Ehrenamtlich engagierte Tierärzte: Mit Herz und Hundeschnauze
Berliner Tierärzte erklären Kita-Kindern den artgerechten Umgang mit Haustieren – ehrenamtlich und mit improvisierten Ställen.
Der Hund trägt rosa Jeans und einen schwarzen Pulli. Er ist schlank, hat lange dunkelbraune Haare. Und jetzt hockt er direkt vor den Kindern, bellt, guckt sie neugierig an. Felix und Diana, beide vier, stürzen auf ihn zu, wollen nur eins: streicheln. „Stopp“, ruft da der Hund, der eigentlich Friederike Thullner heißt und Tierärztin ist. Doch die 54-Jährige spielt gerade einen Golden Retriever, bewegt sich auf allen vieren und fühlt sich in dieser tierischen Rolle offensichtlich wohl. Nun aber bremst sie die Kinder. „Wenn ihr einem Hund ,Guten Tag’ sagt, dürft ihr ihn nicht überfallen. Das verunsichert ihn.“
Wie macht man es als kundiger Tierfreund richtig? Die Hand hinhalten, sich langsam annähern. Thullner fährt im Rollenspiel mit ihrer Nase über die Kinderhände. „Lasst dem Tier Zeit, es will euch erst mal beschnüffeln.“ Die Veterinärin ist zu Gast in der Kindertagesstätte an der Wildensteiner Straße in Karlshorst. 15 Mädchen und Jungen sitzen um sie herum auf dem Boden. Neugierig hören die Vier- bis Fünfjährigen zu. Thullner wundert das nicht. „Kinder lieben und brauchen Tiere“, sagt sie. „Fast jedes Kind träumt von einem Haustier, um das es sich kümmern kann.“
Aber welche Bedürfnisse hat so ein neuer Hausgenosse? Was tun, damit er sich wohlfühlt, also artgerecht gehalten wird? Das vermittelt die Tierärztin seit etlichen Jahren Berliner Kita-Kindern im Rahmen des von ihr entwickelten Projektes „Tierschutz in der Kita“ (TIKA). Unterstützer sind Berlins Tierärztekammer und die Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz.
Friederike Thullner ist mit fünf weiteren Tierärzten im Einsatz. Alle arbeiten ehrenamtlich, jeder besucht ein- bis zweimal pro Monat in der Freizeit einen Kindergarten. Doch den hohen zeitlichen Aufwand halten die meisten Aktiven ohne ein angemessenes Entgelt auf Dauer nicht durch. Die Mitarbeiter wechseln oft. Thullner würde gerne ein kontinuierlich engagiertes, erfahrenes Team zusammenbringen, aber das ist schwer.
Andererseits ist das Interesse groß, immer mehr Kitas fragen an, der Paritätische Wohlfahrtsverband wollte für alle seine Kindertagesstätten den spielerischen Tierkundeunterricht buchen. Aber das kleine Team muss oft absagen. Thullner sucht dringend Spender und Sponsoren. „Wir brauchen Geld für Honorare.“
Wer will mal eine Katze spielen? Zwei Jungs dürfen fauchen und miauen. Was steht auf ihrer Wunschliste als Katze? Okay, sie wollen sich verstecken. Dafür gibt’s hier einen Pappkarton zum Hineinkrabbeln. Sie wollen auch klettern, spielen, mal Pipi machen. Also müssen eine Plastikkiste als Katzentoilette, Bälle und ein Klettergestell her. Lebendige Vierbeiner bringt Thullner in die Kitas nicht mit. Die Kinder sollen sich spielerisch in ein Tier hineinversetzen und so dessen Bedürfnisse entdecken. Außerdem würden sich alle auf den echten Hund stürzen. Das würde ihr Lernziel konterkarieren, dass man sich mit Bedacht annähern soll.
Die Tierärztin projiziert das Foto eines Hundes auf eine Leinwand. Er hat ein Zottelfell, sieht traurig aus. Tierfreunde hatten ihn aus einem Kellerloch geholt, wo er tagelang eingesperrt war. Später wurde er von seiner neuen Familie gesund gepflegt. „Was muss man bei einem Tier, das in unserer Obhut ist, verlässlich beachten?“ Finger schnellen hoch. In die Ohren gucken, gesund ernähren, die Krallen von Meerschweinchen schneiden, wenn sie zu lang werden. Maxi hat Kaninchen zu Hause und weiß: „Die brauchen Heu. Daran wetzen sie ihre Zähne ab.“
Vierjährige seien genau im richtigen Alter für erstes Tierwissen, sagt Thullner. Und die Präsidentin der Berliner Tierärztekammer, Heidemarie Ratsch, wirbt für das Projekt, weil es „Verständnis für den Umgang mit einem abhängigen Lebewesen weckt, dessen Sprache Kinder erst kennenlernen müssen“. Wer die Verantwortung für ein Tier übernehme, müsse zudem dauerhaft Zeit und Geld aufwenden. „Das sollten schon die jüngsten Tierfreunde verstehen.“ Natürlich müssten die Eltern die Oberaufsicht behalten. Doch Ratsch ist immer wieder überrascht, „wie wenig Mütter und Väter über die häusliche Tierwelt wissen“. Zu TIKA-Veranstaltungen sind auch Eltern willkommen.
Am Ende sieht der Kita-Raum in Karlshorst ein bisschen wie ein Stall aus. Thullner holt Stroh und Heu aus einem Sack, polstert mit den Kindern eine Pappkarton-Tierhöhle aus. Jeder darf mal hinein, kriecht wieder raus – und bekommt ein Gummibärchen.
- Infos und Adresse für Sponsoren: Tierärztekammer Berlin, Telefon: 312 18 75, www.tieraerztekammer-berlin.de. Spendenkonto: Deutsche Apotheker- und Ärztebank, IBAN: DE 03 300 60 60 10 00 20
97 826, BIC: DAAEDEDD, Stichwort: Tika.