Appell in der Flüchtlingskrise: Musiker engagieren sich gegen Rechts
"Pro Asyl", "Kein Bock auf Nazis" und 20 bekannte Deutsche Bands fordern mehr Unterstützung für Flüchtlinge - und Schutz für hilfsbereite Bürger.
Mehr Schutz für Flüchtlingsheime, mehr Unterstützung für Helfer und eine schärfere Verfolgung rechter Straftaten. Das sind die wichtigsten Botschaften eines Appells, den ein breites Bündnis von Initiativen und namhaften Musikbands am Freitagmorgen vorstellte. Zu den Initiatoren gehören „Pro Asyl“, „Kein Bock auf Nazis“ und insgesamt 20 Bands, darunter die Toten Hosen, die Ärzte, Deichkind und die Beatsteaks.
„Wir wollen bei unserer Arbeit eigentlich immer ein Lächeln bewahren. Das gelingt uns in diesen Tagen immer seltener“, sagte der Berliner Politaktivist „Joshi“ von „Kein Bock auf Nazis“. Die Initiative versucht vor allem junge Leuten zum Engagement gegen Rechts zu gewinnen und unterhält seit langem Kontakt zu politisch engagierten Musikern. Ihre Forderungen, die unter dem Titel „Zeit zu Handeln“ stehen, haben schnell prominente Unterstützer gefunden.
Rassismus muss benannt werden
Der Gitarrist der Toten Hosen, Michael Breitkopf, war bei der Vorstellung des Appells anwesend und erklärte die Motivation der bekanntesten Punkrocker Deutschlands: „Wir können unsere Anliegen hauptsächlich über Musik artikulieren, aber das reicht nicht.“ In manchen Orten habe der Staat sein Gewaltmonopol aufgegeben und stelle lediglich noch Infrastruktur zur Verfügung, kritisierte „Breiti“.
Wer mit Neonazis gemeinsame Sache mache und in sozialen Netzwerken Hetze verbreite, sei weder Asylkritiker noch besorgter Bürger, heißt es in der Erklärung von "Zeit zu Handeln". Rassismus müsse benannt und geächtet werden, wenn man ein zweites Rostock-Lichtenhagen verhindern wolle.
Kritik an der Polizei
Kritik übt das Bündnis vor allem auch an der Polizei: Weder seien Flüchtlinge effektiv vor Angriffen geschützt, noch könnten freiwillige Helfer und Gegendemonstranten sicher sein, nicht selbst von den Ordnungshütern als Problem ins Visier genommen zu werden.
Konkret wird in dem Papier vor allem eine bessere Integration der Zuwanderer gefordert - mit Sprachkursen und Hilfen für den Eintritt in den Arbeitsmarkt. Bernd Mesovic von „Pro Asyl“ fasste zusammen, Deutschland müsse sich die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen generell mehr kosten lassen, wenn man langfristig kulturell und ökonomisch profitieren wolle.
Sozialer Wohnungsbau
Ein guter Anfang wäre seiner Meinung nach ein klares Bekenntnis zum sozialen Wohnungsbau auf dem kommenden Flüchtlingsgipfel. "In vielen Bereichen brauchen die Flüchtlinge genau das, was auch viele Deutsche brauchen", sagte Mesovic.
Nichts zu tun hat der Appell übrigens mit dem von Udo Lindenberg angekündigten, großen Solidaritätskonzert am 4. Oktober. Unter dem Motto „Refugees Welcome“ sollen vor dem Reichstagsgebäude große deutsche Künstler spielen – allerdings lagen am Freitagnachmittag weder dem Deutschen Bundestag noch der Berliner Verwaltung entsprechende Pläne oder Anträge vor.
Man weiß noch nichts genaues
„Üblich bei Großprojekten sind eigentlich mindestens sechs Wochen Vorlauf“, erklärte Carsten Spallek, Stadtrat für Ordnungsangelegenheiten in Mitte. Aufgrund der vielen Großveranstaltungen in Berlin wäre wohl auch eine Verschiebung des Pojekts nach hinten keine einfache Lösung. Man müsse in dutzenden Problemfeldern Antworten finden, kenne aber noch nicht einmal die Fragen, so Spalleks Resümee. Selbst Tote-Hosen-Mann Breitkopf konnte am Freitag dazu nur sagen, dass man noch nichts genaues wisse.
Auf jeden Fall stattfinden wird dagegen ein anderes Konzert gegen Rechts, bei dem auch die Initiative „Kein Bock auf Nazis“ beteiligt ist: An diesem Samstag findet das Bitterfeld-Open-Air bei Leipzig statt. Unter anderem spielen dort die Donots, die ebenfalls den „Zeit zu Handeln“-Appell unterzeichnet haben.
Nándor Hulverscheidt