Hohenzollergruft: Mit Pomp ins Jenseits
Die Hohenzollerngruft birgt 94 bildschöne Särge. Noch in den frühen Siebzigern wiesen Dom-Experten wie der West-Berliner Dieter Brozat vergeblich darauf hin, welchen Schatz der sakrale Riesenbau in seinem tiefsten Inneren birgt.
Diesen Moment wird Dieter Brozat nie vergessen. Schritt für Schritt war er mit seiner Taschenlampe ins Reich der Toten unter dem Berliner Dom vorgedrungen. Dann stand er vor dem Marmorsarg der Königin Sophie Dorothea, der Frau des preußischen Soldatenkönigs. Der Deckel war verschoben, Brozat leuchtete hinein, sah Skelettteile, und auf dem Grund des Sarges schimmerten die Gold- und Silberfäden des Staatskleides. Fast vier Jahrzehnte sind vergangen, seit der heute 69-jährige Berlin-Historiker erstmals die Fürstengruft des Doms erforschte – damals ein nahezu vergessener Ort. Heute wird das 1999 restaurierte Gewölbe täglich von hunderten Interessenten besucht. Es zählt zu den bedeutendsten Grabstätten europäischer Herrschergeschlechter, vom selben Rang wie die Kapuzinergruft der Habsburger in Wien.
Noch in den frühen Siebzigern wiesen Dom-Experten wie der West-Berliner Dieter Brozat vergeblich darauf hin, welchen Schatz der sakrale Riesenbau in seinem tiefsten Inneren birgt. Angehörige des Hauses Hohenzollern aus dem 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert sind dort beigesetzt, von den brandenburgischen Kurfürsten bis zum preußischen Königshaus. Zu DDR-Zeiten moderte die absolutistische Nekropolis vor sich hin. Erst ab 1975 wurde die Gruft, als Kriegsschäden am Dom beseitigt wurden, notdürftig gesichert. Zuvor hatte Dieter Brozat in Eigeninitiative und mit einer Sondererlaubnis alle Särge – teils chaotisch gestapelt und zerborsten – beschrieben und erfasst. Seine Arbeit ergab eine fürstliche Bilanz: In der Gruft standen 94 Särge und Sarkophage.
Heute riecht es dort nicht mehr nach Moder, die restaurierten Särge stehen schön aufgereiht zwischen 78 Sandsteinsäulen unter romanischen Rundbögen. Wer von der Predigtkirche hinabsteigt, hat den Eindruck, er betrete eine Unterirdische Gruft. Tatsächlich ist das Totenreich wegen des hohen Grundwasserstandes in Mitte aber ebenerdig in einem riesigen steinernen Kasten untergebracht – im Sockel des Domes. Darauf steht der wilhelminische Bau, deshalb führen Stufen vom Lustgarten zum Domportal hinauf.
Könige und Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen haben unter der Predigtkirche die letzte Ruhe gefunden. Ihre Biografien spiegeln 500 Jahre berlin-brandenburgische Geschichte wieder. Reich verzierte Kinder- und Erwachsenensärge zeigen Typisches aus der Renaissance, aus Barock und Gründerzeit: Samt und Brokat, vergoldete Totenschädel, Greifenklauen als Fuß. Details, gefertigt aus Zinn und Marmor, aus Eiche oder Rosenholz – etwa am Sarg des Prinzen Louis Ferdinand, Neffe des Alten Fritz, General, Komponist. Ein Säbelhieb hatte dem Leben des Schwarmes vieler Damen 1806 ein Ende gesetzt.
Kurfürst Johann Sigismund und der Große Kurfürst mit seinen Frauen Luise Henriette und Sophie Dorothea ruhen hier bis zum jüngsten Tag. Ganz in der Nähe steht auf Löwenpranken der Sarg König Friedrich Wilhelm II., unter dessen Regentschaft ab 1788 das Brandenburger Tor gebaut wurde. Zwischen den mächtigen Sarkophagen, deren Reliefs die Lebensgeschichten der Toten erzählen, finden sich auch ganz kleine Särge, verziert mit Girlanden, Sanduhren, Symbolen für das frühe Ende. Prinz Friedrich Ludwig etwa, Sohn des Soldatenkönigs, war als Säugling gestorben, weil man ihm zur Taufe eine Krone grob auf den Schädel gedrückt hatte. Daneben sind Kinder der Königin Luise und die „namenlose Prinzessin“ bestattet, eine Enkelin Wilhelm II.
Dass Besucher diese Särge besichtigen können, hat es bis 1999 nicht gegeben. Die Familienkrypta der Hohenzollern galt bis zum Tod von Kaiser Wilhelm II. 1941 als privat. Anfangs befand sich das Gewölbe noch unter dem ersten Dom am Stadtschloss, doch 1750 ließ Friedrich der Große die Särge in die Gruft des damals neu errichteten Doms am Lustgarten schaffen. Dabei verlor man offenbar den Überblick: Vier Kurfürsten und eine Kurfürstin gelten seither als verschollen.
Dem Sarg des Prinzen Philipp Wilhelm von Brandenburg-Schwedt konnte das nicht passieren, er ist zu auffällig. Feuergarben schießen aus Granaten an den Metallfüßen seines Sarkophages – ein in Bronze gegossener Kriegsschauplatz. Der Prinz starb 1711. Er war Artillerie-General.
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