Zukunftspakt in der Diskussion: Neuer Stadtrat - nur als "Sahnehäubchen"
Berlins Ämter und Rathäuser müssen moderner werden - aber wie? Die Senatskanzlei schlägt 26 Projekte vor, über die ein Kongress am Donnerstag debattierte.
Staatssekretär Frank Nägele, in der Senatskanzlei zuständig für die Reform der Berliner Verwaltung, hat ein sonniges Gemüt, das er in dieser Position gut brauchen kann. Nach einem Kongress für einen "Zukunftspakt Verwaltung" versprach er am Donnerstag, den Reformprozess "mit Spaß, Humor und unendlicher Energie" weiterzutreiben. Grundlage der Diskussion ist ein dickes Papier, in dem 26 Projekte vorgeschlagen werden.
Zu den griffigeren Ideen gehört die personelle Verstärkung der Bezirksämter. Die Zahl der Stadträte (inklusive Bürgermeister) soll in der nächsten Wahlperiode von fünf auf sechs erweitert werden. "Für die Erfüllung der zusätzlichen Aufgaben der wachsenden Stadt ist das unverzichtbar", steht im Entwurf des Zukunftspaktes, der im Mai vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und den zwölf Bezirksbürgermeistern feierlich unterschrieben werden soll. Außerdem wird erwogen, die Geschäftsbereiche der Bezirksämter, die oft wildwüchsig organisiert sind, einheitlich zuzuschneiden. Das soll auch die Zusammenarbeit mit den Fachbehörden der Senatsverwaltung verbessern.
Die Stellung der Bezirksbürgermeister soll aufgewertet werden, indem ihnen die strategisch wichtigen Aufgabengebiete Personal und Finanzen gesetzlich zugeordnet werden. Stärkere Instrumente sind nicht vorgesehen. Denn eine Direktwahl der Bürgermeister, die Einführung einer Richtlinienkompetenz, eines Weisungs- und Eingriffsrechts bedürften einer Änderung der Berliner Verfassung. Zweieinhalb Jahre vor der nächsten Wahl sei die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus nicht mehr herstellbar, sagte Nägele am Donnerstagabend.
Deswegen ist auch die Einführung eines "politischen Bezirksamts", also die Wahl der Stadträte durch Koalitionsmehrheiten in den Bezirksverordnetenversammlungen, auf absehbare Zeit kein Thema. Obwohl der SPD-Landesparteitag am 30. März die Einführung des "politischen Bezirksamts" überraschend gefordert hat.
Ein zusätzlicher Stadtrat nur als "Sahnehäubchen"
Die Ergebnisse des Kongresses, an dem die meisten Bezirksbürgermeister und Stadträte, viele Senatsmitglieder und Staatssekretäre, Personalvertreter und andere Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes teilnahmen, fasste der Staatssekretär so zusammen: "Von den 26 Reformprojekten sind 25 im Kern unstrittig". Ob es gelinge, die Geschäftsbereiche (Abteilungen) in den Bezirksämtern zu vereinheitlichen, sei noch offen. Bedenken gibt es vor allen seitens der Linken.
Der Pankower Bürgermeister Sören Benn (Linke) ergänzte, dass auch der Vorschlag, jedem Bezirk einen Stadtrat zusätzlich zu genehmigen, "noch nicht ausdiskutiert ist". Ein weiterer Stadtrat sei eher "das Sahnehäubchen", wenn die Reform der Bezirksstrukturen ansonsten unter Dach und Fach sei. Mit dieser Einschätzung waren auch die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne) und Nägele einverstanden.
Für Herrmann ist das wesentliche Thema die bessere Kooperation zwischen Bezirks- und Senatsbehörden, "ohne jedesmal viele Schleifen zu drehen". Und den Bürgern müssten verbindliche Leistungsversprechen gegeben werden. Zum Beispiel: Termin im Standesamt binnen zwei Wochen. Ihr ist außerdem besonders wichtig, die Arbeit der Ordnungsämter neu zu ordnen und deren personelle Ausstattung zu verbessern.
Apropos Personal: Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) wies auf dem Kongress vehement Gerüchte zurück, dass der Senat die Pläne für mehr Stellen in den Bezirken zurückfahren wolle. Es werde "keine Abstriche beim Personalaufwuchs" geben, versprach er. Weil solche Vermutungen kursierten, seien zu Beginn des Kongresses "dunkle Wolken aufgezogen", räumte Staatssekretär Nägele ein.
Nach einer bestimmten Frist tritt die Genehmigung in Kraft - automatisch
Weitere Ideen des Nägele-Teams: Eine wissenschaftliche Beratung der öffentlichen Verwaltung durch ein "CityLab Berlin", die Bündelung kommunaler Dienstleistungen durch "Shared Services", oder eine "behördliche Genehmigungsfiktion". Was nichts anderes bedeutet, als wenn die Genehmigung von Bauplanungs- und -genehmigungsverfahren nach einer bestimmten Frist automatisch in Kraft tritt.
Der Abbau von Doppelzuständigkeiten ist ein weiteres Thema, ebenso die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst, die Beschleunigung von Stellenbesetzungen, flexiblere Beförderungsmöglichkeiten oder attraktivere Gehaltsstrukturen. Der Zukunftspakt liefert auch ein Bekenntnis zur besseren Anbindung der Behörden an das Breitbandnetz und eine Digitalisierung der Verwaltung, die diesen Namen auch verdient.
Vier Bezirke gelten als Vorreiter
Als Vorreiter der Reform gelten auf bezirklicher Ebene Friedrichshain-Kreuzberg, Spandau, Reinickendorf und Pankow. Die meiste Zustimmung in den Koalitionsfraktionen zu dem Zukunftspakt-Entwurf gibt es offenbar bei den Linken, aber auch die Oppositionspartei FDP bekundet Sympathien. Es gehe darum, gegenseitige Schuldzuweisungen endlich zu beenden und stattdessen gemeinsam die Reform anzupacken, sagte Bezirksbürgermeister Benn.
Lesen Sie mehr im Tagesspiegel
- Friedrichshain-Kreuzberg, Spandau, Reinickendorf und Pankow? Auch aus diesen Bezirken können Sie gern mehr lesen - in unseren Bezirksnewslettern vom Tagesspiegel. Hier unkompliziert bestellen: leute.tagesspiegel.de
- Politische Koalitionen nicht nur im Senat, sondern auch in den Bezirksämtern: Dafür hat die FDP 2017 einen neuen Anlauf gestartet. Rot-Rot-Grün war damals nicht abgeneigt. Hier der Tagesspiegel-Text.
- Familie und Bezirkspolitik? Wie schaffen die das? Die Bezirksverordneten sind Hobby-Politiker in ihrer Freizeit und üben ihr politisches Amt im Nebenberuf auf. Hier im Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel erzählen Sie, wie sie das nebenbei schaffen. Einer sagt: "Ich muss morgens um 6 Uhr raus, ich bin Polizist, da gucken mich die Leute irritiert an: Wie? Sie arbeiten noch neben der Politik? Nein, es ist andersrum. Ich mache Politik neben meiner Arbeit." Die Geschichten finden Sie hier.