Neue Berliner Messe sucht die Stadt der Zukunft: Nahverkehr mit Seilbahn statt Schnellstraße
Seit Mittwoch sucht die Messe "Metropolitan Solutions" nach Ideen für die Stadt der Zukunft. Die reichen von Sensoren zum Zählen von Menschenmassen bishin zu digitaler Nachbarschaftshilfe für Berliner Kieze. Vier Teilnehmer erzählen uns von ihren Projekten.
In Berlin findet derzeit erstmals die neue Messe „Metropolitan Solutions“ im City Cube im Westend statt. In Ständen und Konferenzen wird dort nach Lösungen für die Stadt von morgen gesucht. Stadtplaner, Technologiekonzerne und Startups tauschen sich dort darüber aus, wie Berlin und andere Metropolen zu "vernetzten Städten" gemacht werden können. Vorschläge reichen von Systemen, die freie Parkplätze melden, über Luftmessstationen bishin zu neuen Mobilitätskonzepten. Wir haben uns mit vier Teilnehmern der Messe unterhalten.
Robert Andres, Marketing-Chef von „Eurotech“
Wie viele der Firmen, die sich auf der Metropolitan Solutions tummeln, hat die Firma von Robert Andres das Ziel, Städte in „Smart Cities“ umzuwandeln. Das bedeutet zum Beispiel, durch in Gebäuden oder Lampen verbaute Sensoren oder Computerprogramme das Alltagsleben der Städter zu vereinfachen. Das klingt erst einmal abstrakt, aber Andres hat anschauliche Beispiele. Da wäre beispielsweise ein Sensor, den Eurotech herstellt, mit dem schnell Leute gezählt werden können. Bringt man diesen oben in einem Türrahmen an, misst er, wie viele Leute den Raum betreten. Gerade bei Großveranstaltungen wie Fußballspielen oder Konzerten werden Besucher bislang meist gezählt oder geschätzt, oft zum Leid der Brandschutzbeauftragten oder den Wartenden am Einlass. Mit dem Sensor und der zugehörigen Software fällt diese Arbeit weg. "Bei dieser Technik werden die Personen nicht identifiziert", so Andres, zum Vorteil von Datenschutz der Einzelnen.
Ein anderes System, das Eurtech mit entwickelt hat, kann an Straßenlaternen oder an Bussen angebracht werden. Dann vermisst es kontinuierlich die Luftqualität. Frühzeitige Warnungen bei starkem Ansteieg von CO² oder Feinstaubbelastung könnten Behörden und Städtern helfen, darauf zu reagieren.
Raoul Bunschoten, Professor für nachhaltige Stadtentwicklung und Städtebau an der TU Berlin
Professor Raoul Bunschoten sieht vor allem ein gravierendes Problem bei der Planung der Stadt von morgen: All die verschiedenen Firmen, Verwalter und Bewohner, die von Stadtplanung betroffen sind, reden oft wenig miteinander. Er hat deshalb ein Spiel entwickelt. Bei dieser Methode müssen sich, wie das bei Spielen so ist, alle Beteiligten „an einen Tisch setzen“. Auf Spielkarten werden aktuelle Probleme oder Projekte der Beteiligten eingetragen, dann spielen sie nach bestimmten Regeln miteinander.
So wurden zum Beispiel Chefplaner von der Berliner Stadtreinigung, den Wasserbetrieben, der BVG und Vattenfall an einen Tisch gerufen, gemeinsam mit anderen Experten. Heraus kamen ungewöhnliche Zukunftsvorschläge: Beispielsweise brauchen all diese Firmen Platz, um ihre Fahrzeugflotte abzustellen. Wäre nicht ein Betriebshof denkbar, auf dem der Müll unterirdisch sortiert wird, oberirdisch aber Fahrzeuge eines anderen Versorgers abgestellt werden können? Oder könnte nicht der ungeliebte Hundekot so eingesammelt werden, dass er zur Energiegewinnung benutzt werden könnte?
Bunschoten geht es vor allem darum, die Stadtplanung „bewusster“ zu gestalten, sodass alle besser zusammenleben können. "Unter Smart Cities stellen sich die Leute zu oft einfache technische Lösungen vor", argumentiert er. Letztlich sollten neue Technologien seiner Meinung nach aber auch dazu genutzt werden, Bürger selbst handlungsfähiger zu machen. Denn Technik allein, so der Architekt, kann Probleme wie Umweltverschmutzung in der Stadt nicht lösen.
Hannes Tränkle, Praktikant bei Wirnachbarn.com
Manchmal kann Hilfe so nahe sein und doch unerreichbar. Der Nachbar im Hinterhof mag genau die zwei Schraubenzieher haben, die gerade fehlen, um mein Bett zu reparieren. Er weiß aber nichts von meiner Not. Das Kreuzberger Startup Wirnachbarn.com will der Nachbarschaftshilfe per Webseite einen zweiten Frühling bescheren. Jeder kann eintragen, in welchem Kiez er wohnt, und persönliche Probleme oder Vorschläge in der lokalen Gruppe veröffentlichen. Hannes Tränkle ist Praktikant bei der Firma, die 3700 Nutzer in Berlin hat. Er kann eine Erfolgsgeschichte erzählen: Sein Fahrrad hatte zwei Platten, er selbst hat nie gelernt, sie zu reparieren. Auf seinen Post hin meldete sich erst ein Nachbar, der den günstigsten Fahrradladen der Gegend vorschlug. Wenig später schrieb ein anderer: „Wenn du bis Sonntag warten kannst, flicke ich dir beide Reifen, im Austausch gegen eine Pizza.“ Problem gelöst, einen neuen Nachbarn kennengelernt.
Katharina Bernard, Business Developer bei Doppelmayr
Die Ski-Lift-Gondel, in der Katharina Bernard sitzt, wirkt seltsam deplatziert hier in der Messehalle in Westend. Wenn es nach ihr geht, soll sich das bald ändern. „Wir wollen die Seilbahnen vom Berg holen und als Transportsysteme in die Stadt bringen“, sagt die Österreicherin. Ihre Zuversicht steht auf solidem Fundament. In der bolivianischen Hauptsstadt La Paz hat die Firma aus dem Vorarlberg im vergangenen Jahr das längste urbane Seilbahnsystem der Welt eröffnet.
Mit zehn Kilometern Länge verbinden nun drei Linien La Paz mit seiner höher liegenden Schwesterstadt El Alto. Dort lebt zumeist die ärmere Bevölkerung in Slums und einfachen Häusern. Die meisten arbeiten aber in La Paz, was bis vor Kurzem bedeutete, mehr als eine Stunde zur Arbeit zu fahren. Mit der Seilbahn dauert es nun zehn Minuten. Seither erwägen etliche Städte in Lateinamerika, aber auch in Asien und Afrika, Seilbahnen zu bauen, sagt Bernard. Das ist bei Weitem billiger als die Konstruktion von U-Bahnen, auch Häuser müssten dafür keine abgerissen werden.
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