Berlin: Mieterverein warnt vor Folgen von Wohnungsverkäufen
„Schwarzbuch der Privatisierung“ kritisiert Strategie von Investoren zum Nachteil der Mieter
Teure und unökonomische Modernisierungen, höhere Wohnnebenkosten, rechtliche Schikanen von Mietern – das soll zu den Folgen des Verkaufs landeseigener Wohnungen durch den Berliner Senat zählen. Um dies zu belegen, hat der Berliner Mieterverein eine Vielzahl von Beispielen dafür zusammengetragen, wie die neuen privaten Eigentümer ihre finanziellen Interessen, nämlich hohe Renditen, durchsetzen. Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter nennt die Faktensammlung ein „Schwarzbuch der Privatisierung“. Bei der Vorstellung des rund 50-seitigen Heftes forderte Vetter gestern von der Politik: „Der Senat soll sich vor dem Wahlkampf festlegen und keine weiteren Wohnungsverkäufe mehr zulassen.“ Die Privatisierungspolitik sei eine „schrittweise Enteignung unseres Gemeinwesens“ auf Kosten der Berliner Mieter.
Vetter war zusammen mit seinem Stellvertreter, Reiner Wild, in schwarzen Anzügen mit schwarzen Bindern vor ein Dutzend schwarz ummantelter Leitzordner getreten. Symbolisch wurde hier Trauer um den Ausverkauf landeseigener Wohnungen getragen. Der Berliner Mieterverein kritisiert, dass die politisch zuständigen Senatoren für Finanzen, Thilo Sarrazin, und für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (beide SPD) den Finanzinvestoren den Einstieg in den deutschen Wohnungsmarkt ermöglichen, um die Landeskassen zu sanieren. Doch die Folgen dieser Politik seien problematisch, weil die „schnellen und hohen Renditeerwartungen“ der Investoren den Druck auf die betroffenen Mieter dramatisch erhöhen.
Dazu hat der Mieterverein diverse Beispiele zusammengetragen. So soll Cerberus, Käufer der Wohnungsbaugesellschaft GSW, die Quadratmetermiete in der Wohnanlage „Grüne Stadt“ in Prenzlauer Berg um 2,33 Euro monatlich angehoben haben. Einen solchen Sprung bei der monatlichen Belastung könnten sich viele Mieter nicht leisten, so Vetter. Dessen ungeachtet plane der Finanzinvestor außerdem noch den Anbau von Balkonen, was eine zusätzliche Anhebung des monatlichen Mietzinses um 53 Euro zur Folge habe.
Den Aus- oder Umzug von Mietern nehmen die „Heuschrecken“, wie Finanzinvestoren auch genannt werden, oft billigend in Kauf. Denn zu deren Strategien zähle auch das „Ausschlachten der Unternehmen durch Weiterverkauf werthaltiger Teilbestände“, so der Mieterverein. Der Umbau und die Zusammenlegung von Wohnungen, die Aufstockung von Häusern und die Ergänzung von Siedlungen durch Neubauten sind dabei an der Tagesordnung. Dabei werden die ursprünglichen Zusagen an den Verkäufer, das Land Berlin, nach Erfahrungen der Mieterschützer oft nicht eingehalten: „Bei der Weiterveräußerung werden die Mieterschutzregelungen nicht mehr vollständig weitergegeben“, sagt Vetter.
Wie schnell die Zerschlagung ehemals landeseigener Wohnungsgesellschaften voranschreitet, zeigt das Beispiel Gehag: Von den knapp 35 000 Wohnungen besitzt die Firma nur noch die Hälfte, keine sechs Jahre nach deren Verkauf im Jahr 2000. Und die Rumpfgesellschaft Gehag ist selbst auch weiterverkauft worden an den Finanzinvestor Oaktree. Dieser dürfte für die Firma ein Vielfaches jenes Betrags bezahlt haben, der beim Verkauf der Gehag ursprünglich in die Landeskassen geflossen ist. Denn bereits der erste Gehag-Erwerber hatte Mieterhöhungen von 30 Prozent von den Wohnungsnutzern gefordert – und je höher die Mieten sind, desto mehr bezahlt ein Investor für die Übernahme von Immobilien.
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