Mordprozess in Berlin: Misstrauen gegen Richter im Prozess um Kudamm-Raser
Verteidiger stellen gern Befangenheitsanträge – auch im Fall der Kudamm-Raser. Jetzt prüft eine andere Kammer die Unvoreingenommenheit des Gerichts.
Ist ein Richter schon befangen, wenn er den Fall im Haftbefehl recht deutlich einordnet? Diesen Vorwurf erheben die Verteidiger von Marvin N. im Mordprozess gegen die Kudamm-Raser Marvin N. und Hamdi H.; sie haben deshalb gegen alle drei Berufsrichter der 40. Kammer Befangenheitsanträge gestellt. Über diese muss nun eine andere Schwurgerichtskammer entscheiden, als sogenannte Vertretungskammer; in diesem Fall die 32. Große Strafkammer. Für die Ablehnung reicht es, wenn die „Besorgnis der Befangenheit“ besteht.
Die ist gegeben, wenn ein Grund vorgebracht wird, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Gerichts zu rechtfertigen. Den Antrag begründet die Verteidigung mit dem Inhalt des Haftbefehls gegen Marvin N. Der muss nämlich nach einem Beschluss der 40. Kammer in Untersuchungshaft bleiben.
In dem Beschluss zur Begründung der Haftfortdauer steht sinngemäß: Das Urteil des Landgerichts wurde zwar vom BGH aufgehoben, es ist deshalb aber nicht falsch geworden. Wörtlich: Es gebe „sorgfältig niedergelegt die Erkenntnisse einer umfassenden Hauptverhandlung wieder“, und: „Nach vorläufiger Prüfung ist die Kammer der Auffassung, dass sich diese Feststellungen bei erneuter Hauptverhandlung in den entscheidungserheblichen Punkten bestätigen werden“.
Auch zum Tötungsvorsatz der beiden Angeklagten macht das Gericht Ausführungen. Kritiker meinen, eine Festlegung auf eine Verurteilung sei schon in dem Wortlaut des Beschlusses zu erkennen. Der BGH hatte das erstinstanzliche Berliner Urteil der 35. Kammer am 1. März aufgehoben. Kritisiert wurde aber nur die Qualität der Begründung.
„Berlins Richter Gnadenlos“
Es ist also denkbar, dass die nun zuständige 40. Kammer zum selben Ergebnis kommt, also die Angeklagten wegen Mordes verurteilt, dies aber anders begründet. Der Vorsitzende Richter Peter Schuster hätte nach dem Befangenheitsantrag die Verhandlung unterbrechen können; das hat er aber nicht getan. Er wird am kommenden Freitag weiterverhandeln.
Ab der übernächsten Sitzung – bislang anberaumt für kommenden Dienstag – kann der Prozess nur weitergehen, wenn der Befangenheitsantrag scheitert. Alle drei Berufsrichter müssen jetzt dienstliche Stellungnahmen schreiben, dann kommt es auf die Entscheidung der Vertretungskammer an. Sie muss bis zum zweiten Verhandlungstag nach Eingang des Befangenheitsantrags entscheiden, ob die Besorgnis der Befangenheit besteht oder nicht.
Falls ja, wird die Strafkammer abgelehnt und der Prozess ist geplatzt. Er muss dann vor einer anderen Kammer neu beginnen. Falls nicht, geht der Prozess ganz normal weiter. Rechtlich ist das alles in der Strafprozessordnung geregelt, hier in den Paragraphen 24 Absatz 2 und 29 Absatz 2 StPO.
Peter Schuster war am Dienstag auf dem Titel einer Boulevardzeitung zu sehen, Überschrift: „Berlins Richter Gnadenlos“. Dies hat in Moabit Erstaunen, wenn nicht Gelächter ausgelöst, denn als gnadenlos gilt Schuster keineswegs, eher als besonnen und freundlich. Er hat sich nach Gerichtsangaben auch weder für ein Foto noch für einen Bericht zur Verfügung gestellt; das Bild ist mehrere Jahre alt.