Serie "Berlin hat die Wahl" (5): Mieten und Wohnen: Guter Raum ist teuer
Teil fünf unserer Wahlserie beschäftigt sich mit der Wohnungslage in Berlin. In beliebten Stadtteilen sind die Mietpreise zuletzt enorm gestiegen. Kann man der erhöhten Nachfrage gerecht werden?
Noch vor wenigen Jahren waren die Berliner Umzugsweltmeister. Doch die Mieten steigen stetig, freie Wohnungen, die bezahlbar sind, findet man in großen Teilen der Stadt nur noch mit Glück und Geduld. Nicht nur in City-Regionen, auch in Randlagen wie Spandau oder Marzahn-Hellersdorf wird der Wohnraum knapp. In besonders beliebten Stadtteilen – Mitte, Prenzlauer Berg, Kreuzberg oder Friedrichshain – stiegen die Mietpreise letztes Jahr um bis zu 14 Prozent.
Vor allem bei Neuvermietungen schlagen die Vermieter auf. Zwar wird nur in Teilen der Stadt das Mietniveau von Hamburg oder München erreicht. Aber die unteren Einkommensschichten und Familien auf Suche nach großen Wohnungen leiden unter dem angespannten Markt. Das gilt nicht nur für Hartz-IV-Empfänger, sondern auch für Rentner, Alleinerziehende oder junge Leute, die studieren oder gerade erst ins Berufsleben einsteigen. Sozial schwache Haushalte geben in Berlin bis zu 40 Prozent ihres Nettogehalts für die Miete aus.
Sozialwohnungen helfen nicht weiter, denn sie sind durchschnittlich um einen Euro je Quadratmeter teurer als im übrigen Wohnungsbestand. Zusätzlich fällt ein Teil der Sozialwohnungen aus der Preisbindung heraus. Wenige Monate vor der Wahl im September will Rot-Rot diesem speziellen Problem mit einem Wohnraumgesetz entgegenwirken. Nicht nur Mieterverbände sind skeptisch. Um die Mieten auf dem freien Markt zu bändigen, müsste Bundesrecht geändert werden. Initiativen des Senats waren bisher nicht von Erfolg gekrönt. Der Ruf wird lauter, in Berlin mehr neue Wohnungen zu bauen, um der stark wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Städtische Wohnungsunternehmen und Genossenschaften brauchten dafür günstige Grundstücke.
Was kritisieren Wähler?
Kann ich mir in fünf Jahren noch eine Mietwohnung in der Innenstadt leisten?
„Ich will nicht stundenlang mit der S-Bahn zur Arbeit fahren, nur weil die Mieten in den Innenbezirken durch die Decke gehen“, sagt Helena Barbas. Die promovierte Mathematikerin wohnt momentan recht zentral in Kreuzberg. „Es kann sich aber jeder ausrechnen, wie die Entwicklung weiter geht.“ Es könne nicht angehen, dass nur noch Großverdiener sich die City leisten können. „Natürlich muss saniert werden“, sagt Barbas. „Aber der Wohnraum muss bezahlbar bleiben.“ Sie könne nur hoffen, dass es in fünf Jahren in Kreuzberg nicht aussieht wie in Prenzlauer Berg. „Die Partei, die mir das verspricht, hat meine Stimme.“ Aber dem Senat mangle es an Konzepten.
Werden die Großsiedlungen am Stadtrand zu Armutsquartieren?
Birgit Riese hat selbst lange in einer Plattenbausiedlung in Marzahn gelebt und die Veränderungen in ihrer Nachbarschaft interessiert verfolgt. „Zu DDR-Zeiten wohnten hier noch die einkommensstarken Leute“, erinnert sich die 52-Jährige. „Jetzt wird das hier zum Armenghetto.“ Wer kann, zieht in die Innenstadt. Zurück blieben nur Einkommensschwache und Rentner. „Oft hängt das auch noch miteinander zusammen“, sagt sie. Und jetzt, da die Mieten im Zentrum immer weiter stiegen, kämen nur noch jene Leute in die Randbezirke, die sich woanders nichts mehr leisten könnten. Schade eigentlich, findet Riese. „Marzahn beispielsweise hat auch schöne grüne Ecken.“ Der Bezirk passe sich nur leider zu sehr dem Bild an, das in den Medien gezeichnet werde.
