Vergabe von Aufträgen fürs Schulessen: Öffentliche Ausschreibung missachtet geplanten Mindestlohn
Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen soll an einen Mindestlohn von 12,50 Euro gekoppelt werden. In einer Ausschreibung wird dieser Betrag unterschritten.
Bei der Ausschreibung für das Schulessen für die nächsten vier Jahre ist ein Fehler passiert, der gravierende Auswirkungen haben könnte. Bei der Ausschreibung müssen sich die Caterer auf einem Formblatt verpflichten, ihren Beschäftigten einen Mindestlohn von neun Euro zu zahlen. Dabei hat der Senat erst kürzlich beschlossen, dass Unternehmen, die Aufträge des Landes Berlin oder der Bezirke erhalten wollen, mindestens 12,50 Euro zahlen müssen.
Das Gesetz über den Vergabemindestlohn ist noch nicht vom Abgeordnetenhaus verabschiedet, da der Rat der Bürgermeister beteiligt werden muss. Allerdings lag auch der bundesweit geltende Mindestlohn bereits 2019 höher als neun Euro pro Stunde: 9,19 Euro, Seit Anfang 2020 beträgt er nun 9,35 Euro. In der Praxis könnten die veralteten Angaben zum Mindestlohn in der Ausschreibung dazu führen, dass die Kalkulation der Caterer nicht mehr stimmt. Darüber berichtete die „Berliner Morgenpost“ am Sonntag.
„Wir können die Ausschreibung nicht rückgängig machen, da wir einen nahtlosen Übergang brauchen“, sagte Bildungsstaatsekretärin Beate Stoffers (SPD). Im übrigen könne sie sich nicht vorstellen, dass nur ihr Haus von dem Problem betroffen sei. Bei jeder aktuellen Ausschreibung müsse der künftige Vergabemindestlohn berücksichtigt werden. „Wir sind sehr irritiert“, sagte Stoffers.
Das habe sie auch ihrer Amtskollegin aus der Wirtschaftsverwaltung, Barbro Dreher (Grüne), im Rahmen der Staatssekretärsrunde mitgeteilt. Die Wirtschaftsverwaltung sei auch in der Arbeitsgruppe zur Ausschreibung für die Caterer gewesen. „Da wurde geschlafen, die Aufgabenteilung ist ganz klar. Die Formblätter erstellt für Gesamtberlin die Wirtschaftsverwaltung“, sagt Stoffers.
Wirtschaftsverwaltung sieht Bildungsressort in der Pflicht
In der Wirtschaftsverwaltung hieß es, dass man in den Formblättern den neuen Mindestlohn wegen des noch fehlenden Gesetzes nicht berücksichtigen konnte. Man habe die Voraussetzungen für den Vergabemindestlohn geschaffen, sagte Svenja Fritz, Sprecherin von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne): „Jetzt sind der Rat der Bürgermeister und das Abgeordnetenhaus am Zuge. Die Bildungsverwaltung muss dafür Sorge tragen, dass der höhere Mindestlohn berücksichtigt wird.“
[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Dieser Ansicht ist auch Silke Gebel, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus: „Die Bildungsverwaltung muss bei der Ausschreibung eine Klausel einfügen.“ Es sei unverständlich, nach so vielen Diskussionen eine Ausschreibung zu machen, die den vereinbarten Mindestlohn von 12,50 Euro nicht beinhalte, obwohl die Gelder dafür bereit stehen. Sie hätte zudem von der Bildungsverwaltung erwartet, darauf aufmerksam zu machen, wenn sie bei den Ausschreibungsunterlagen ein Problem sehe, sagte Gebel. Es sei „hanebüchen“, die Verantwortung dafür bei der Senatswirtschaftsverwaltung zu suchen. Ausschreibungen erfolgten durch die Fachverwaltungen.
DGB erwartet schnelle, konstruktive Lösungen
Gökhan Akgün vom DGB-Friedrichshain-Kreuzberg hält von Schuldzuweisungen nichts. Stattdessen sollten sich die Verwaltungen schnellstmöglich um konstruktive Lösungen bemühen, damit das Geld bei den Beschäftigten der Caterer ankomme, so wie es die Koalition eigentlich auch geplant hat. Erst im November hat es an einigen Schulen eine Gewerkschaftsaktion für bessere Bezahlung der Mitarbeiter gegeben.
Laut einem Vorstandsmitglied des Verbandes der deutschen Schul- und Kitacaterer können die Bedingungen einer Ausschreibung nachträglich nicht mehr verändert werden. Eine zusätzliche Klausel hält er nicht für möglich, zumal das Gesetz zum neuen Mindestlohn noch gar nicht beschlossen sei. Man wisse ja nicht, welche Bewerber bereits ihr Angebot losgeschickt hätten.