Lärmschutz am BER: Ministerium fordert niedrigere Grenzwerte
Die Berliner Flughafengesellschaft rechnet mit anderen Schallschutz-Richtwerten als das Brandenburger Infrastrukturministerium. Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Flughafengegner sprechen von Betrug an betroffenen Hausbesitzern.
Der Lärmschutz am künftigen Flughafen BER in Schönefeld könnte weitaus teurer werden als bisher veranschlagt. Hintergrund ist ein Streit um die Bemessungsgrundlage für den Anspruch auf Lärmschutzfenster. Die Flughafengesellschaft geht davon aus, dass der Maximalwert von 55 Dezibel in Innenräumen sechsmal am Tag überschritten werden darf, ohne dass lärmmindernde Einbauten nötig sind. Das Brandenburger Infrastrukturministerium setzt diesen Grenzwert niedriger an. Höchstens einmal am Tag dürfe ein Schallpegel von 55 Dezibel überschritten werden.
Diese Diskrepanz ist den Behörden erst im vergangenen Sommer aufgefallen. Sie beruhe auf unterschiedlichen Interpretationen des Planfeststellungsbeschlusses von 2004 und eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts von 2006, sagte Infrastrukturstaatssekretär Rainer Bretschneider. In diversen Gesprächen konnten sich Flughafen GmbH und Infrastrukturministerium nicht einigen, nun wird der Konflikt schriftlich ausgetragen. Letztlich, erklärte Bretschneider, habe das Ministerium als Genehmigungsbehörde das letzte Wort. Die Eröffnung des neuen Flughafens im Juni sei durch den Streit aber nicht gefährdet, sagte Bretschneider. Die berechneten Lärmwerte würden erst in den Jahren 2016/17 relevant, wenn der Flughafen seine volle Kapazität erreicht habe. „Es gibt immer nur einen Anspruch auf Schutz gegen den Lärm, der da ist.“
140 Millionen Euro sind bislang für das Lärmschutzprogramm vorgesehen. Von 25 000 Anspruchsberechtigten hätten bislang 15 000 konkrete Anträge eingereicht, sagte Flughafensprecher Ralf Kunkel. Wie hoch die Kosten wären, wenn der niedrigere Schallschutz-Grenzwert zur Anwendung käme, konnte Kunkel nicht sagen. Die Flughafen GmbH halte an ihrer eigenen Interpretation fest, sie sei „sachlich fundiert“. An Schulen seien sogar 16 Überschreitungen des Maximalwerts erlaubt. Der Verein Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) hatte die Flughafengesellschaft im Oktober wegen „versuchten Betrugs“ verklagt. Sie habe „Anwohner über die tatsächliche Lärmbelastung durch den geplanten Großflughafen getäuscht“. Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüfte die Strafanzeige, stellte ihre Vorermittlungen aber inzwischen ein, wie Sprecher Ralf Roggenbuck bestätigte. Der VDGN fordert, das Lärmschutzprogramm auf 750 Millionen Euro aufzustocken.
Auch das Umweltbundesamt mahnt in seinem Gutachten einen besseren Lärmschutz an. Zwei Bewohner aus Friedrichshagen haben jetzt beim Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung Prüfungen zur Umwelt- und Naturverträglichkeit der umstrittenen Müggelseeflugroute beantragt. Eine solche Prüfung sei im Planfeststellungsverfahren nicht erfolgt, obwohl Naturschutzgebiete überflogen werden.