Nachtszenen: Nach den Handwerkern kommt das Partyvolk
Das Café Moskau ist wieder geschlossen. Dafür öffnen jetzt viele neue – und renovierte – Clubs.
Schon wieder Stille? Das ging ja schnell. Nach nur einem halben Jahr ist es ruhig geworden im Keller des berühmten Café Moskau. Das Haus in Mitte wollte zum Aushängeschild des Nachtlebens werden, doch die Mietverträge wurden aufgelöst, mit den Partys ist’s vorerst vorbei an der Karl-Marx-Allee.
Schon wieder laute Beats? Das ging ja schnell. Ab dem heutigen Freitag wird im ehemaligen Tape Club in der Heidestraße, nördlich vom Hauptbahnhof, wieder gefeiert. In die Räume zieht der Club Box at the Beach, der am Charlottenburger Spreeufer vor kurzem schließen musste – der neue Name: Box Gallery. Die DJs stehen dort auf einem vier Meter hohen Pult. Nach einer ersten Hip-Hop-Party vor einer Woche ist am heutigen Freitag die offizielle Eröffnung, Name der Party: „Berlin dreht durch“.
Jeden Freitag und Sonnabend soll an der Heidestraße geöffnet sein. Die Macher haben einen Mietvertrag für ein Jahr erhalten, sagt Chef Alexander Freund. Sie profitieren vom kurzfristigen Wechsel des Eigentümers. Die Betreiber des Tapes hatten vor drei Wochen geschlossen, weil der vorige Eigentümer nur Mietverträge mit monatlicher Kündigungsfrist machen wollte. Das war ihnen für die Planung zu unsicher. Nach eigenen Angaben haben sie allerdings schon ein neues Objekt in Mitte gefunden. Wo? Geheim.
Die einen machen zu, die anderen machen auf, das ist traditioneller Alltag in der Berliner Szene – auch am Schlesischen Tor. In dem etwas versteckt liegenden Club unter dem Kreuzberger U-Bahnhof war lange das Kato untergebracht, nun öffnet dort – das Bi Nuu. Und die neuen Macher sind keine Unbekannten. „Wir sind völlig konzeptlos, lassen uns einfach treiben, machen Konzerte und Partys“, sagen die neuen Chefs, die auch das Lido in der Nähe und Astra Kulturhaus am S-Bahnhof Warschauer Straße betreiben. Am Samstagabend spielt im frisch sanierten Club die New Yorker „The Phenomenal Handclap Band“ einen Mix aus Rock, Disco, Elektro und Psychedelia. Ab 23 Uhr beginnt die „Techno changed my Life“-Labelnacht.
Auch das Cookies sieht jetzt innen und außen anders aus.
Umgebaut wurde auch eine bekannte Lokalität in der Friedrichstraße. Zwei Monate lang waren die Handwerker im Cookies Club, nun hat der Chef Heinz „Cookie“ Gindullis wieder geöffnet – gemütlicher und kleiner soll der Laden nun sein. Zudem hat der Club einen neuen Nachbarn bekommen: die Drayton Bar im Art-Déco-Stil von Barchef Christian Gentemann. Sie hat dienstags bis sonnabends ab 18 Uhr geöffnet. Der Eingang befindet sich wie das Restaurant Cookies Cream in der Behrenstraße 55.
Das Restaurant Chipps No.2 in der Friedrichstraße – zwischen Oranienburger Straße und Torstraße – hat Gindullis im Oktober geschlossen. „Das ging nicht an der Ecke“, sagt er. „Andere bieten da Mittagsmenüs für 2,99 Euro an.“ Im Chipps No.1 in der Jägerstraße 35 – nahe Gendarmenmarkt – gibt es weiterhin leichte Küche mit regionalen Zutaten.
Gindullis will sich nun vor allem aufs Cookies konzentrieren, deswegen stieg er aus einem anderen Projekt aus: der Bar Trust in der Torstraße. Dort wurde ihm zu viel Techno und Elektro gespielt. Die kleine Bar hatte er vor eineinhalb Jahren mit Marcus Trojan vom Weekend und dem Fotografen Sascha Kramer aufgemacht, in der es Getränke nur flaschenweise gibt. Auch Trojan sei inzwischen ausgestiegen. Kramer will nun auch Bands auftreten lassen, sagt er.
Neue Pläne hat auch das Delicious Doughnuts in der Rosenthaler Straße 9 in Mitte: weg von der After Hour Location, die die Nachtschwärmer am frühen Morgen aufsuchen, hin zu einem Betrieb von 22 bis 5 Uhr, sagt Fabian Böckhoff, der neu im Team ist. Das Doughnuts soll wieder die Größe werden, die es in den 90ern war. Seit März gibt es deswegen ein neues Programm, ab Mai soll die Bar bereits ab 20 Uhr geöffnet sein. „Wir wollen Mitte beleben“, sagt Böckhoff, „die Leute, die noch nicht nach Friedrichshain und Neukölln abgewandert sind, brauchen ein Zuhause.“
Und wann wird wieder im Café Moskau getanzt? Vier Jahre lang betrieb die Moskau GmbH die Immobilie als Ort für Veranstaltungen, im Herbst wurde der Club eröffnet. Die Gründe für die Trennung bleiben vage. Man habe sich im Guten getrennt, sagt Ute Kiehn, Sprecherin der Nicolas Berggruen Holdings GmbH, der das Haus gehört. Und was ist dran an den Gerüchten von den Mietschulden? „Kein Kommentar“. Der Betrieb als Eventlocation gehe weiter, alle gebuchten Veranstaltungen sollen stattfinden.
Die Inhaber haben aber auch Probleme mit Anwohnern, die sich per Mail über den Lärm der Partygäste beschwerten. Auf der Moskau-Internetseite heißt es dazu etwas umständlich, dass „das Objekt in seiner geplanten Nutzung Restriktionen unterliegt“ und es eine „mangelnde Akzeptanz der Anwohner“ gebe.
Berggruen hatte das 1964 eröffnete Haus vor fünf Jahren erworben und für zehn Millionen Euro saniert. War das Moskau zu DDR-Zeiten ein gut besuchtes Restaurant für russische Spezialitäten, konnten die Berliner seit Jahren nur von draußen durch die Scheiben reingucken. Das Moskau war nur für einzelne Konzernveranstaltungen und den Clubbetrieb am Wochenende geöffnet.
Künftig soll die Immobilie nicht nur „wegvermietet“ werden, sagt Berggruen-Sprecherin Kiehn. Die Holding wolle sich in enger Zusammenarbeit mit den neuen Betreibern verstärkt um die Inhalt kümmern. Wie das aussehen soll, ob ein Café reinkommt und ob ein Club im Keller bleibt, müsse noch erarbeitet werden. „Man ist sich der Bedeutung und der Erwartungen an das Café Moskau bewusst und will diesen gerecht werden“, sagt Kiehn. Christoph Spangenberg