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Internet: Neues 3D-Berlin wartet auf Bewohner

Berlin ist im Internet nachgebaut worden. Ähnlich wie bei der virtuellen Welt von Second Life können die Bewohner dort einziehen, Shopping-Meilen oder Galerien abgrasen. Eins gibt es bei Twinity allerdings nicht: ein Rotlicht-Viertel.

„Ich stehe zum meinem Äußeren. Das können Sie ja an meinen grauen Haaren sehen“, antwortete der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, als er gefragt wurde, ob er in der neuen Berliner Internetwelt Twinity nicht lieber jünger aussehen möchte als im realen Leben. „Das ist ja gerade das Schöne an einer solchen Welt, dass jeder für sich entscheiden kann, ob er nun Botox benutzen will oder nicht“, sagte Wowereit, bevor er am Freitag im Cinestar-Kino am Potsdamer Platz den roten Knopf für die 3D-Hauptstadt drückte: „Berlin lebt von Innovationen, und mit Twinity können nun Menschen aus aller Welt die Metropole im Internet erleben.“

In zwei Jahren Entwicklungszeit hat die Berliner Kreativschmiede Metaversum die Online-Welt erschaffen. Ähnlichkeiten zu Second Life sind unvermeidbar, und doch unterscheidet sich Twinity entscheidend von seinen Vorläufern. So lebensecht war zuvor noch keine Stadt abgebildet worden. „Bei uns gibt es keine Fantasiewesen, in Twinity werden reale Menschen in realen Gebäuden virtuell dargestellt“, sagte Metaversum-Chef Jochen Hummel. Jedes Haus befindet sich online genau an der Stelle, an der es auch im realen Leben steht. Damit die Menschen ihrem realen Vorbild so ähnlich wie möglich sehen, lädt man bei der Schaffung seines Stellvertreters, des Avatar, ein digitales Fotos von sich auf den Server. Danach kann man Berlin mit Tastatur und Maus durchstreifen, sich in Clubs und Kinos unterhalten lassen oder durch Modegeschäfte oder Galerien bummeln. Und das Magazin „Zitty“ informiert über das kulturelle Leben. Eins gibt es allerdings nicht: ein Rotlicht-Viertel. Zudem heißt es generell „Zutritt erst ab 18 Jahren“.

Seit Freitag befindet sich das virtuelle Berlin in der offenen Beta-Phase. Anders gesagt: Noch ist alles sehr vorläufig und das Programm kann schon mal abstürzen. Das Interesse an Twinity ist dennoch groß. Schon jetzt haben sich 10 000 digitale Neuberliner registriert. Die 3D-Welt umfasst nun Berlins Mitte vom Brandenburger Tor bis zum Hackeschen Markt und dem Alexanderplatz. Im Roten Rathaus wurde Wowereit gestern von Metaversum-Mitgründer Mirko Caspar auch virtuell begrüßt. Mit roter Krawatte zum weißen Hemd und dem dunkelblauen Anzug konnte man ihn glatt mit dem Regierenden verwechseln, wären da nicht die grauen Haare.

Trotz aller Ähnlichkeiten gilt der Spruch „Berlin bleibt doch Berlin“ nur teilweise. Der sonst so stilprägende Berliner Schick weicht in Twinity dem korrekten Businessanzug. Bei den Frauen dominiert der adrette Rock das Straßenbild. Statt Handtasche wedeln jede Menge Einkaufstüten über den Hackeschen Markt. Denn Twinity ist ein kommerzielles Produkt und keine Spielwiese für Computernerds. Hinter Metaversum, die Twinity in Berlin und Kiew entwickelte, stehen zwei Investorengruppen. Damit das Geld wieder reinkommt, müssen die „Globals“, so heißt die Währung in Twinity, rollen. Der Eintritt selbst ist zwar kostenlos, doch bereits die Premium-Mitgliedschaft kostet rund zehn Euro. Wer ein Gebäude oder eine Wohnung kaufen oder mieten möchte, muss ebenfalls zahlen, genauso wie für Werbeplakate und Litfaßsäulen. Zudem kassiert Metaversum von den Geschäften in Twinity „eine kleine Provision“.

Doch nicht alles ist schnöder Kommerz. „Twinity ist auch eine Chance für die bürgernahe Verwaltung“, sagt Wowereit. Steigt man im virtuellen Roten Rathaus die Stufen der großen Treppe hoch, gelangt man zum Internet-Gästebuch, zu verschiedenen Infosäulen unter anderem zum Mauerbau und kann überdies die bereits im Internet vorhandenen Dienstleistungen der Verwaltung abrufen. Oder man stöbert im offiziellen Gästebuch mit dem Eintrag von Barack Obama – für den graue Haare ebenfalls kein Problem sind, wenn auch aus anderem Grund.

Mehr im Internet unter www.twinity.de

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