Kampf um landeseigene Grundstücke: Nicht immer soll der größte Geldbeutel entscheiden
Wer Berlins Grundstücke bekommt, das soll künftig öffentlich ausgehandelt werden. Der Runde Tisch zur Liegenschaftspolitik - ein Bündnis von Abgeordneten, Planern, Wissenschaftlern und Kulturschaffenden - legt seine Forderungen vor. Im Senat herrscht jedoch weiter keine Einigkeit.
Am selben Tisch sitzen diese beiden Herren eher selten: Enrico Schönberg vom Mietshäusersyndikat Berlin sowie der Industrie- und Handelskammer-Bereichsleiter Jochen Brückmann, der für Infrastruktur und Stadtentwicklung zuständig ist. Dass die beiden dennoch gemeinsam ein Jahr lang um die Durchsetzung einer Neuen Liegenschaftspolitik gerungen haben, zeigt: Ungeahnte Allianzen entstehen, weil der Senat immer noch keine verbindlichen Regeln im Umgang mit landeseigenen Grundstücken festgelegt hat. Der Stillstand in dieser Frage droht sogar zur Ausrufung eines weiteren Volksbegehrens zu führen.
Die Teilnehmer am Runden Tisch sehen sich als „Vertreter der Zivilgesellschaft“, Clubvertreter und Planer sind dabei Umweltverbände und TU-Mitarbeiter, der Mieterverein, der Berliner Großmarkt sowie Mitglieder von Thinktanks und der Kunstszene. Florian Schmidt von der Initiative „Stadt Neudenken“ war es, der bei der Vorstellung des Forderungskatalogs an die Fraktionen durch Vertreter des Runden Tisches und Abgeordnete ein Volksbegehren ins Gespräch brachte – als „ultima ratio“ bar, wenn die vom Parlament vor Jahren beschlossene Neue Liegenschaftspolitik doch nicht kommt und das Land seinen Grundbesitz einfach weiter meistbietend versilbert.
Gut möglich, dass es so kommt, meint Linken-Abgeordnete Katrin Lompscher: die Neue Liegenschaftspolitik stehe „auf der Kippe“. Und auch IHK-Experte Brückmann ist beunruhigt, weil der Stillstand in dieser wichtigen Frage sogar die Vergabe landeseigener Flächen an Gewerbefirmen weit draußen in Marzahn blockiert und Berlins Wirtschaft ausbremst.
Wer die landeseigene Grundstücke bekommt und warum, das soll transparent werden
Was aber fordert der Runde Tisch? Statt Landeseigentum meistbietend zu verkaufen, sollen Liegenschaften im Erbbaurecht vergeben werden, so dass auch Kunst- oder Sozialprojekte mit wenig Geld aber guten Ideen und wichtigen Projekten eine Chance haben. Wettbewerb soll bleiben, aber das beste Konzept soll das Rennen machen und das Landeseigentum zu einem festen Preis erhalten. Um die Auswahl fair und transparent zu machen, soll ein „Rat der Räume“ stellvertretend für die Bürgerschaft das Vergabegremium beraten und sogar mitentscheiden. Außerdem fordert der Runde Tisch ein öffentliches Kataster mit Informationen zu allen Liegenschaften und ein strategisches Management des Grundbesitzes. Das alles bei höchster Transparenz.
Ordentlich mitgemischt bei dem Runden Tisch haben auch der Staatssekretär für Stadtentwicklung, Ephraim Gothe (SPD) sowie der stellvertretende CDU-Fraktionschef Stefan Evers. Gothe unterschrieb die Forderung nicht, um Konflikten mit seiner Funktion als Senatsmitglied vorzubeugen. Evers dagegen schon und sendete deutliche Signale an die Senatsverwaltung für Finanzen: „Stadtentwicklungspolitik ist keine Finanzpolitik“ sagte er, „das geben wir der Finanzverwaltung mit auf den Weg“. Vertreter dieses Hauses hatten sich zwar schon mal an den Runden Tisch gesetzt – dass die Verwaltungsspitze an der Klosterstraße aber bis heute Verfahren zum Verkauf etwa der Alten Münze an den Meistbietenden vorantreibt, ist bekannt.
Strandbars, Clubs, Szenelocations - das bunte Berlin geht verloren
„Das was Berlin ausmacht“, wie Katrin Schmidberger von den Grünen sagte, geht so verloren: Clubs, Strandbars, bunt bespielte Brachen. In fünf, maximal zehn Jahren ist das alles verschwunden, wenn sich die Liegenschaftspolitik nicht ändert, sagte auch Daniela Brahm von „ExRotaprint“, eine der wenigen kulturell in Besitz genommenen Industriebrachen – vermutlich weil sie nicht ganz so zentral gelegen ist. Mitten in der Stadt verkämpft sich dagegen ein anderes Vorzeigeprojekt für die Neue Liegenschaftspolitik. Die Umsetzung des Beschlusses landeseigene Grundstücke an der früheren Blumengroßmarkthalle am Jüdischen Museum an Kreative zu vergeben, stockt. Die Vertragsgestaltung mit der Senatsverwaltung für Finanzen dauert an.
Sehr hoch legte der Liegenschaftsfonds die Hürden nach Auffassung des Runden Tisch auch bei der Vergabe der Lichtenberger Rathausstraße 12. Die frühere Polizeiwache soll an einen neuen Besitzer mit gutem Nutzungskonzept gehen. Aber der Fonds fordert Investitions- und Finanzierungszusagen von Banken. Auch das ist eine Möglichkeit, Initiativen mit guten Ideen aber wenig Geld auszuschließen.