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prenzlauer gärten
© Mike Wolff

Prenzlauer Gärten: „Nix mit Elite und so“

Erfunden in den USA, Wirklichkeit bereits in Potsdam: "Gated Communities", kleine Straßendörfer für Wohlhabende, die sich vom Rest der Gesellschaft abschotten. Auch in Berlin sind die geschlossenen Luxusquartiere mit Doormen und Eingangsschranken auf dem Vormarsch.

Die Tafel der Klingelknöpfe zeigt, wer hier am Drücker ist. In drei Doppelreihen sind die Bewohner-Namensfächer angeordnet, darüber prangt einsam das Klingelschild des „Doorman“.

Die Prenzlauer Gärten, eine schneeweiß gestrichene „Townhouse“-Siedlung am Volkspark Friedrichshain, ist ein kleines Straßendorf für Wohlhabende mitten in der Stadt. Rund 60 Reihenhäuser und 40 Etagenwohnungen schmiegen sich um die rostrot asphaltierte Straße „Am Schweizer Garten“. Um das Dorf herum ist ein mannshoher Zaun gezogen, am Eingang gibt es ein Rolltor zum Abschließen und ein Pförtnerhäuschen. Die Anlage ist gerade fertig geworden und zieht schon viele neugierige Besucher an, die hier Berlins erste „Gated Community“ vermuten. Außerdem wohnen hier Schauspieler und Popstars.

Die Internet-Enzyklopädie Wikipedia definiert Gated Community als ein „Siedlungszentrum der Ober- oder Mittelschicht, welches durch Sicherheitseinrichtungen und Absperrungen – wie Alarmanlagen, Mauern, Zäune, Kameraüberwachung, privates Sicherheitspersonal – von der übrigen Gesellschaft separiert ist.“ Das Prinzip wurde in den USA erfunden und in alle Länder mit sozialen Spannungen erfolgreich exportiert.

„Die Prenzlauer Gärten funktionieren wie ein stinknormales Berliner Mietshaus“, sagt Projektsprecher Willo Göpel, um mit gelangweilter Ironie hinzuzufügen: „Der Doorman ist weder uniformiert noch bewaffnet.“ Seine Aufgaben seien eher mit denen eines Hausmeisters vergleichbar. Außerdem solle er dafür sorgen, dass in der Wohnstraße nicht „wild geparkt“ werde. Die privat finanzierte Straße ist nämlich öffentlich, ebenso wie der kleine Spielplatz auf halber Höhe. Das „Gate“, das Tor zur Wohnstraße, steht derzeit 24 Stunden lang offen. Geplant ist, es nachts abzuschließen und mit einem Chipkartensystem zu betreiben.

Die Bewohner sind etwas genervt von der medialen Aufmerksamkeit. Eine Frau mit Sonnenbrille und Einkaufstüte schiebt ihren Buggy entschlossen am Reporter vorbei, um dann überraschend kehrtzumachen. „Das ist hier ein Paradies für Familien und billiger als Altbauten am Kollwitzplatz.“ Die Nachbarschaft sei „sehr homogen“. Die meisten wohnen schon länger in Prenzlauer Berg, sind zwischen 30 und 40 Jahre alt, haben kleine Kindern und gut bezahlte Jobs. Medienleute, Anwälte, Künstler und Mitarbeiter des Auswärtigen Amts. Das Tor und der Doorman hätten niemanden zum Kauf bewegt, sagt die Frau mit Sonnenbrille. „Nix mit Elite grenzt sich ab und so.“ Im Prenzlauer Berg mache Abgrenzen gar keinen Sinn – „von wem denn?“

Eine Nachbarin steckt ihre Füße in den Sandkasten und schaut zu ihren Kindern, die am Springbrunnen spielen. Das Tor könnte verschwinden, findet sie, inklusive Doorman, „viel zu teuer“. Aber hier wohnen doch reiche Leute? „Bei mir wird nur die Bank reich.“ Nachher hat sie noch einen Termin mit einem Bausachverständigen. Es gibt viele Mängel in der Wohnanlage und Streit darüber, wer sie beseitigen muss.

PR-Experte Willo Göpel hat vor Jahren schon mal eine hochpreisige Wohnanlage betreut, die Paul-Lincke-Höfe in Kreuzberg. Dort stand das Zugangstor jahrelang offen, auch nachts. Nach mehreren Einbrüchen war es dann plötzlich abgeschlossen, erzählt Göpel. So werde es wohl auch in den Prenzlauer Gärten kommen.

Das Thema Sicherheit wird in einigen der neuen Luxuswohnanlagen in der Innenstadt offen angesprochen. Das Projekt „Marthashof“ an der Schwedter Straße in Prenzlauer Berg firmiert unter „Urban Village“ und wirbt mit den Vokabeln „Sicherheit“ und „Privatsphäre“. Zum Schutz der künftigen Bewohner wird es Bewegungsmelder, eine Videogegensprechanlage und – optional – einen Conciergedienst geben. Der öffentlich zugängliche Dorfanger, rund 3000 Quadratmeter groß, soll abends abgeschlossen werden. Bauherr Ludwig Stoffel empfindet die Vorkehrungen als die übliche Kriminalitätsprävention. Berlin brauche keine Gated Communities. „Abschließen ist der falsche Weg. Marthashof soll keine Yuppie-Enklave werden.“ Die links-alternative Szene sieht dennoch ihren angestammten Kiez rund um die Kastanienallee in Gefahr. Gegen den Marthashof hat sich eine Anwohnerinitiative gebildet.

Die einzige „Gated Community“, die alle oben beschriebenen Anforderungen erfüllt, ist bislang die Villensiedlung „Arkadien“ am Glienicker Horn in Potsdam. Drei Doormen teilen sich den 24-Stunden-Dienst an den Überwachungsmonitoren. Gäste müssen bei ihnen angemeldet werden. Der Zaun ist elektronisch gesichert. Wer hier wohnt, ist so reich, dass es sich nicht mehr verbergen lässt.

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