zum Hauptinhalt
Spaß im Freibad. Die Hitze kann aber auch zu Problemen führen, bei denen dann die Polizei eingreifen muss.
© Florian Gaertner/dpa

Undercover-Polizisten in Berlins Freibädern: Mit Badehose und Pfefferspray

In Berliner Freibädern patrouillieren Polizisten in Zivil. Sie greifen ein, wenn Bademeister und Sicherheitsleute überfordert sind.

Seine Waffe für die speziellen Fälle war klein, lag gut in der Hand, und sie war leicht zu bedienen. Es passte eigentlich alles, ein Problem hatte Jörg Schneider trotzdem: Er konnte die Waffe nicht am Mann tragen, jedenfalls nicht unauffällig. Wie befestigt man auch ein Pfefferspray an einer Badehose?

Gar nicht, also platzierte Schneider sie unter einer Decke auf dem Rasen, ein paar Meter vom Sprungturm im Neuköllner Columbiabad entfernt. Für den Notfall, er war hier ja im Einsatz. Under cover natürlich, aber mit wenig an.

Schneider war einer dieser Polizisten mit Sonderauftrag, er gehörte bis vor Kurzem zu den Beamten, die in Badehose in Freibädern quasi Patrouille laufen. Er gehörte zu den Kräften, die auch in dieser Saison wieder im Einsatz sind. Schneider ist Ende 30, sportlich, er hat breite Schultern und heißt nicht wirklich Schneider, aber er möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Im Tagesspiegel erzählt er, wie so ein Dienst abläuft.

Wo sind die Brennpunkte?

Erst mal läuft er alles auch gedanklich gezielt ab. „Die Einsätze werden anhand eines Lagebilds geplant“, sagt Schneider. Wo sind Brennpunkte? Wo häuften sich zuletzt Klagen und Anzeigen? Columbiabad und Prinzenbad in Kreuzberg sind quasi Klassiker, derzeit ist die Krumme Lanke auch im Blickfeld. Und als es im Freibad Pankow Taten quer durchs Strafgesetzbuch gab, rückte die Polizei an. Auch der Insulaner in Schöneberg fiel mal auf, durch Raubtaten.

20, 30 Polizisten verteilen sich dann im Bad oder am See, so unauffällig wie normale Gäste. Nur das Sicherheitspersonal und die Bademeister sind informiert. Die haben ja auch die Hauptaufgabe, sie müssen Gäste beruhigen, den Sprungturm freimachen oder Streit schlichten. Die Polizisten greifen nur ein, wenn Bademeister und Sicherheitsleute die Lage nicht in Griff bekommen. Die Kommunikation verläuft im Notfall per Handy.

Gäste besetzten den Sprungturm

In Pankow hatten mal 50 testosteron-durchflutete Jugendliche den Sprungturm besetzt. Auf Bademeister und Sicherheitsleute reagierten sie mit einem ignoranten „Verpisst euch“ – auf die 30 durchtrainierten Männer, die plötzlich vor ihnen standen und „Polizei“ riefen, reagierten sie mit verdutztem Blick. Und dann verzogen sich die verblüfften Turm-Besetzer schnell an ihre Plätze.

Ein Zugführer der Polizei koordiniert alles, er entscheidet, ob Verstärkung angefordert werden muss, er gibt letztlich die Anweisungen. „Ansonsten arbeitet man selbstständig“, sagt Schneider. „Man muss ja schnell eingreifen können.“ Aber alle Polizisten haben Sichtkontakt zueinander. Und die Dienstausweise liegen ebenso bereit wie das Pfefferspray. In Pankow lief sogar mal ein Hund mit dem Sicherheitsdienst. „Super-Einsatzmittel“, sagt Schneider. „Da hat keiner gezuckt.“

Aber alles können die Polizisten nicht verhindern. 2014 musste das Columbiabad dreimal geschlossen werden, weil Gäste den Sprungturm besetzt hatten. In Mariendorf schlugen zwölf Jugendliche einen 14-Jährigen zusammen – das alles gehört auch zum Gesamtbild.

Noch nie Pfefferspray eingesetzt

Schneider hat nie einen ernsthaften Zwischenfall bei seinen Einsätzen erlebt. Er musste auch nie sein Pfefferspray einsetzen. Auch nicht, als er Leute, die Hausverbot erhalten hatten, zum Ausgang begleitete. Die üblichen Sprüche überhörte er routiniert. „Aber wenn die Jungs dann telefoniert hätten, wäre es interessant geworden.“ Dann hätte auch die Polizei Verstärkung herbeirufen müssen. Allerdings kann’s sein, dass die Under-Cover-Polizisten selber gerufen werden, von Kollegen, weil sie dringend irgendwo bei einem Einsatz benötigt werden. Dann hasten sie zu ihren Einsatzfahrzeugen.

Wegen solcher Alarmrufe ziehen sich die Polizisten vor ihrem Freibad-Einsatz oft im Transporter um. Auch Schneider wurde einmal vorzeitig abgezogen. Zur Polizei-Taktik gehört aber auch, sehr deutlich Präsenz zu zeigen. „Um abzuschrecken. Die sollen dann ruhig sehen, dass wir da sind“, sagt Schneider. Dann parken die Polizeitransporter nicht unauffällig in einer Seitenstraße, sondern dann stehen sie da als Machtsymbole. „Beim Freibad Mariendorf haben wir auf dem Mittelstreifen geparkt. Dann war Ruhe.“

Manchmal ist aber auch ohne Machtdemonstration Ruhe. Dann haben die leicht bekleideten Polizisten einfach Glück und genießen einen ruhigen, sonnigen Tag am Wasser. Schneider hat solche Stunden mal am Wannsee erlebt. Er war natürlich happy, einerseits. Andererseits war da ein blödes Gefühl. „Ich hatte auch ein schlechtes Gewissen. Das war ja wie Urlaub.“

Zur Startseite