Das Milliardengrab BER: Neuer Flughafen könnte sogar acht Milliarden kosten
Am Dienstag taten es Politiker noch als Aprilscherz ab. Aber tatsächlich decken sich neue Enthüllungen über den Flughafen mit dem Protest-Brief eines hochrangigen BER-Mitarbeiters. Der hatte das Chaos auf der Baustelle beklagt und wurde jetzt von Flughafenchef Mehdorn gefeuert.
Der neue Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld soll noch teurer werden als bisher behauptet. Wie die Bild-Zeitung unter Berufung auf hochrangige Fachleute in der brandenburgischen Landesregierung und der Flughafengesellschaft berichtet wird der BER mindestens 8 Milliarden Euro kosten. Wie berichtet, belaufen sich die aktuellen Kosten bislang auf 4,6 Milliarden Euro. Ursprünglich sollte der Flughafen rund 2 Milliarden Euro kosten. Bereits jetzt gehen Beobachter davon aus, dass es wohl mehr als 5 Milliarden Euro werden.
Flughafensprecher Ralf Kunkel widersprach: „Der Bericht ist eine Ansammlung von Mutmaßungen und Unterstellungen, die nichts mit der Realität zu tun haben.“ Vize-Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider bemerkte: „Ich würde sagen: Aprilscherz.“ Die Bild-Zeitung stellte jedoch noch am gestrigen Dienstag klar, dass es sich keineswegs um einen Aprilscherz handelt. Denn tatsächlich hat Bretschneider, der Flughafenstaatssekretär in der Potsdamer Staatskanzlei ist, den Bericht auch nicht dementiert. Vielmehr sagte er der Nachrichtenagentur dpa lediglich: „In den Aufsichtsratsunterlagen stehen nirgendwo solche Zahlen.“ Er kenne aber auch nicht jedes interne Papier der Flughafengesellschaft.
Ein aussagekräftiger Kosten- und Terminplan soll her
Der Bund als Anteilseigener am BER zumindest nimmt den Bericht sehr ernst. Das Bundesverkehrsministerium ist zunehmend genervt von immer neuen Hiobsbotschaften aus Schönefeld. Jetzt fordert das Ministerium laut „Bild“ von Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn einen aussagekräftigen Kosten- und Terminplan sowie eine vollständige Mängelliste. Der „Bild“-Bericht deckt sich mit den Aussagen des Leiters des Bereichs „Real Estate Management“ beim BER, Harald Siegle.
Der hatte in der vergangenen Woche zwei Briefe an Aufsichtsratsmitglieder der Flughafengesellschaft und an Mehdorn geschrieben, aus denen die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert hatte und über die die PNN berichteten. Demnach ist eine Inbetriebnahme des Flughafens 2016 „akut gefährdet“. Folglich ist eine Eröffnung wohl erst 2017 möglich. Siegle lastet die Probleme vor allem Hartmut Mehdorn an. Es fehle eine klare Planung, das Handeln der Geschäftsführung sei von operativem Aktionismus und Beratungsresistenz geprägt. Es fehlten eine zentrale professionelle Terminsteuerung sowie eine „endgültige funktions- und genehmigungsfähige Ausführungsplanung“. Die Entscheidungsfindung beruhe offenbar auf Bauchgefühl und sei sprunghaft. Fehlentscheidungen würden nicht revidiert, sondern als Beleg von Führungsstärke bis zum Ende durchgesetzt.
Mehdorn kündigt seinem Kritiker Siegle
Am gestrigen Dienstag hat Mehdorn Siegle fristlos gekündigt – wie er zuvor auch schon Ex-Technikchef Horst Amann degradiert hatte, der erst den Zustand auf der Baustelle umfassend dokumentieren und dann loslegen wollte. Mehdorns Art ist das nicht, mit Widerspruch kann er – das ist kein Geheimnis – auch schlecht umgehen. In einem Mitarbeiterbrief vom Dienstag legte Mehdorn Siegle nun Indiskretionen zur Last.
Siegles Abteilung ist für die Vermarktung der Immobilien am Flughafen zuständig. Pikant dabei ist, dass Siegle in dem Schreiben die Aufsichtsräte darauf hinweist, dass Mehdorn den Bereich kurzfristig auflösen und aufteilen wolle. Dies gefährde „eine betriebssichere und rechtzeitige Inbetriebnahme.“ Denn die Abteilung ist laut „Bild“ auch zuständig für die Bau- und Kostenkontrolleure am BER und macht es erst möglich, sich einen Überblick über die Mängel am BER zu bekommen. Siegles Abteilung hat auch die Liste mit den bekannten 66 000 Mängeln erstellt. Eine komplette Übersicht fehlt – zwei Jahre nach der geplatzten Eröffnung im Jahr 2012 – bis heute.
Mit der Auflösung der Abteilung wäre Mehdorn auch die Last los, sich für immer neue Hiobsbotschaften rechtfertigen zu müssen. Laut „Bild“ hat Mehdorn bereits vor knapp drei Wochen den Bund, Berlin und Brandenburg informiert, dass er das Bau-Controlling auflösen will. Stattdessen soll die Fehlersuche auf die einzelnen Bereiche am BER übertragen werden. Jene, die Fehler machen oder sie nicht bemerken, sollen sich selbst kontrollieren, sagte ein Insider der „Bild“. Und die 66 000 Mängel waren wohl erst der Anfang. Laut „Bild“ fanden interne und externe Prüfer „waschkörbeweise unsortierte, ungenaue oder manipulierte Unterlagen oder Dateien zur Bauausführung“.
Wöchentlich sollen neue, unsortierte Unterlagen gefunden werden. Das deckt sich mit Siegles Aussagen. Demnach herrscht am BER Kompetenzwirrwarr. Die Firmen würden meist ohne Pläne gleichzeitig auf- und rückbauen, wenn überhaupt etwas gebaut werde. Bauarbeiten würden ausgeführt, obwohl es keine ausreichende Planungsgrundlage gebe. Die Pläne sind unvollständig, Änderungen teilweise nicht vermerkt. Es herrsche eine einseitige Orientierung auf eine wie auch immer geartete Fertigstellung ohne Rücksicht auf Planung, Dokumentation und den künftigen Betrieb des Flughafens.
Basisdaten zur Kostenkalkulation fehlen
Laut „Bild“ wiederum liegt seit Monaten ein Konzept auf Eis, um überhaupt einmal den Stand der Planausführung zu erfassen. Es gebe keine finale Dokumentation. Nur: Wenn es schon an den Grundlagen beim Bau fehlt, wie soll Mehdorn dann die Kosten abschätzen? Nach internen Angaben aus dem Wirtschaftsministerium geht Brandenburg „Bild“ zufolge davon aus, dass die Kosten auf über acht Milliarden. Euro steigen können.
Am Donnerstag wird sich wohl auch der Finanzausschuss des Aufsichtsrats mit den Zahlen befassen, der Aufsichtsrat trifft sich am 11. April. Am heutigen Mittwoch wird Flughafenchef Hartmut Mehdorn im Bauausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses erwartet. Am gestrigen Dienstag äußerte er sich wie üblich zu den Enthüllungen: Der Neubau solle so schnell wie möglich ans Netz. 400 Leute arbeiteten auf der Baustelle. „Wir haben den BER im Griff.“(mit dpa)