Der kleine Muck wird 60: Mit Turban, Mut und Zauberstab
Vor 60 Jahren hatte der aufwendig produzierte Märchenfilm „Der kleine Muck“ Premiere im Berliner Babylon-Kino. Er wurde zum größten Hit der Defa.
Er rennt und rennt und rennt! „Die Geschichte vom kleinen Muck“ als Film nach dem gleichnamigen Märchen von Wilhelm Hauff flimmerte vor 60 Jahren zum ersten Mal über die Kino-Leinwand. Im Filmtheater Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz hatten sich am 23. Dezember 1953 die Kino-Leute große Mühe gegeben, die Premierengäste in die Welt des Orients zu verführen: Der Kinosaal war in einen Palast aus 1001 Nacht verzaubert worden, die Platzanweiser trugen orientalische Gewänder und hatten einen Turban auf dem Kopf. Wie im richtigen Märchen, das schon damals kleine und große Leute scharenweise in die Kinos lockte: Innerhalb von drei Tagen hatten 50 000 Zuschauer Mucks Abenteuer bestaunt, bis zum Ende der DDR war die Muck-Story der am häufigsten verkaufte Film des Defa-Außenhandels, und bis heute sahen ihn 13 Millionen Zuschauer in über 60 Ländern. Im Fernsehen haben die Kinder alle Jahre wieder ihren Spaß, diesmal am heutigen Sonntag auf KiKa.
Eigentlich war Bertolt Brecht am Zustandekommen des Film schuld“: Weil der Dichter mit Wolfgang Staudtes Adaption und Besetzung seiner „Mutter Courage“ als Spielfilm gegensätzlicher Auffassung war, bot die Defa dem renommierten Regisseur das Muck-Projekt mit großem Budget und neuem Agfa-Filmmaterial an. Nach einer ersten Enttäuschung soll Staudte gesagt haben: „Aber dann kriegte ich doch Freude daran, denn ... ich konnte den ganzen Orient in Babelsberg aufbauen lassen, das war wirklich wie in Hollywood.“ Die Muck-Rolle sollte zunächst ein Erwachsener spielen, bei den Probeaufnahmen entdeckte man den Sohn der Frau des Drehbuchautors, der an diesem Tag elf Jahre alt wurde und den man dunkel schminkte – damals störte sich niemand daran, heute gäbe es wohl Debatten und Proteste. Im wirklichen Leben hieß der kleine Muck Thomas Schmidt, wurde später Medizinprofessor und starb im Juli 2008 mit 66 Jahren in Hannover. Horst Buchholz sollte übrigens einen guten Prinzen spielen, „Hotte“ hatte andere Pläne.
Die Film-Handlung ist so einfach wie märchenhaft: Ein alter buckliger Mann lebt in einer Stadt im Orient und erzählt Kindern seine Geschichte: Der kleine Muck wird von Verwandten aus dem Haus gejagt, zieht in die Wüste, trifft auf einen wundersamen Alten. Der gibt ihm rasende Zauberpantoffeln und einen Stab, der Schätze aufspürt. Muck denkt: Alles okay, geht zum Hof des Sultans und nimmt den Job als Schnellläufer an. Natürlich ruft das sofort die Neider auf den Plan, Höflinge jagen ihn aus dem Palast, unterwegs entdeckt er Feigenbäume, mit deren Hilfe er den Bösen am Hofe Eselsohren wachsen lässt. Am Ende wandert er wieder in die Wüste. Moral: Nicht Reichtum bedeutet Glück, sondern Freundschaft und Hilfsbereitschaft. Neben Thomas Schmidt und Trude Hesterberg spielten so bekannte Mimen wie Werner Peters, Wolf v. Beneckendorff, Wolf Kaiser und Willi Schwabe. Die Dreharbeiten dauerten 140 Tage, am 17. Juni wurde die Szene vom Wettlauf des kleinen Muck gegen den „Oberleibläufer“ Murad durch Motorenlärm gestört, von Traktoren, wie man vermutete. In Wahrheit kam das Geräusch von russischen Panzern, die auf dem Weg nach Berlin waren, um den Arbeiteraufstand niederzuschlagen.
Das anspruchsvolle Drehbuch erforderte über 160 Tiere: Elefanten, Kamele, Araberpferde, eine Löwin, Rhesusaffen, Papageien, Pfauen. Die kamen aus den Zoos in Halle, Leipzig und vom Zirkus Busch. Für eine Szene wurden Katzen benötigt, die „Neue Filmwelt“ schrieb 1953: „Ständig treffen aus der näheren Umgebung, aus Babelsberg, Drewitz und Potsdam, Besucher ein, die ihre Katzen mit allen Vorzügen anpreisen. Nur Katzen, keine Kater, sind im Augenblick gesuchte und begehrte Statisten.“ Bei der Cats-Show spielte eine Angorakatze eine wichtige Rolle. Plötzlich hatte sie die Nase voll, büxte aus. Nun musste eine Siamkatze gleicher Größe gefunden, auf „Angora“ gepudert und geschminkt werden.
Im Stil und Ton der Zeit schrieb die „Junge Welt“: „Nur in einem Staat, in dem das Volk regiert, ist es möglich, mit so großen Mitteln Filme herzustellen, die den Stoff aus dem reichen nationalen Erbe des Volkes schöpfen.“ Generationen haben Mucks Abenteuer mit Spannung und Freude verfolgt. Gestern wie heute. Und sicher auch noch morgen. Denn: Ewig jung bleibt nur die Fantasie.
„Die Geschichte vom kleinen Muck“ läuft am 22. Dezember, dem Vortag des 60. Premierenjubiläums, auf dem Sender Kika. Beginn ist um 12 Uhr.
Den Film gibt es auf DVD (9,99 Euro) und Blu-ray (13,99 Euro) über www.icestorm.de oder in Mediengeschäften. Weiter ist er verfügbar im Video-on-Demand-Portal icestorm.tv.
Im Portal www.icestorm.tv läuft derzeit ein Märchenfilm-Adventskalender: Jeden Tag ab 12 Uhr gibt es für 24 Stunden einen Film mit einem Gutschein-Code gratis. Am 23. /24. Dezember ist es der „Kleine Muck“, und das geht so: Nach Registrierung/Anmeldung geht man auf den Film-Link, klickt „SD zum Leihen“ an und geht zur Kasse. Danach oben rechts den Gutschein-Code iceadvent582 einlösen, unten rechts Bestellknopf klicken – Film ansehen.
Das Märchen des romantischen Dichters Wilhelm Hauff erschien 1826, als Teil einer durch eine Rahmenhandlung verbundenen Märchensammlung. Es gibt sie in verschiedenen Ausgaben, zum Beispiel „Hauffs Märchen. Vollständige Ausgabe“ (Anaconda-Verlag, 480 Seiten, 9,95 Euro).
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