zum Hauptinhalt
Eine Lehrerin begrüßt Schüler in einer Grundschule.
© dpa/Carsten Rehder

Unterricht in Corona-Zeiten: Neustart überfordert Schulen und verwirrt Eltern

Am Montag beginnt in Berlin der Unterricht für Erst-, Fünft- und Siebtklässler – zumindest theoretisch. Normalen Schulbetrieb gibt es zunächst aber nicht.

Der Fünftklässler aus dem Hause Heise hat ab Montag Spätschicht. „Jo, passt“, rief er erfreut, die Schule beginnt für ihn nun fünf Tage lang erst um 10.45 Uhr. Die Aufteilung der Klassen in kleine Gruppen, der „Schichtbetrieb“, gehört an vielen Berliner Grundschulen zum neuen Unterrichtskonzept in der Coronakrise.

Das sollte man nicht als Rückkehr zum „Regelbetrieb“ missverstehen, sagte Landeselternsprecher Norman Heise am Sonntag. „Die Betreuungsprobleme vieler Eltern bestehen weiter.“ Dennoch befürwortet Heise das Konzept der Senatsverwaltung für Bildung, die Schulen für die Erst-, Fünft- und Siebtklässler in dieser Woche wieder zu öffnen.

In den Familien herrscht Verwirrung

Die kurzfristigen und missverständlichen Anweisungen der Bildungsverwaltung an die Schulen lösten aber auch am Wochenende weiterhin Verwirrung aus. Insbesondere auf die Frage, wann genau die Erstklässler, aber auch die siebten Klassen, in den Präsenzunterricht zurückkommen, gab es die unterschiedlichsten Antworten.

[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]

Grund für die Verwirrung bei den Eltern war die Aussage der Bildungsverwaltung vom vergangenen Mittwoch, dass die besagten Jahrgänge „ab Montag“ wieder in die Schulen kommen sollten – woraufhin sich die Familien bereit machten.

Die Schulen hingegen wussten da bereits, dass sie in Eigenverantwortung entscheiden sollen, ob sie am Montag oder erst im Laufe der Woche starten: In rasender Eile tagten Telefonkonferenzen, um zu klären, was möglich wäre. Das Ergebnis wurde dann über alle verfügbaren Kanäle an die Eltern kommuniziert, wobei es angesichts fehlender Deutschkenntnisse mancher Eltern gar nicht so einfach ist, die nötigen Informationen rasch zu transportieren.

Eine Lichtenberger Schule öffnet sich noch nicht für Stufe 7

Für weiteren Unmut sorgte, dass manche Schulen es offenbar nicht so genau nehmen mit der Anweisung der Bildungsverwaltung. Auf der Homepage der Eliteschule des Sports in Lichtenberg, dem „Schul- und Leistungssportzentrum“, ist zu lesen, dass ab Montag zusätzlich die Schüler der Klassenstufen 1, 2 und 5 „begrüßt und ebenfalls nach einem Sonderplan unterrichtet“ werden. Die Klassenstufe 7 fehlte, was Eltern ärgerte, die sich beim Tagesspiegel meldeten.

Das private Canisius-Kolleg hat für seine Siebtklässler den Montag reserviert, aber erst in der nächsten Woche. Und nur für einen Tag. Wie es dann weitergeht, stehe noch nicht fest, erfuhr eine betroffene Schülerin.

Ob die anderen Jahrgänge vor den Sommerferien überhaupt noch mal in die Schule dürfen, ist unklar. An drei oder vier einzelnen Tagen sollen sie Unterricht haben – je nachdem, wie die Schule ihr knappes Personal und die begrenzten Räume organisieren kann.

"Eher ein touristisches als ein schulisches Angebot"

FDP-Bildungsexperte Paul Fresdorf kritisierte am Sonntag scharf, es sei „eher ein touristisches als ein echtes Bildungsangebot“. Die FDP habe „ein 14-tägiges Rotationsprinzip mit Halbklassen und Desinfektion vor der Schule vorgeschlagen, damit die Kinder zwei Wochen am Stück Unterricht erhalten und danach wieder zwei Wochen zu Hause lernen.“

Mit Markierungen soll festgelegt werden, wo die Schüler sitzen. Sie bekommen Unterricht im „Schichtbetrieb“.
Mit Markierungen soll festgelegt werden, wo die Schüler sitzen. Sie bekommen Unterricht im „Schichtbetrieb“.
© Sebastian Gollnow/dpa

Kritik kam auch vom Philologenverband, den vor allem die Entscheidung stört, die siebten Klassen wieder zu unterrichten. Viele Schulen seien damit angesichts der mündlichen Abiturprüfungen und der Klausuren der Oberstufenschüler im dritten Semester überfordert – und das alles unter den weiterhin geltenden Abstandsregeln.

Eine Vielzahl von Regeln muss befolgt werden

Schulräume sollen, wenn möglich, durch eine Tür betreten, durch eine andere Tür verlassen werden, auch viele Treppenhäuser werden zu Einbahnstraßen erklärt. Die Schüler dürfen keine Materialien, Trinkbecher oder Essen austauschen. Markierungen dienen als Hinweise, wo Kinder sitzen sollen.

Eine Maskenpflicht bestehe nicht, sagte Heise, aber viele Schulen würden das Tragen einer Atemmaske in den Fluren und auf dem Schulhof empfehlen.

Viele Ü-60-Lehrer fallen weiterhin aus - auch wegen eines Versäumnisses

Die Schulleiter haben noch ein anderes Problem: Sie können Kollegen, die älter als 60 sind, nicht einplanen. Diese Gruppe, die etwa ein Fünftel bis ein Sechstel der Kollegien ausmacht, hatte die Erlaubnis bekommen, als potenzielle Risikogruppe zu Hause zu bleiben – ein Privileg, das nicht viele haben.

Zwar lobten viele Lehrer und Schulleiter diese Vorgabe der Bildungsverwaltung als „fürsorglich“. Was sie aber nicht einsehen: Über 60-Jährige, die sich fit fühlen und gern in die Schule zu ihren Klassen gehen würden, trauen sich nicht, denn es hält sich das Gerücht, die Krankenversicherung würde nicht zahlen, wenn sich jemand im quasi freiwilligen Einsatz anstecke.

Dieser Befürchtung wurde zwar dem Vernehmen nach von der Bildungsbehörde mündlich widersprochen, aber Schulleiter wollten das gern schriftlich, weil sich die Kollegen nicht auf eine mündliche Aussage verlassen könnten.

Die Bildungsverwaltung teilte dazu auf Anfrage mit, dass es das entsprechende Formular bereits gebe, auch Personalräte gaben an, „es schon gesehen zu haben“. Der Haken: Es lag den Schulleitern auch am Wochenende noch nichts schriftlich vor. Offenbar sei es mal wieder „auf dem Mitzeichnungsweg stecken geblieben“, mutmaßte ein erfahrener Schulleiter.

Zur Startseite