Warum baut der Senat nicht mehr Wohnungen, damit die Mieten sinken?
Stefan Mayer hat das Umziehen satt. Der 23-Jährige Student musste allein im vergangenen Jahr dreimal seine Wohnung wechseln. Zuletzt wegen einer massiven Mieterhöhung. „Aber eine günstige Bleibe zu finden, ist jedes Mal eine Tortur“, erzählt er. Zu vielen Besichtigungsterminen kämen so viele Bewerber, dass die Vermieter die Kosten unverschämt hoch ansetzen könnten. „Wenn der Wohnraum knapp ist, muss eben der Senat einmal eingreifen und Wohnungen bauen“, sagt Stefan Mayer. Stattdessen werde immer mehr privatisiert und die Preisspirale drehe sich immer weiter. Zurzeit hat der Student wieder eine billige Wohnung gefunden. „Da werde ich bleiben so lange es geht.“ Wer weiß, ob er nochmal eine findet.
Was schlagen Fachleute vor?
Die Konkurrenz unter den Mietern wächst
Die Konkurrenz wächst unter Mietern, und finanzstarke Haushalte werden sich durchsetzen. Denn schon heute etablieren sich jedes Jahr 16.000 neue Haushalte in Berlin, gebaut werden aber nur knapp 4000 neue Wohnungen – und die werden teuer vermietet. Vor allem wohnen immer mehr Menschen allein, 55 Prozent aller Haushalte in der Stadt bestehen nur noch aus einer Person und 30 Prozent aus zwei Personen. Sehr viele von ihnen bevorzugen eine Wohnung innerhalb des S-Bahn-Ringes. Für sie gibt es in der Innenstadt nicht genügend Wohnraum. Davon profitieren Hauseigentümer, die von „phantastischen“ Mehreinnahmen bei Neuvermietungen schwärmen. Wohnungsneubau allein wird da nicht helfen. Es fehlen Grundstücke. Deshalb muss die Miethöhe bei Wiedervermietung begrenzt und die Steigerung bei bestehenden Mietverhältnissen auf 15 Prozent in drei Jahren gekappt werden. Das müsste der Bundestag entscheiden. Der Berliner Senat sollte die Zweckentfremdung von Wohnraum verbieten und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen beschränken.
Der Lebensstandard leidet
Ja, die Viertel am Stadtrand sind auf dem Weg zu Armutsquartieren. Wer wenig Geld hat und eine neue günstige Wohnung sucht, wird am ehesten dort fündig. In den Ostberliner Sanierungsgebieten, in Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain liegen gerade mal vier Prozent aller Wohnungen bei den Mieten unter jener Bemessungsgrenze, die Hartz-IV-Haushalten für die Übernahme der Wohnkosten von den Jobcentern vorgegeben werden. Dagegen liegen im Bezirk Marzahn-Hellersdorf mehr als die Hälfte der Wohnungen unter dieser Grenze. Hinzu kommt, dass nicht nur Bedarfsgemeinschaften, sondern auch Studenten, Minijobber oder Kleinunternehmer um die wenigen günstigen Wohnungen im Zentrum konkurrieren. Die Verdrängung von Haushalten mit geringen Einkommen an den Stadtrand erfolgt aber nicht schlagartig. Viele sind sehr kreativ bei der Bewältigung der höheren Mietbelastung. Zur Not geben sie lieber 40 Prozent ihres Einkommens für die Wohnung aus als ihr Umfeld zu verlassen. Sie sparen dann am Taschengeld der Kinder, an Kinobesuchen, Ferien und an sozialen Aktivitäten. Das ist eine Katastrophe: Sie fallen zwar nicht aus ihrem Umfeld, wohl aber aus ihrem gewohnten Lebensstandard.
