle“ bisher genug Nutzer, um verlässlich vor den 120 bis 140 Kontrolleuren der BVG und den ungefähr 70 der S-Bahn zu warnen.

Im vergangenen Jahr hatte die BVG fast eine Milliarde Menschen befördert, von denen drei bis vier Prozent ohne gültiges Ticket unterwegs waren, schätzt Petra Reetz, Sprecherin des Unternehmens. Sie beziffert daher den jährlichen Schaden für das Unternehmen auf 20 Millionen Euro. Eine steigende Tendenz gebe es zwar nicht, aber 20 Millionen seien eine Menge Geld. „Dafür könnten wir 50 neue Busse kaufen“, sagt Reetz. Deshalb begrüßt die BVG den Vorstoß des Bundesverkehrsministers.

Judith Demba vom Verein Naturfreunde Berlin hat noch eine andere Idee fürs Fahren ohne Ticket. Durch Anhebung des erhöhten Beförderungsentgeldes würden Menschen mit wenig Geld weiter kriminalisiert, meint sie. Sie kritisiert, dass in der JVA Plötzensee schon jetzt rund 150 Menschen inhaftiert seien, weil sie das erhöhte Beförderungsentgelt nicht gezahlt haben.

Aber die 56-Jährige glaubt ein Gegenmittel gefunden zu haben. Mit den Berliner Naturfreunden hat sie die Kampagne „Ticket teilen“ gegründet. Besitzer der Umweltkarte des VBB können mit ihrem Ticket zu bestimmten Tageszeiten andere Personen mitnehmen. Per Button auf der Kleidung können die Inhaber solcher Tickets dieses Mitfahrgelegenheit gut sichtbar für Bedürftige wie Flüchtlinge oder Hartz-IV-Empfänger erkennbar machen und anbieten. 15 000 Buttons hat der Verein schon verteilt.

Mit diesem Modell hat auch Petra Reetz von der BVG eigentlich kein Problem: „Ein Vertrag hat immer zwei Seiten. Die Kunden können natürlich die Vorteile ihrer Tickets nutzen, wie sie wollen.“

Philip Barnstorf

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