Henkel mit "großer Sorge" erfüllt: Neonazis randalieren in drei Bezirken
Die rechtsextremen Angriffe häufen sich: Zwei Parteibüros, ein Jugendklub und ein Flüchtlingsheim sind betroffen. Ein Treffpunkt der Falken, ein SPD-naher Jugendverband, wird nun Nachts durchgehend bewacht, bis ein neuer Sicherheitszaun fertig ist. Zu welchem rechten Netzwerk die Täter gehören, ist zwar noch unklar - es gibt aber bereits Hinweise.
Wieder haben sie nachts zugeschlagen, wieder traf es einen Jugendklub, Parteibüros und diesmal auch Bewohner eines Flüchtlingsheimes. In der Nacht zu Dienstag beschmierten Rechtsextreme in Britz das Anton-Schmaus-Haus mit Hakenkreuzen und Morddrohungen. In Tegel wurden die Scheiben eines Büros der Linken zerstört und rechtsradikale Parolen hinterlassen. Die mutmaßlich selben Täter griffen auch ein SPD-Büro in Spandau an. Außerdem wurde ein Briefkasten einer Nachbarschaftshilfe in Treptow aufgebrochen, wobei die Polizei hier einen rechtsextremen Hintergrund bezweifelt.
Ebenfalls in der Nacht zu Dienstag wurde das Flüchtlingsheim in Waßmannsdorf bei Schönefeld (Dahme-Spreewald) angegriffen, ein Steinwurf zerstörte ein Fenster. Der Stein landete im Zimmer einer schlafenden Bewohnerin, ein Farbbehälter verfehlte knapp den Kopf einer Afghanin. Sie sei mit dem Schrecken davon gekommen, hieß es.
Die Täter sprühten ein Hakenkreuz und den Spruch „Rostock ist überall“ an die Wand, womit die 1992 weltweit bekannt gewordenen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen gemeint sein dürften.
Innensenator Frank Henkel (CDU) hat noch am Dienstag Reaktionen angekündigt. „Die jüngste Häufung solcher feigen Taten erfüllt mich mit großer Sorge“, sagte Henkel dem Tagesspiegel. „Es liegt nahe, dass es sich hier um Einschüchterungsversuche aus dem rechtsextremen Spektrum handelt. Das dürfen wir uns als Demokraten nicht bieten lassen.“
Nach der Serie von rechten Angriffen in Berlin und Brandenburg prüfen die Sicherheitsbehörden jetzt einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Vorfällen. „Wir stehen in engem Kontakt mit der Brandenburger Polizei“, sagte ein Berliner Polizeisprecher am Mittwoch. Eine Sprecherin der Cottbuser Polizei bestätigte, dass ein Zusammenhang zwischen den Taten in beiden Ländern geprüft werde.
Immer wieder hatten Neonazis junge Besucher des Anton-Schmaus-Hauses angegriffen und Wände in Britz mit rechtsextremen Parolen überzogen. Das Haus ist als Zentrum der Falken, eines SPD-nahen Jugendverbandes, im Visier rechter Cliquen. 2011 wurde dort innerhalb von fünf Monaten zweimal Feuer gelegt – der am Dienstagmorgen an eine Wand gesprühte Spruch „Ihr interessiert uns brennend“ ist daher keine leere Drohung.
Nach zwei Brandstiftungen hatte die Versicherung den Falken gekündigt. „Die Nazis wissen das, wir stehen unter enormem Druck“, sagt die Leiterin Mirjam Blumenthal. Sie lässt derzeit einen Zaun ums Haus errichten – noch steht er nicht. Alle zwei Stunden kommt eine Polizeistreife vorbei. Hat die Patrouille ihren Besuch abgestattet, haben Angreifer mehr als 90 Minuten Zeit, unbeobachtet loszulegen: Am Dienstag sind auch auf dem Weg zum Jugendtreff großflächig Nazisymbole angebracht worden.
Die Falken befürchten, dass Neonazis versuchen könnten, die Zeit bis zum Fertigstellen des Zaunes für einen Anschlag zu nutzen. Die Falken hatten Henkel gefragt, ob eine Streife nachts ständig da sein könne. Dem Tagesspiegel sagte er jetzt: „Ich habe nun angeordnet, dass es während der gesamten Nachtstunden einen Objektschutz vor Ort gibt, bis ein neuer Sicherheitszaun fertiggestellt ist.“ Das soll ab diesem Mittwoch gelten.
Auffällig ist, dass an den Tatorten die Adresse der Neonazi-Seite „NW-Berlin.net“ hinterlassen wurde. Das nährt den Verdacht, dass die Täter zum Netzwerk um die Homepage des „Nationalen Widerstand Berlins“ gehören. Dort wird eine „Feindesliste“ mit Namen von Politikern, Antifa-Aktivisten und Journalisten geführt.
Der Verweis auf die Seite taucht vor allem in Neukölln, Treptow und dem angrenzenden Umland auf. Wie berichtet, hatten Neonazis in Schöneweide mehrfach Büros und Privatwohnungen von Mitgliedern der SPD und der Linken angegriffen. In Jugendklubs in Beeskow und Fürstenwalde waren Scheiben eingeschlagen und die Internetadresse an Wände gesprüht worden. Am Sonntag gab es einen Anschlag auf das Haus des Sprechers der Initiative „Zossen zeigt Gesicht“. „Dass die Nazis hier ihre hässliche Fratze zeigen, ist erschreckend“, sagte Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke). (mit dapd)