Neue Integrationsbeauftrage von Berlin: Migranten sollen häufiger ihre Erfolgsgeschichte erzählen
Katarina Niewiedzial ist die neue Integrationsbeauftragte von Berlin. Bei ihren Ideen bleibt die gebürtige Polin aber erstmal nur vage.
Katarina Niewiedzial denkt an ein Klavier. Sie denkt an die schwarzen und weißen Tasten, sie denkt daran, wie man sie drückt diese Tasten, welche Musik dann entsteht. „Welche Melodie kommt dabei heraus?“, diese Frage beschäftigt sie. Das Bild vom Klavier und der Melodie fällt ihr ein, wenn sie in ihrer Funktion als Integrationsbeauftragte unterwegs ist. Bisher, seit fünf Jahren, erledigt sie den Job fürs Bezirksamt Pankow. Jetzt rückt die gebürtige Polin eine politische Etage höher, sie ist die neue Integrationsbeauftragte des Senats für Soziales, Integration und Migration. Am Dienstag wurde sie offiziell ernannt, am Mittwoch stellt sie sich öffentlich vor. Noch hatte es in diesem Amt jemanden mit Migrationshintergrund gegeben. Die 41-Jährige tritt die Nachfolge von Andreas Germershausen an, der seit 2015 amtierte und in Rente geht.
Aber eigentlich geht es Katarina Niewiedzial eher um den Text als um die Melodie. Sie will ja Botschaften verkünden, wenn sie die Tasten drückt. Eine dieser Botschaften lautet, dass noch viel zu wenig Menschen mit Migrationshintergrund deutlich genug erzählen, wie sie sich optimal integriert haben und eine erfolgreiches Leben führen. Sie sieht eine schweigende Masse, und deshalb „ärgert es mich, wenn erzählt wird, Integration sei gescheitert“.
Sie ist auf jeden Fall das Gegenbeispiel zu dieser These. Mit zwölf Jahren aus Polen nach Deutschland gekommen, kein Wort deutsch gesprochen, dann Realschule und Abitur in Bremerhaven, anschließend Studium, Politik und Wirtschaftswissenschaften, in Oldenburg und Berlin. Sieben Jahre lang Geschäftsführerin des Think Tanks „Das Progressive Zentrum“, der unter anderem für das Auswärtige Amt gearbeitet hat.
Das „Problem der Sprachlosigkeit“, die fehlenden Deutschkenntnisse, hat sie stark geprägt, deshalb will sie so wenig wie möglich bei der Ausbildung von Migranten „dem Zufall und dem Glück überlassen“. Wer nach Berlin kommt, soll gezielt durch den rauen und ungewohnten Alltag gesteuert werden. „Das Ankommen soll gestaltet werden, bevor ein Problem entsteht.“
Integrationsarbeit als Querschnittsthema
An Selbstbewusstsein mangelt es der neuen Integrationsbeauftragten jedenfalls nicht. „Ich bringe viele Ideen mit, die man gut und öffentlichkeitswirksam umsetzen kann“, behauptet sie bei ihrer öffentlichen Vorstellung. Doch die Ideen bleiben schwammig, konkret wird sie nur, wenn sie von Projekten aus ihrer Pankower Zeit erzählen kann. Ansonsten bleibt sie vage. Die Zusammenarbeit mit den Bezirken sei sehr wichtig, sie wolle sich mit den Zuständigen austauschen, Integrationsarbeit sei ein Querschnittsthema, in dem viele Bereiche miteinander verzahnt sein müssen, solche Dinge. Eher Allgemeinplätze als fassbare Ideen.
In einem großen Einkaufszentrum in Marzahn sorgt eine aggressive Gruppe unbegleiteter Flüchtlinge seit Wochen für Ärger, bei denen ist Integration eine besondere Herausforderung. Doch wie sie solche Jugendliche gut integrieren möchte, dazu hat die neue Integrationsbeauftragte keine klare Antwort. Das sei einerseits eine Aufgabe für Sozialarbeiter, andererseits müsste man sich mit den Betroffenen vor Ort zusammensetzen. Mehr kam nicht.
Und für die Integration arabischer Clans, in Neukölln zum Beispiel, hatte sie auch keine Idee. Man müsse mit den zuständigen Behörden vor Ort reden und Zuständigkeiten ausloten und dann „gemeinsam nach Lösungen suchen“, das ist erstmal ihre Marschrichtung in dieser Frage.
Sie bleibt lieber beim theoretischen Überbau. Die Stadt müsse weiterhin ihre Offenheit bewahren, die ja Grund für viele Ausländers sei, in die Hauptstadt zu ziehen. „Es ist wichtig, gegen Vorurteile vorzugehen. Wenn sich Vorurteile verfestigen, verhärtet sich die Gesellschaft. Dann ist der Schritt zur Gewalt nicht mehr weit.“
Und damit nicht bloß die Gesellschaft offen bleibt, sondern die Behörden auch mal offen werden, empfiehlt sie dem öffentlichen Dienst dringend, attraktiver zu werden und sich als Arbeitgeber besser darzustellen. Dann hätte er mehr als bisher eine Anziehungskraft für Menschen mit Migrationshintergrund. „Da muss der öffentliche Dienst noch seine Hausaufgaben machen.“ Und zwar möglichst rasch. Denn in den nächsten Jahren werden tausende Stellen frei, „der öffentliche Dienst steht vor einer großen Einstellungswelle“.
Zum ersten Mal in einer Synagoge
Den Weg von der Theorie zu Praxis durchschritt sie immer dann sehr schnell, wenn sie konkret aus Pankow berichtete. Dort gibt es diesen jungen, arabischstämmigen Mann, der seinen Bundesfreiwilligendienst ableistet und arabischen Jugendlichen einen Stadtspaziergang zur jüdischen Geschichte angeboten hat. Erklärt hat er auf arabisch. Nächste Woche wird Katarina Niewiedzial dabei sein, wenn Schüler aus Willkommensklassen in Pankow zum ersten Mal in ihrem Leben in eine Synagoge gehen. „Die waren noch nie in einer Synagoge. Wenn die in ihrer Heimat erzählten, dass sie dorthin hingegangen sind, würden sie bestraft.“ Aber in Berlin kann so ein Besuch „einen Aha-Effekt auslösen“. So eine Synagoge unterscheidet sich ja gar nicht so stark von einer Moschee. Es ist ein Termin, der für die Integrationsbeauftragte einen besonderen Reiz besitzt. „Für mich ist das eine Gänsehautsituation.“
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