Preiswerte Wohnungen fördern
Neubauten sind teuer. Etwa weil die Häuser gut gedämmt werden müssen und die Baustandards erhöht wurden. Durch den Bau neuer Wohnungen kann der Anstieg der Mieten kaum gebremst werden. Es mangelt auch an Bauland. Deshalb entstehen neue Mietwohnungen oft im Zuge der Sanierung existierender Häuser. Das Angebot wächst also nicht. Doch die Menschen leben immer länger, und deshalb müssen neue Wohnungen so gebaut werden, dass Alte oder Kranke darin leben können. Auch das verursacht zusätzliche Baukosten. Und es gibt immer mehr Single-Haushalte, die kleinere Wohnungen benötigen. Deshalb werden oft auch bestehende größere Wohnungen in gutem Zustand in kleinere Einheiten aufgeteilt und verschwinden aus dem Wohnungsangebot. Und noch ein Problem: Der Bau preisgünstiger Wohnungen rechnet sich für Investoren nicht. Sie bevorzugen deshalb Rendite versprechende Luxusobjekte. Um einen weiteren Anstieg der Mieten zu verhindern, sollte der Staat unbedingt den Bau kleinerer, billigerer, aber qualitativ gut ausgestatteter Wohnungen fördern. Maßnahmen, die den Bau von Eigenheimen für junge Familien unterstützen, würden ebenfalls den Druck auf den Markt mindern.
Was sagen Parteien?
Notfalls Wohngeld
SPD, Linke und Grüne setzen auf Änderungen des bundesweit geltenden Mietrechts und verweisen auf Bundesratsinitiativen, die schon eingebracht wurden oder geplant sind. In den Wahlprogrammen dieser Parteien wird auch die Rolle der städtischen Wohnungsbaugesellschaften für preiswerten Wohnraum hervorgehoben. Die Verdrängung sozial schwacher Mieter aus der Innenstadt wird vor allem von Grünen und Linken problematisiert. Die CDU prangert vor allem die steigenden Betriebskosten an und plädiert für günstige Mieten als Wettbewerbsvorteil für Berliner Unternehmen. Die FDP beschränkt sich bei der Mietpreispolitik auf die Forderung nach Wohngeld für Mieter mit niedrigen Einkommen.
Hilfe für den Kiez
SPD, Linke und Grüne verstehen das Quartiersmanagement als entscheidenden Hebel, um die problematischen Kieze am Leben zu erhalten, zu entwickeln und die soziale Durchmischung zu verbessern. Die besondere Lage einzelner Großsiedlungen am Stadtrand wird in den Wahlprogrammen aber nicht konkret angesprochen. Alle drei Parteien halten das Programm „Soziale Stadt“ für sehr wichtig. Sie bekennen sich ausdrücklich zum Quartiersmanagement. Allerdings kritisieren die Grünen, dass es für die sogenannten „Aktionsräume Plus“ noch keine brauchbaren Konzepte gibt und dem Senat für die Problemkieze ein Gesamtkonzept fehle. Christdemokraten und Liberale sprechen die Schwierigkeiten der Großsiedlungen und Problemkieze in ihren Programmen nicht an.
Bauen wollen alle
Der Neubau von Wohnungen in Berlin wird in den Wahlprogrammen aller fünf Parteien im Abgeordnetenhaus thematisiert. Allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung. Für die FDP ist der Bau von Miet- und Eigentumswohnungen das wichtigste Instrument, um die Mieten in den Griff zu bekommen. Die CDU argumentiert ähnlich. Das Angebot müsse kontinuierlich vergrößert werden, nur das halte die Mieten niedrig. SPD, Grüne und Linke halten den Wohnungsneubau, vor allem durch kommunale Wohnungsunternehmen, Genossenschaften oder Baugruppen für ein mietsenkendes Mittel unter vielen anderen. Die Bildung von Wohneigentum wird von den Grünen ausdrücklich angesprochen, während für SPD und Linke neue Mietwohnungen an vorderster Stelle stehen.