Kinderwagen: Mutti, fahr doch mal den Wagen vor
Von "Bugaboo" bis "I’coo primo2 – jeder Bezirk hat seine bevorzugte Kinderwagen-Marke.
Die kleinen Schwenkräder garantieren maximale Wendigkeit, die Auswahl der Farbe ist Geschmackssache. Im Trend liegen derzeit ein sattes Schokobraun und ein leuchtendes Blau. Auf den praktischen Kaffeebecherhalter verzichten nur noch die wenigsten. Und für den Sommer empfehlen die Händler ein separates Verdeck mit ausgeklügeltem Belüftungssystem. Die Rede ist hier jedoch nicht von einem Auto, sondern von einem Kinderwagen, aber nicht von irgendeinem, sondern von dem Kinderwagen schlechthin: vom „Bugaboo“, dem Mercedes unter den Kinderwagen. Im sogenannten Szenebezirk Prenzlauer Berg ist er mittlerweile das beliebteste Fortbewegungsmittel trendbewusster Eltern.
Trends haben bekanntlich ihren Preis. 900 Euro kostet das Modell in der Grundausstattung, mit Extras wie der dazugehörigen Wickeltasche oder dem passenden Fußsack sind es schnell ein paar hundert Euro mehr. Besonders begehrt sind derzeit limitierte Sonderauflagen von Designern wie Paul Frank – zu einem netten Aufpreis. „Warum so viel Geld für einen Kinderwagen ausgeben?“, könnten Unbeteiligte jetzt fragen. Aber in der Logik der Bugaboo-Fahrer haben solche Menschen keinen Stil oder keine Ahnung – oder beides zugleich. Auf der Kastanienallee oder am Helmholtzplatz gehört man entweder zum Kreise derer, die sich das Teil leisten können, oder zum Rest, zu den Losern. Als müsse man sich zwischen zwei Gangs entscheiden. In Los Angeles gibt es die Bloods und die Crips, in Prenzlauer Berg die Bugaboo-Fahrer und das Kinderwagen-Fußvolk.
Längst ist ein Kinderwagen nicht mehr ein bloßer Gebrauchsgegenstand. Er ist Statussymbol und Distinktionsmerkmal. Wer über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, der investiert in Design, Ausstattung und Komfort, fast wie beim Autokauf, nur dass die Anschaffung eines Kinderwagens zwischenzeitlich nicht per Abwrackprämie staatlich gefördert wurde. Dabei wäre das vielleicht sogar von Vorteil. Denn die Bestseller stammen längst nicht mehr ausschließlich aus Deutschland. Skandinavische Unternehmen erobern den hiesigen Markt ebenso wie der niederländische Hersteller Bugaboo.
Zeig mir, welchen Kinderwagen du fährst, und ich sage dir, in welchem Bezirk du wohnst. In Mitte zum Beispiel ist der „Stokke xplory“ mittlerweile ein fester Bestandteil des Straßenbildes. Das futuristisch anmutende Gefährt aus Norwegen hat den Vorteil, dass man die Sitzhöhe des Kindes stufenlos verstellen kann. Die Kleinen befinden sich dadurch nicht auf Auspuffhöhe, sondern haben alles bestens im Blick. Sehr zur Freude ihrer Eltern, die sich nicht mehr ständig zu ihrem Nachwuchs hinabbücken müssen und dadurch ihren Rücken schonen.
Schonend ist der britische „Silver Cross Balmoral“ nicht, weder für den Körper noch für den Geldbeutel – das Teil kostet fast 2000 Euro. Und trotzdem ist das mannshohe Gefährt im Retrodesign bei Eltern nicht gerade unbeliebt, vor allem in Grunewald. Der Bewegungsradius mit diesem Modell ist allerdings sehr eingeschränkt. Wer einen schnellen Ausflug in die Stadt plant, der braucht schon einen Pick-up mit großer Ladefläche, um den Wagen zu transportieren.
Fast ebenso elegant, aber wesentlich graziler sind da schon die Modelle des bayerischen Herstellers „Hesba“. Sie erinnern ein wenig an Modelle aus den 70er Jahren, auch sie setzen vom Design her auf Nostalgie, sind vom Preis mit 900 Euro allerdings wesentlich günstiger als ihr britischer Konkurrent – und im Gegensatz zu ihm auch leichter zusammenzuklappen, weshalb sie vor allem bei Eltern in Charlottenburg sehr beliebt sind. Das Unterteil ist aus Chrom, das Oberteil lässt sich mit ein paar Handgriffen zum Sitz umbauen, und wenn der Bugaboo der Mercedes unter den Kinderwagen ist, dann ist der Hesba vermutlich der Audi, was passt, denn eines der Modelle trägt die Bezeichnung „Condor Coupé“.
Und dann gibt es da noch einen, nun ja, Kinderwagen, es ist der „I’coo primo“, er hat einen MP3-Player-Anschluss, ein integriertes Lautsprechersystem und LED-Sicherheitslichter. Darin müssen Kinder liegen, die auch noch Kevin oder Schantall heißen, und nach dem Kinderwagen kommt dann der tiefergelegte Opel mit Alufelgen und ordentlich Wumms – was man eben so braucht in den Straßen von Marzahn-Hellersdorf.
Wer es ganz exklusiv will, muss nach München schauen: Dort sieht man des Öfteren Kinderwagen der Luxusmodemarke Fendi. Kostenpunkt: rund 1300 Euro. Dafür ist dann aber am Wagen auch das Logo des Herstellers sehr gut sichtbar. Nana Heymann
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