Milliardenverlust am Berliner Airport: Ohne Staatshilfen fliegt der BER in Pleitezone
Das Eigenkapital ist fast aufgebraucht. Die Flughafengesellschaft hat im Corona-Jahr 2020 ein Rekordminus gemacht. Denn der Anlagewert des BER-Airports wurde nach unten korrigiert.
Der BER fliegt in die finanzielle Hochrisikozone. Die Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) kämpft gegen Milliardendefizite - und hat fast kein Eigenkapital mehr. Nach dem Jahresabschluss für 2020, den der FBB-Aufsichtsrat am Donnerstag billigte, hat das Unternehmen in der Bilanz für das Jahr vor allem wegen einer Sonderabschreibung ein Minus von 1,057 Milliarden Euro gemacht.
Damit sei das Eigenkapital weitgehend aufgebraucht, teilten Chefmanager Engelbert Lütke Daldrup und Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider mit. Ursachen sind die Corona-Krise und die Folgen des Debakels um den Bau des neuen Airport der Hauptstadtregion, der im Oktober 2020 Jahre verspätet in Betrieb ging. Das Unternehmen hat aus dem Betrieb nicht die genügend Einnahmen, um den Schuldendienst für die Milliardenkredite zum BER-Bau aufzubringen.
Zwar haben die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young der hochverschuldeten FBB für 2020 wie im Vorhahr ein uneingeschränktes Testat gegeben, also eine ordnungsgemäße Geschäftsführung attestiert.
Doch die Prüfer hätten zugleich deutlich gemacht, sagte Bretschneider, dass die FBB auf Hilfen Berlins, Brandenburgs und des Bundes angewiesen ist, „ohne die Hilfen in eine bestandsgefährdende Situation“ käme: „Das wissen wir. Das wissen die Gesellschafter.“
Für 2021 ist zwar durch Darlehen Berlins, Brandenburgs und des Bundes Geld da. Wie berichtet, braucht die FBB, wegen des BER und der Pandemie in tiefroten Zahlen, aber von 2022 bis 2026 weitere 2,4 Milliarden Euro von der öffentlichen Hand. Berlin, Brandenburg und der Bund haben in einer "Patronatserklärung" diese Hilfen zugesagt. Voraussetzung ist aber, dass die drei Parlamente und die EU zustimmen.
BER-Wert um 767 Millionen nach unten korrigiert
Nach 35,6 Millionen Passagieren im 2019 vor der Corona-Krise hatte die FBB 2020 nur 9,1 Millionen Passagiere abfertigen können, ein Verlust von 239 Millionen Euro war die Folge. Außerdem wurde das Anlagevermögen des neuen BER–Airports um 767 Millionen Euro abgewertet.
Hintergrund dieser Sonderabschreibung ist, dass der BER viel zu teuer wurde und wegen der Pandemiefolgen noch lange mit niedrigen Einnahmen rechnen muss. Der Milliardenverlust 2020 führe aber nicht zu einem weiteren Finanzbedarf, versichern die Verantwortlichen. Es sei im aktuellen Bussiness-Plan, auf dessen Grundlage die FBB 2,4 Milliarden Euro (davon 1,2 Milliarden Euro für eine Teilentschuldung) will, bereits antizipiert. Das Unternehmen fahre einen strikten Sparkurs.
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Mit der Befürchtung, dass der BER dauerhaft von der öffentlich Hand gestützt werden muss, hatten die Berliner CDU-Abgeordneten Christian Gräff und Christian Goiny den Vorstoß für ein privates Betreibermodell begründet. Der Airport würde an einen Privaten vermietet, der die rund 1600 FBB-Mitarbeiter übernimmt, heißt es von der CDU. Für Konzessionen für Flugbetrieb und Immobilienentwicklung ist mit jährlichen Zahlungen von rund 350 Millionen Euro an die Haushalte kalkuliert. Er danke der CDU für die positive Bewertung der Ertragsaussichten, sagte Brettschneider ironisch. Der Jahresaschluss zeige etwas anderes.
Brandenburg lehnt privates Betreibermodell für BER ab
Brandenburg lehnt eine Vermietung des BER an einen privaten Betreiber strikt ab. „Der Vorschlag der CDU geht am Problem vorbei und bedeutet faktisch eine Privatisierung nach dem Grundsatz: Gewinne weitgehend für private Investoren, Belastungen verbleiben hingegen beim Steuerzahler“, sagte Finanzministerin Katrin Lange (SPD). Zudem sei das Problem der Flughafengesellschaft nie die Organisation und operative Abwicklung des Flugbetriebs gewesen.
Auch die Grünen und die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus sowie die Linken in Brandenburg erteilten eine Absage. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi winkte ab. Es sei eine „Luftnummer“, sagte der SPD-Abgeordnete Jörg Stroedter.
„Es ist eine verkappte Privatisierung, die CDU will es nur nicht so nennen.“ Eine „Sozialisierung der Milliarden-Baukosten und Schulden bei gleichzeitiger Privatisierung des Betriebs kommt für uns Grüne jedenfalls nicht in Frage“, sagte Daniel Wesener, Haushaltsexperte und parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Abgeordnetenhaus.
Suche nach Nachfolger für Lütke Daldrup geht weiter
Der Linken-Fraktionschef im Brandenburger Landtag, Sebastian Walter, sagte: „Eine Privatisierung, egal auf welchem Wege, lehnen wir grundsätzlich ab.“ Denn ein privater Betreiber werde „nur auf Kosten von Service, Mitarbeitern und Qualität Gewinne machen können“. Im Gegensatz dazu ging die FDP im Abgeordnetenhaus angesichts des Milliardenverlustes 2020 sogar noch weiter als die CDU. "Der BER darf nicht zum Fass ohne Boden werden, in das immer weiter Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hineingeworfen wird", sagte Fraktionschef Sebastian Czaja. Es müsse endlich endlich offen und transparent über die Möglichkeiten einer Teilprivatisierung gesprochen werden. "Was in Düsseldorf, Frankfurt oder auch Hamburg funktioniert, darf für die Hauptstadt kein Tabuthema mehr sein" Nötig sei ein Notausgang, der das finanzielle BER-Desaster abpuffert.
Flughafenchef Lütke Daldrup räumt im September auf eigenen Wunsch vorzeitig seinen Stuhl. Die Nachfolgesuche laufe weiter, sagte Bretschneider. Eine Prognose, wann der oder die neue BER-Chefin bestimmt wird, wollte er nicht abgeben.