Ideen für den Hansaplatz: Neue Wege und ein Glasdach
Architekt Steffen Brodt will den Hansaplatz behutsam umgestalten. Dabei orientiert er sich nicht an ästhetischen Prinzipien, sondern an den Nutzungsgewohnheiten der Anwohner und Passanten.
Mangelnden Respekt vor der Berliner Baugeschichte kann man Steffen Brodt vom Büro „plan.b“ nicht vorwerfen. Der Landschaftsarchitekt schätzt die städtebauliche und architektonische Qualität des Hansaplatzes. Und doch sagt er: „Der Platz wird nicht als solcher erkannt.“ Behutsam würde er deshalb das Ensemble aufwerten, das bei der ersten Internationalen Bauausstellung in Berlin (Interbau 57) als Teil einer Mustersiedlung der klassischen Moderne entstand. Die Beliebtheit der Wohnlage zeige ja, dass die „offene Bauweise“ bis heute funktioniere – allen städtebaulichen Moden zum Trotz. Brodt führt das auf die vielfältigen Blickachsen zurück, die nicht einmal durch die Wohnhäuser verstellt sind: Diese stehen größtenteils auf Stelzen, damit der Blick ins Grüne frei bleibt. Dennoch seien behutsame Korrekturen erforderlich, die Brodt mit dem Verhalten der Passanten und Nutzer begründet und nicht etwa mit ästhetischen Vorlieben.
Beispiel historischer Rundweg: Dieser verbindet die vier von den großen Verkehrsachsen versprengten Teile des Platzes miteinander, wird aber heute kaum noch genutzt. Denn der Weg ist bisher nichts als eine dekorative Idee. Er führt nicht zu Fußgängerampeln an der Kreuzung der viel befahrenen Straßen, sondern mitten rein in den Verkehr. Und dort ist ein Überqueren der Fahrbahn riskant. So weit, dort einen Zebrastreifen anzulegen, geht Brodts Büro nicht. Aber das Team macht durch den Einsatz eines anderen Bodenbelags auf dem Bürgersteig sichtbar, wo der Rundweg entlangführt, nämlich bis zum U-Bahn-Vorplatz im Norden, zur Kirche im Süden und zu den Wohnblöcken in Ost und West. Dieser Eingriff, sagt Brodt, verstärke auch die Kraft des Denkmals. Der Rundweg sei sonst vor allem für Baugeschichtler sichtbar.
Einfühlsam ist auch der Eingriff an dem am meisten genutzten Teil des Hansaplatzes: am Zugang zum U-Bahnhof, wo Läden in einem halben Dutzend Flachbauten durch ein gemeinsames Dach zu einer Einheit verbunden werden. Das Dach allerdings ist aus dunklem Holz, darunter ist es finster, und sogar tagsüber kämpfen Flutlichstrahler gegen die düstere Atmosphäre unter der tief hängenden Decke an. Der Eindruck täuscht nicht: Hier gibt es schmutzige Ecken. Die vielleicht radikalste Idee des Landschaftsplaners: „Auch wenn die Denkmalschützer jetzt aufschreien: Man sollte das Holz- durch ein Glasdach ersetzen.“ Das Baudenkmal, findet Brodt, würde unter dem Eingriff nicht leiden, denn das Band, das die Flachbauten verbindet, bliebe erhalten, die Funktion – der Schutz vor der Witterung – natürlich ebenso. Mehr Licht bedeute auch: Die Besucher des Zentrums könnten sich sicherer fühlen. Den Bodenbelag auf dem Hansaplatz würden die Planer gern erneuern. Die alten Platten sind zum Teil verschoben und gerissen – seit mehr als 50 Jahren wurde hier nichts geändert.
Ein wichtiger Eingriff, den die Planung des Büros vorsieht, ist ein neuer Weg, der Geschäfte und U-Bahnhof-Ausgang mit der Ampelkreuzung verbindet. Bisher liegt dort Rasen. Und dass dort Bedarf an einem Weg besteht, zeigt die Tatsache, dass auf der Wiese ein richtiger Trampelpfad entstanden ist. Denn schließlich, sagt Brodt, verlaufe dort der direkte, der „natürliche“ Weg zur Ampel. Also sollte man diesen lieber gleich durch Bodenplatten markieren.
Um genau diesen, aus Sicht der Planer zentralen Teil des Platzes zu beleben, schlägt Steffen Brodt vor, den dort regelmäßig stattfindenden Biomarkt vom Vorplatz der Kirche zu den Geschäften zu verlegen. Außerdem sollten die Fahrradständer vor den Flachbauten an den Rand des Ensembles wandern – zugunsten des Entrees der Ladenzeile. Der kleine, immer überfüllte Parkplatz vor dem Zentrum müsste von der Vorder- auf die Rückseite der Flachbauten verlegt werden, denn dort liegt ein noch ungenutzter Teil des Grundstückes. Und schließlich müsste noch ein ziemlich vernachlässigtes Stück Restaurantterrasse durch Grün ersetzt werden. Fertig ist das kleine Facelift für den Hansaplatz.
Früher Blockrand, heute Nachkriegsmoderne
Seinen Namen trägt das Hansaviertel seit 1874. Weil der Hamburger Bahnhof in der Nähe stand und die Spree dort fließt, die Berlin via Elbe mit Hamburg verbindet. Und weil eine Immobiliengesellschaft aus Hamburg das Quartier erstmals entwickelte. Die Verbindung zwischen Hamburg und Berlin soll bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen – durch die im Hansa-Bund formierten Kaufleute. Das im 19. Jahrhundert entwickelte Quartier wies die für die Gründerzeit typischen Merkmale auf: Entlang der Straßenkanten reihten sich viergeschossige Wohn- und Geschäftshäuser, maximal 22 Meter hoch (Traufhöhe) zu sogenannten Blockrändern. Im Krieg wurde das Quartier zerstört, neu aufgebaut erst während der „Interbau 57“ unter Beteiligung von 53 Architekten aus 13 Ländern und nach Gestaltungsprinzipien der Nachkriegsmoderne. Der Hansaplatz bildete das Geschäftszentrum: In niedrigen Flachbauten waren Läden, Restaurants, Kino, Bibliothek und U-Bahnhof untergebracht. Südlich des Hansaplatzes prägen acht- bis zehngeschossige Hochhäuser das Quartier. Die freistehenden Gebäude und die offenen Räume zwischen ihnen, die das Wohngebiet fließend in den Tiergarten übergehen lassen, wollten bewusst mit der Tradition der Blockrandbebauung brechen.
Das Planungsteam: Viele Regeln, eine Herausforderung
Steffen Brodt, Leiter von „plan.b“ entwickelte mit seinem Team – Sylvia Martin und Liu Qin Zi – die Ideen für den Hansaplatz. „Es war eine Herausforderung, alle Vorstellungen von Anwohnern, Bürgerverein und Denkmalschutz unter einen Hut zu bekommen“, sagt Brodt. Wie groß das Areal ist, hatte er früher nie wahrgenommen. „Für mich war der Hansaplatz immer nur das Ladenviertel.“ Gestalterisch war das Projekt eine harte Nuss. Denn es gibt klare denkmalschützerische Auflagen.
2008 gründete Steffen Brodt sein Büro. Zu den wichtigen Projekten zählen die Anlage des Parks „Havelwiesen“ in Spandau, die Grünanlage am Leipziger Platz und die Renaturierung von Brachen wie Tiefwerder in Spandau. Die Pflanzung von 500 Spree-Eichen im Regierungsviertel erfolgte unter Federführung von „plan.b“.
plan.b, Alt-Heiligensee 62, 13503 Berlin. plan@b-berlin.eu, www.planb-berlin.eu
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